So reagiert das Ausland auf die Anti-Corona-Demo in Berlin

Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen halten sich dicht gedrängt auf der Straße des 17. Juni auf. Nur die wenigsten tragen eine Maske.

Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen halten sich dicht gedrängt auf der Straße des 17. Juni auf. Nur die wenigsten tragen eine Maske.

Berlin. Keine Maske, kein Abstand – die Kundgebung von Gegnern der staatlichen Corona-Auflagen in Berlin hat die Politik alarmiert. Zahlreiche Politiker kritisierten das Verhalten der Demonstrationsteilnehmer, die Bundesregierung verurteilte es als inakzeptabel.

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Aber wie schauen andere Länder auf die Proteste, Länder, in denen mitunter unter weit strengere Corona-Auflagen galten – wie in Spanien – oder die weit mehr Erkrankte und Tote in der Pandemie zu beklagen haben? Unsere Korrespondenten Martin Dahms, Katrin Pribyl und Thomas Spang berichten aus Spanien, Großbritannien und den USA.

Spanien: Seltsame Deutsche

“Auch wenn wir ihre Fähigkeit kennen, über die Stränge zu schlagen, wenn sie im Urlaub unser Land besuchen, halten wir die Deutschen doch für vernünftige, seriöse Leute”, schreibt ein Kommentator in der galicischen Lokalzeitung “Diario de Ferrol”. “Was wir nicht von ihnen erwartet hätten, ist, dass sie eine Großdemonstration organisieren, um gegen die Lügen des Coronavirus zu wettern.”

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Die Spanier kennen die Deutschen weniger gut, als sie denken, und sind überzeugt, dass alle Deutschen kleine Angela Merkels wären. Manche sind besser informiert. Die einflussreiche Netzzeitung “El Confidencial” berichtete schon Anfang Mai über “Konspiranoide, Antikapitalisten und Neonazis – die unwahrscheinliche deutsche Covid-Allianz”, die bereits damals regelmäßig in Berlin gegen die Anti-Corona-Politik der Bundesregierung demonstrierte.

Über die Großdemonstration vom Samstag in Berlin berichteten jetzt fast alle spanischen Medien, meistens mit kleineren Agenturberichten. Die Madrider Tageszeitung “El Mundo” spricht vom “Marsch der Leugner”, die Sportzeitung “As” titelt mit “Unverantwortlichkeit in Berlin”. “El País” ist die einzige Zeitung, deren Berlin-Korrespondent mit Demonstranten sprach, zum Beispiel mit einem “Herrn Schmidt”, der klagt: “Die Regierung hat uns wie Tiere behandelt.”

Auch in Spanien gibt es ähnlich Denkende, aber nicht so viele – die Spanier neigen eher wenig zu esoterischem Gedankengut, außerdem war der Schrecken der Pandemie in Spanien viel gegenwärtiger als in Deutschland. Mitte Juli versammelten sich ein paar Dutzend Kritiker der Corona-Politik unangemeldet in Madrid, wurden aber sofort zerstreut.

Spaniens berühmtester Corona-Skeptiker, der Popsänger Miguel Bosé, lebt weit weg in Mexiko und schaltet sich nur hin und wieder per Twitter in die Debatte über “die große Lüge der Regierungen” ein. Das ist bemerkenswert: Seine Mutter, der italienische Filmstar Lucía Bosé, war am 23. März nach einer Coronavirus-Infektion gestorben.

Martin Dahms, Madrid

Großbritannien: Verwunderung über die Bundesrepublik

Während in Berlin Tausende Menschen gegen Maskenschutz und Abstandsregeln auf die Straße gingen, hat der britische Premier Boris Johnson kurz vor dem Wochenende in England die geplanten Lockerungsmaßnahmen für mindestens 14 weitere Tage gestoppt. Für die Menschen im Norden des Landesteils wurden die Beschränkungen sogar verschärft. Sie dürfen sich vorerst nicht mehr mit Mitgliedern anderer Haushalte in Innenräumen wie Pubs oder Restaurants, aber auch nicht in Privatgärten treffen. Dagegen wirkten die Nachrichten von Protesten in Deutschland für etliche Briten beinahe absurd.

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Wie andere Länder blickte in den vergangenen Monaten auch Großbritannien neidisch auf Deutschland, es stellte eine internationale Referenzgröße dar. Nur viele Deutsche, so schien es, sahen und sehen das anders. Das sorgte insbesondere während des Lockdowns für Verwunderung, als die Briten monatelang angewiesen waren, zu Hause zu bleiben – auch dann noch, als in Deutschland schon längst wieder fleißig die Gartencenter leergeräumt wurden, die Menschen zur Arbeit oder zum Arzt gingen und Freunde sich im Biergarten vergnügten.

Die Maßnahmen in der Bundesrepublik wirkten im Vergleich nicht nur harmlos und kurz, sie waren bislang auch erfolgreicher. Das Königreich gehört dagegen zu den weltweit am schlimmsten von der Pandemie betroffenen Ländern, auch weil, so heißt es von Wissenschaftlern, der Lockdown zu spät durchgesetzt wurde. Laut Regierungsangaben sind bis Montag mehr als 46.300 positiv auf das Coronavirus getestete Menschen gestorben. Die Wirtschaft liegt am Boden und das Krisenmanagement der Regierung wurde selbst in den eigenen konservativen Reihen kritisiert.

Nicht selten war in der Öffentlichkeit der Wunsch nach einer als stark gepriesenen Führungsfigur wie Kanzlerin Angela Merkel zu vernehmen. Zwar mag es auch auf der Insel von einigen Bevölkerungsteilen Kritik an Maskenpflicht und sonstigen Maßnahmen geben. Doch das Land erscheint zu traumatisiert und geprägt von diesen vergangenen Monaten, als dass diese Stimmen allzu laut erklingen. Von einer Art von Normalität, wie sie in Deutschland vorherrscht, ist man im Königreich noch weit entfernt.

Katrin Pribyl, London

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USA: Demonstration wird wie eine Kuriosität behandelt

Deutschland erhält in den US-Medien überwiegend Bewunderung für seinen Umgang mit der Corona-Pandemie. Der Grund liegt auf der Hand. Während in den USA auf 100.000 Einwohner 1441 Covid-19-Fälle kommen, liegt die Zahl in Deutschland bei 254. Das ist mehr als fünfmal weniger. Mit mehr als 60.000 Neuinfektionen am Tag ist die Pandemie in den USA außer Kontrolle geraten. Kein Vergleich zu den zuletzt 509 Neumeldungen (3.8) in Deutschland.

“Im Unterschied zu den USA, Brasilien und Großbritannien hat die deutsche Regierung Anerkennung für das Management der Pandemie bekommen”, hält die Associated Press in ihrer Geschichte über die Demonstration in Berlin fest, die in den US-Medien eher wie eine Kuriosität behandelt wird. Selbst der konservative Sender Fox News betont den “weitgehend erfolgreichen” Umgang mit der Pandemie und “die im Vergleich zu anderen Ländern niedrigere Rate an Todesfällen”.

Die “Washington Post” erinnert daran, dass Deutschland “in den frühen Tagen der Pandemie eine der aktivsten Protestbewegungen gegen die Corona-Maßnahmen hatte, obwohl die Restriktionen im Vergleich zu anderen Staaten in Europa viel geringer waren”. In Berlin machten die Reporter eine “eklektische Ansammlung aus Anhängern von Verschwörungstheorien, Rechtsaußen, Linksaußen und anderen” aus, die sagten, sie sorgten sich um die Wirtschaft und “Einschränkung fundamentaler Rechte”.

CNN hebt hervor, dass “so gut wie niemand eine Maske trug” und die Polizei deswegen entschieden durchgriff. “Genau so macht man das”, kommentiert Caryn Blackwell aus Washington die Auflösung der Veranstaltung. Die Lehrerin hat Bilder aus Berlin im Fernsehen gesehen und wünschte sich, dass die Behörden auch in den USA härter durchgriffen. Stattdessen werde es vielerorts geduldet, dass sich die Leute nicht an die Schutzmaßnahmen hielten. “Sie sehen das Ergebnis.”

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Größere Beachtung als die Demonstration in den Medien findet allerdings die Entscheidung der deutschen Regierung, alle Reisenden aus Krisenländern an Flughäfen kostenlos auf das Coronavirus zu testen.

Thomas Spang, USA

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