So soll Europa bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral werden

Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ehrgeizige Pläne für Europa.

Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ehrgeizige Pläne für Europa.

Brüssel/Berlin. Sie hat ein ehrgeiziges Ziel: Europa soll bis zum Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Erste Details, wie das gelingen soll, will die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an diesem Mittwoch in Brüssel verraten. Klar ist schon jetzt: Von der Leyen wird alle Kniffe anwenden müssen, über die sie verfügt. Denn das Vorhaben, das von der Leyen „Green Deal“ nennt, hat nicht nur Freunde. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:

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Was ist Klimaneutralität?

Um Klimaneutralität zu erreichen, darf ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch so viel Treibhausgas in die Atmosphäre geblasen werden, wie an anderer Stelle eingespart oder zum Beispiel in Wäldern gespeichert wird. Voraussetzung dafür ist ein Komplettumbau bei der Produktion von Gütern und bei der Energieversorgung. Aber auch der Verkehr und die Landwirtschaft werden einschneidende Änderungen durchmachen müssen. Damit soll vermieden werden, dass sich die Temperatur auf der Erde um mehr als zwei Grad im Vergleich zum späten 18. Jahrhundert, dem Beginn des industriellen Zeitalters, erhöht.

Wie schnell soll das Vorhaben umgesetzt werden?

Als Endziel steht die Klimaneutralität im Jahr 2050. Das will die EU-Kommission bis Mitte März kommenden Jahres in einem Gesetz festschreiben. Damit soll der Plan „unumkehrbar werden“, wie von der Leyen sagt. In einem ersten Schritt soll der Ausstoß von Kohlendioxid allerdings schon bis zum Jahr 2030 um mindestens 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Möglicherweise wird die Reduktion auch 55 Prozent betragen. Festlegen will sich von der Leyen dazu erst bis Herbst 2020.

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Was plant die Kommission genau?

Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, muss den „Green Deal“ ausgestalten. Dazu gehören der Umbau des Nahverkehrs, neue Hilfen zur Modernisierung von Häusern und Heizungen sowie ein Programm zur Aufforstung und zur Begrünung von Städten. Darüber hinaus will der Sozialdemokrat aus den Niederlanden eine neue Industriestrategie für die EU vorlegen. Die Schifffahrt soll in den europäischen Emissionshandel einbezogen und Flüge sollen ebenso teurer werden wie klimaschädlicher Straßenverkehr. Neben den Effekten für ein besseres Klima sollen diese Pläne auch Europas Wirtschaft zukunftsfähig machen. Von der Leyen sieht die EU als Vorreiter. Andere Regionen auf der Welt sollten sich ein Beispiel an der EU nehmen, die derzeit etwa 10 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgas verantwortet. Das heißt konkret: Ohne Mitwirkung Russlands, Chinas und der USA wird der europäische Beitrag allein nicht ausreichen, um die Erhitzung der Erde zu verhindern.

Wie hoch sind die Kosten?

Experten sagen, EU-weit müssten pro Jahr bis 2050 etwa 500 Milliarden Euro aufgebracht werden. Das Geld soll aus der Privatwirtschaft, von den EU-Mitgliedsstaaten und aus dem Budget der Kommission kommen. Auch die Europäerinnen und Europäer sollen über höhere Preise ihren Beitrag leisten.

Der Streit ums Geld fürs Klima wird die Verhandlungen über das nächste mehrjährige EU-Budget von 2021 bis 2027 dominieren. Von der Leyen will Staaten wie Polen, Tschechien und Ungarn, die weiter auf fossile Brennstoffe wie Kohle setzen, mit Milliardenkompensationen auf ihre Seite ziehen.

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Ob das gelingt, ist unklar. Im vergangenen Sommer haben diese Staaten einen Beschluss aller Mitgliedsländer nicht mitgetragen, wonach die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Schon am Donnerstag, wenn sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu ihrem letzten Gipfel des Jahres treffen, werden von der Leyens Pläne einem ersten Test unterzogen.

Was sagen die politischen Parteien?

Grundsätzlich sind alle europafreundlichen Parteien im Brüsseler Europaparlament für mehr Klimaschutz. Sie unterscheiden sich allerdings in Fragen der Geschwindigkeit und des Geldes, das für den „Green Deal“ verwendet werden soll. „Als Sofortmaßnahme fordern wir, den EU-Haushalt an die Pariser Klimaziele zu binden und die Hälfte des EU-Haushalts in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren“, sagte etwa Ska Keller, Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Die Sozialdemokraten fordern, dass das Klimaziel direkt auf 55 Prozent angehoben wird. Auch müssten die Mitgliedsstaaten ihre Blockade aufgeben und den „Green Deal“ mit viel Geld ausstatten. „Der CDU/CSU-Teil der Bundesregierung stellt Deutschland dabei in den europäischen Diskussionen ins klimapolitische Abseits“, sagte Delara Burkhardt, die klimapolitische Sprecherin der Europa-SPD, dem RND.

Nahezu vollständig wird Ursula von der Leyen dagegen von ihrer Europäischen Volkspartei (EVP) unterstützt. Peter Liese (CDU), Klimaexperte der EVP, sagte dem RND, die neue Kommissionspräsidentin habe mit ihren Vorschlägen eine „gute Balance“ gefunden. Eine Einschränkung machte Liese allerdings. „Eine Reduktion der Treibhausgase bis 50 Prozent kann man auf der Basis bereits bestehender Gesetzgebung und einiger sinnvoller neuer Vorschläge, wie die Einbeziehung des Seeverkehrs in den Emissionshandel und die Anpassung des Emissionshandels an den Kohleausstieg, erreichen“, sagte Liese dem RND: „Was über 50 Prozent hinausgeht, tut sehr weh und macht deshalb nur Sinn, wenn wir auch eine nennenswerte Beteiligung anderer großer Volkswirtschaften haben.“

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