Der spanische Streit ums Gassparen: dunkle Schaufenster statt echter Maßnahmen
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Spaniens Energiesparplan beinhaltet unter anderem die Vorgabe, dass Schaufenster nach 22 Uhr nicht mehr beleuchtet werden dürfen.
© Quelle: Isabel Infantes/EUROPA PRESS/dpa
Madrid. Wenn spanische (und nicht nur spanische) Parteien sich streiten, geht es selten um die Sache und meistens um die Macht. Welche Schlagwörter bleiben besser bei den Wählern hängen? Dass die Regierung „ideologische Vorurteile“ hat oder dass die Opposition zu den „Leugnern“ (des Klimawandels) gehört?
Drei Stunden lang debattierten am Montag zwei Ministerinnen der spanischen Sánchez-Regierung per Videokonferenz mit mehreren Dutzend Ministern der 17 Regionalregierungen, um Klarheit über den Energiesparplan zu schaffen oder zu gewinnen, der an diesem Mittwoch in Kraft treten wird. Als „Dialog von Tauben“ bezeichnete hinterher ein Regionalpräsident das Treffen, womit er Leute meinte, die nicht hören und nicht verstehen wollen.
Was auch immer an diesem Montag gesagt wurde, der Plan tritt an diesem Mittwoch in Kraft, weil es die Regierung so will und sie die Macht und das Recht hat, ihren Willen durchzusetzen. Die Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso von der oppositionellen Volkspartei (PP) wird den Plan nicht mehr administrativ torpedieren, wie sie vergangene Woche versprach, aber möglicherweise vor Gericht bringen. Vor allem hält sie es für fatal, dass ab 22 Uhr die Schaufenster nicht mehr beleuchtet sein dürfen. Die andere große Maßnahme – Höchst- und Tiefsttemperaturen für Heizungen und Klimaanlagen in öffentlich zugänglichen Gebäuden – stört offenbar weder Ayuso noch andere maßgebliche Politiker.
Dass Energiesparen ein Gebot der Stunde ist, stellt nur die Rechtsaußenpartei Vox in Frage. Sie spricht von „Klimafundamentalismus“, was ein Diskurs ist, den die konservative PP nicht teilt. Warum die PP – abgesehen vom Schaufensterthema – trotzdem gegen den Plan der linken Regierung ist, wird aus ihren öffentlichen Aussagen nicht klar.
Um konstruktive Kritik zu hören, muss man andere, nicht parteipolitische Debatten verfolgen. Zu denen, die es grundsätzlich für keine gute Idee halten, dass der Staat seinen Bürgern die Konsumentscheidungen abnimmt, gehört Juan Ramón Rallo, Wirtschaftsdozent an der Madrider IE University und einflussreicher Kolumnist in der Netzzeitung El Confidencial. Seine Kolumne heißt „Laissez faire“, womit er ideologisch leicht zu verorten ist.
„Wenn ein Gut im Vergleich zu seiner Nachfrage knapp wird“, erklärte er dort vor kurzem, „wird sein Preis steigen und wir (Konsumenten) konzentrieren uns darauf, es nur noch für diejenigen Tätigkeiten zu nutzen, die wir für vordringlich halten.“ Die Betonung in diesem Satz liegt auf „wir“: Nicht der Staat hat zu entscheiden, was richtiger und was falscher Konsum ist, sondern jeder einzelne.
Wenn die Regierung erkennt, dass der Verbrauch von Gas (und Benzin) gedrosselt werden muss, soll sie die Steuern darauf erhöhen – und es danach den Konsumenten überlassen, wie sie auf die höheren Preise reagieren. Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen kann sie außerdem diejenigen finanziell unterstützen, denen das Geld für die Heizung knapp wird.
Debatte über Schaufenster statt Stromexporte
Die spanische Sánchez-Regierung tut das Gegenteil: Sie subventioniert Benzin und Gas, um der Inflation zu begegnen. Weil Benzin und Gas damit billiger sind, als sie sein sollten, sinkt ihr Konsum nicht in dem Maße, wie er es ohne die Subventionen täte. Im spanischen Fall hat die Subvention des Gases aber noch einen weiteren, unvorhergesehenen Effekt: Spanien exportiert plötzlich Strom nach Frankreich, weil der Strom aus spanisch subventioniertem Gas offenbar billiger ist als der französische Atomstrom.
EU-Staaten verständigen sich auf Notfallplan zum Gassparen
Vertreterinnen und Vertreter von EU-Staaten haben sich auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verständigt.
© Quelle: dpa
In Spanien ist der heimische Gasverbrauch für Heizung und Industrie bis zu diesem Montag um 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Der Gasverbrauch zur Stromerzeugung ist dagegen um 87,6 Prozent gestiegen – und das, obwohl auch der heimische Stromverbrauch bis Ende Juli um 0,6 Prozent sank.
Dass so viel Gas für Strom verbrannt wird, liegt unter anderem an der niedrigen Leistung der Wasserkraftwerke wegen Trockenheit – aber auch am plötzlichen Stromhunger der Nachbarn. Das sind einigermaßen komplexe Zusammenhänge, über die sich die Parteien nicht streiten. Was sie aber tun sollten. Doch dunkle oder helle Schaufenster sind im täglichen Machtkampf ergiebiger.
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