Wer lud Steinmeier aus?

Steinmeier-Ausladung: Widersprüche in Kiew, Kritik aus Berlin

12.04.2022, Polen, Warschau: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beantwortet bei einer Pressekonferenz mit dem polnischen Präsidenten die Fragen von Medienvertretern. Frank-Walter Steinmeier ist in der Ukraine nicht willkommen.

12.04.2022, Polen, Warschau: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beantwortet bei einer Pressekonferenz mit dem polnischen Präsidenten die Fragen von Medienvertretern. Frank-Walter Steinmeier ist in der Ukraine nicht willkommen.

Berlin. Streit und Verwirrung um die Ausladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier nehmen nicht ab. Der Staatschef der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, erklärte am Mittwochabend, es habe keine Anfragen des Bundespräsidenten zu einem Besuch gegeben. Eine Nachricht an die deutsche Vertretung in Kiew, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, zeigt jedoch ein anderes Bild: Das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat den geplanten Besuch des deutschen Bundespräsidenten gegenüber der Deutschen Botschaft aktiv abgesagt.

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Steinmeier wollte zusammen mit den Staatspräsidenten Polens, Lettlands, Litauens und Estlands nach Kiew fahren. Die ukrainische Regierung lehnte einen Besuch Steinmeiers jedoch ab. Sie will Kanzler Olaf Scholz in Kiew sehen und lud diesen erneut ein. Der Besuch der Staatsoberhäupter wurde nach Angaben aus Warschau von Polen auf gemeinsame Initiative organisiert. Die vier anderen Staatschefs fuhren schließlich allein. Nach der Rückkehr warf Duda Russland vor, in der Ukraine einen „totalen Krieg“ zu führen.

Selenskyj lehnt Steinmeier-Besuch in Kiew ab

Beobachter vermuten, dahinter stehe Selenskyjs Missbilligung der engen Beziehungen Steinmeiers zu Russland in seiner Zeit als Außenminister der Bundesrepublik.

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Selenskyj sagte nach Angaben der ukrainischen Agentur Unian in Kiew: „Ich als Präsident und unser Büro haben keine offiziellen Anfragen des Bundespräsidenten und des Büros des Bundespräsidenten bezüglich eines Besuchs in der Ukraine erhalten.“

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur notifizierte aber die ukrainische Präsidialkanzlei dem polnischen Botschafter in Kiew am Montagabend die formelle Absage der deutschen Teilnahme. Am Dienstagnachmittag, als Steinmeier bei Duda in Warschau war, bestätigte die ukrainische Präsidialkanzlei dann die Absage gegenüber der deutschen Botschafterin in der Ukraine, Anka Feldhusen.

Kritik an Kiew wächst:

„Der Bundespräsident ist Deutschland. Und deswegen ist seine Ausladung durch Präsident Selenskyi eine Ausladung Deutschlands“, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Donnerstag. „Ich muss es leider so sagen: Die ukrainische Seite hat einen diplomatischen Fehler gemacht.“

Habeck sagte auf die Frage, ob nun er oder Kanzler Olaf Scholz (SPD) in die Ukraine reisen würden: „Jetzt sollten wir alle schnell zusehen, dass wir das Problem lösen und nicht eskalieren. Dafür wurden Telefone ja erfunden.“ Die gesamte Regierung stehe im ständigen Austausch mit der ukrainischen Regierung.

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Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff hielt der ukrainischen Seite vor, sich diplomatisch falsch verhalten zu haben. Wenn Steinmeier nicht nach Kiew fahren könne, Scholz die Einladung aber annähme, „wäre das ein doppelter Affront gegen das Amt des Bundespräsidenten“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland am Donnerstag. Allerdings könne er schon verstehen, dass manche in Kiew den früheren Kanzleramtschef von Gerhard Schröder und späteren Außenminister nicht empfangen möchten. „Steinmeiers Russland-Politik ist einer der Hauptgründe für unsere derzeitigen diplomatischen und energiewirtschaftlichen Schwierigkeiten.“

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bestreitet aber, dass die Reise wegen Steinmeiers langjähriger Rolle gescheitert sei. „Es steht außer Frage, dass Herr Steinmeier die Ukraine in Zukunft besuchen kann“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ am Donnerstag. Es gehe „nicht darum, ob seine bisherige Distanzierung zu den gravierendsten Fehlern der Russland-Politik als ausreichend empfunden wurde“. Im Moment sei aber vorrangig, dass der Kanzler die Ukraine besuche, „weil nur er und die Ampel notwendige Entscheidungen über neue Waffen und weitere Strafmaßnahmen gegen Moskau treffen können“.

Diskussion über Lieferung schwerer Waffen

Scholz hat die Lieferung schwerer Waffen bislang abgelehnt und äußert sich dazu oft vage. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter fordert ein Umdenken. „Das Problem ist im Kanzleramt“, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestags in der Sendung „RTL Direkt“ am Mittwochabend. „Wir müssen jetzt endlich anfangen, der Ukraine das zu liefern, was sie braucht, und das sind auch schwere Waffen.“ Und Deutschland müsse aufhören, das Energieembargo insbesondere bei Öl und Kohle zu blockieren. Scholz spreche von Zeitenwende, aber setze sie nicht ausreichend um, kritisierte Hofreiter. „Und da braucht‘s deutlich mehr Führung.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich reagierte am Donnerstag auf solche Forderungen kritisch: „Einfache Antworten, auch bei der Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine, gibt es nicht. Wer das behauptet, handelt verantwortungslos.“ Die Bilder und Berichte über den Krieg in der Ukraine seien schrecklich und verstörend. Unter dem Eindruck von Besuchen vor Ort „bisher beispiellose Entscheidungen zu fordern, ohne sie selbst verantworten zu müssen, ist falsch - zumal diese weitgehende Konsequenzen für die Sicherheit unseres Landes und der Nato haben könnten“, erklärte Mützenich.

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Auch die Grünen-Spitze wies die Kritik Hofreiters an Scholz zurück. Das sei „nicht die Linie von Bündnis90/Die Grünen“, sagte Parteichef Omid Nouripour in Berlin. Nouripour unterstützt allerdings die Forderung, der Ukraine nun auch schwere Waffen zu liefern, wie er am Montag deutlich gemacht hatte. Dafür hatte sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ausgesprochen.

RND/dpa/hyd

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