Zinserhöhung und Steuerschätzung: Das dicke Ende der Inflation kommt erst noch
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/KWB444SYMTY5AQQI5A6OSHSCFQ.jpg)
Die 70 Milliarden Euro, die die Deutschen in den Corona-Lockdowns gespart haben, sind nach Berechnungen von Wirtschaftsforschern bereits weg.
© Quelle: Jens Büttner/dpa
Berlin. Die Welt des Geldes ist aus den Fugen geraten – und jeder spürt das in seinem Portemonnaie. Meldungen, die auf den ersten Blick positive Botschaften enthalten, entpuppen sich bei näherem Hinsehen als problematisch oder zumindest ambivalent. Da ist zum einen die weitere Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank. Eine gute Nachricht für alle Sparer, denn die Inflation von derzeit 10 Prozent frisst derzeit die Ersparnisse in atemberaubendem Tempo auf. Die 70 Milliarden Euro, die die Deutschen in den Corona-Lockdowns gespart haben, sind nach Berechnungen von Wirtschaftsforschern bereits weg.
Eine gute Nachricht auch für die Unternehmen, schließlich sorgen die massiven Preissteigerungen, die durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verstärkt werden, für ernste Verwerfungen im Wirtschaftskreislauf. Unternehmen müssen ihre Produkte teurer machen, weil ihre Ausgaben für Vorprodukte und Löhne steigen – aber sie stellen fest, dass diese höheren Preise am Markt nicht mehr durchsetzbar sind. Die Corona-Rezession, so sagen viele in der Wirtschaft, war im Vergleich zu den Folgen der Inflation nur ein laues Lüftchen.
Operation gelungen – Patient tot
Das verspätete, nun aber energische Handeln der EZB hat aber nicht nur positive Seiten. Steigende Zinsen dämpfen die Wirtschaftsentwicklung , weil Investitionen teurer werden. In normalen Zeiten ist das auch gut so, weil die Inflation in der Regel Ausdruck einer überhitzten Konjunktur ist. Derzeit wird die Teuerung aber vor allem „importiert“ – durch hohe Energiepreise und weltweite Lieferengpässe. Daran wird die Zinserhöhung nichts ändern können – außer sie würgt die Wirtschaft so stark ab, dass eine tiefe Rezession den Energieverbrauch einbrechen lässt, was dann zu sinkenden Preisen führt. Operation gelungen – Patient tot.
Auch die aktuelle Steuerschätzung ist kein Grund zur Beruhigung. Sicher, der Staat profitiert von der Inflation durch höhere Einnahmen. Allerdings leiden Bund, Länder und Gemeinden als Nachfrager und Auftraggeber auch unter den gestiegenen Preisen. Richtigerweise versucht die regierende Ampelkoalition zudem, die Belastungen für Bürger und Unternehmen mit Milliardenpaketen abzufedern. Unterm Strich sind die Auswirkungen von Inflation und Wirtschaftsflaute auf die Staatskasse gravierend, zumal insbesondere der Bund wiederum Leidtragender der Zinspolitik der EZB sein wird. Denn die Verschuldung ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Schuldenbremse ist faktisch tot.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EZHJQQG67RD4LOGG3ATC7MQUTQ.jpg)
Hauptstadt-Radar
Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Jede Zinsanhebung verschlimmert dabei die Lage in der Zukunft
Zwischen 2020 und 2022 steigt der Schuldenberg des Bundes um 485 Milliarden Euro, dazu kommen 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und 200 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse. Allein in die bisherige Amtszeit von Finanzminister Christian Linder, der stets das hohe Lied der Haushaltsdisziplin singt, fallen Schulden von rund 500 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das entspricht der Kreditsumme, die die alte Bundesrepublik von 1949 bis zur Wiedervereinigung 1990 angehäuft hatte.
Das Geld ist gut angelegt, weil es Schlimmeres für Bürger und Unternehmen verhindert. Jedoch wird zu wenig über die Folgen der Schuldenpolitik gesprochen. Tilgung und Zinsen schränken die finanziellen Handlungsspielräume in den nächsten Jahrzehnten massiv ein. Jede Zinsanhebung verschlimmert dabei die Lage in der Zukunft.
Die Ampelkoalition hat darauf bisher keine Antwort gegeben. Stattdessen ist sie damit beschäftigt, die Schulden in allerlei Nebenhaushalten zu verstecken, damit Lindner weiter behaupten kann, die Schuldenbremse einzuhalten. Das ist geradezu kindisch und wird den Herausforderungen, vor denen das Land steht, nicht gerecht.