Südossetiens Machthaber suchen ihr Heil im Anschluss an Russland
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Südossetiens Präsident Anatoli Bibilow hat den Erlass zur Volksabstimmung über den Beitritt zu Russland unterschrieben.
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Berlin. Während der russische Vormarsch in der Ukraine immer mehr am Widerstand der Verteidiger abprallt, ist der Kreml anderenorts weiter auf Expansionskurs. Das Szenario ist inzwischen bekannt: Entweder droht irgendwo ein „Genozid“ an ethnischen Russen, oder irgendeine selbst ernannte Republik möchte via Volksabstimmung ins russische Imperium heimgeholt werden.
Als 2014 die ukrainische Maidan-Revolution einen prowestlichen Kurs in Richtung Europa einschlug, reagierte Moskau mit der handstreichartigen Besetzung der Schwarzmeerhalbinsel Krim und ließ die Annexion durch ein Referendum „legitimieren“, das durch eine rasch installierte prorussische Regierung abgehalten wurde.
Jüngstes Beispiel: Die von Georgien abtrünnige Minirepublik Südossetien mit gut 50.000 Einwohnern gab in der Nacht zu Samstag bekannt, dass sie am 17. Juli ein Referendum über den Beitritt zur Russischen Föderation durchführen will.
„Wir haben den schicksalhaften Schritt gemacht, wir kehren heim, wir gehen nach Russland“, zitierte die amtliche russische Nachrichtenagentur Tass den Präsidenten Südossetiens, Anatoli Bibilow, der zuvor einen entsprechenden Ukas erlassen hatte.
Der „Fall“ Südossetien geht zurück bis in die Zeit des Zerfalls der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre, als sich die Gebirgsregion für autonom und unabhängig von Georgien erklärte. Im Sommer 2008 kam es dann zu Anschlägen und bewaffneten Auseinandersetzungen an der Grenze von Georgien und Südossetien, in deren Folge russische Truppen vom Nordkaukasus bis ins georgische Kernland vorrückten.
Die selbst ernannte Republik Südossetien ist völkerrechtlich weiterhin Bestandteil Georgiens und international nur von Russland, Nicaragua, Venezuela, Nauru und Syrien anerkannt. Russland hilft mit Geld und Militär und trieb in der Vergangenheit die Anbindung voran, beispielsweise auch durch die Vergabe russischer Pässe. Nach Schätzungen soll über die Hälfte der Bürger inzwischen auch die russische Staatsbürgerschaft besitzen.
Dass das „Referendum“ jetzt ausgerufen wird, kann nur mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängen. Kurz vor Beginn des russischen Angriffs hatte Kremlchef Wladimir Putin bekannt gegeben, dass Russland die seit 2014 umkämpften „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk in der Ukraine als unabhängige Staaten anerkennen wird.
Bei einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates, die im TV gezeigt wurde, verplapperte sich ein Mitglied und sagte sinngemäß, er sei auch dafür, dass die beiden Republiken in die Russische Föderation eingegliedert würden.
Putin ist seit Jahren als Hobbyhistoriker unterwegs und versucht, über die Symbolik der Nation eine Kontinuität zwischen Zarenreich und UdSSR zu konstruieren, obwohl das eine System blutig vom anderen in einem Bürgerkrieg bekämpft wurde, der Millionen Opfer forderte. Immer gleich war tatsächlich der imperiale Anspruch Russlands, der sich zu Sowjetzeiten über das „sozialistische Lager“ bis ans Brandenburger Tor ausgedehnt hatte.
Dass das alles längst Geschichte und irgendwie auch völlig unmodern ist, will Putin nicht wahrhaben und versucht sein Rollback mit Annexionen, Referenden und letztlich auch mit Krieg.
Schon seit einigen Wochen richten sich die Blicke der friedlichen Welt sorgenvoll auf die kleine Republik Moldau zwischen Rumänien und der Ukraine. Auch dort hatte sich Anfang der 1990er-Jahre eine Region als Transnistrische Republik abgespalten, die von keinem Land der Welt anerkannt, aber von etwa 2000 russischen Soldaten und Soldatinnen besetzt ist.
Es wäre nicht verwunderlich, wenn das dortige prorussische De-facto-Regime als Nächstes eine „Volksabstimmung“ abhalten würde.