Suizid oder Verbrechen? Der Fall Witali Schischow ist bis heute nicht aufgeklärt

Witali Schischow leitete die Organisation „Belarussisches Haus in der Ukraine“. Am 3. August 2021 wurde er erhängt in einem Park in der Nähe seines Wohnorts entdeckt.

Witali Schischow leitete die Organisation „Belarussisches Haus in der Ukraine“. Am 3. August 2021 wurde er erhängt in einem Park in der Nähe seines Wohnorts entdeckt.

Berlin. Im Sommer 2021 erregte der Tod des belarussischen Oppositionellen Witali Schischow auch in Westeuropa große mediale Aufmerksamkeit. Der Aktivist war am 3. August an einem Baum erhängt in einem Stadtpark von Kiew aufgefunden worden. Sowohl aus dem Umfeld von Schischow als auch aus ukrainischen Ermittlerkreisen wurde schnell der Verdacht laut, dass der junge Mann Opfer eines vom belarussischen Geheimdienst als Suizid inszenierten Verbrechens geworden ist.

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Der 26-Jährige Schischow galt bei Kennerinnen und Kennern der belarussischen Diaspora als eine Schlüsselfigur in Sachen Hilfe für politisch Verfolgte. Selbst vor dem Regime von Diktator Alexander Lukaschenko nach Kiew geflohen, hatte er sich dort als Leiter der Organisation „Belarussisches Haus in der Ukraine“ um verfolgte Landsleute gekümmert, sie bei Unterbringung und Aufenthalts­erlaubnis unterstützt.

„Es gibt keinen Zweifel, dass dies eine geplante Operation von Geheimagenten war, um einen Belarussen zu liquidieren, der für das Regime gefährlich war“, teilte das „Belarussische Haus“ nach Schischows plötzlichem Tod mit. Es habe bereits zuvor Hinweise gegeben, dass Schischow verschleppt oder getötet werden könnte. Nach ersten Ermittlungen waren in Schischows Gesicht Spuren von Schlägen zu sehen. Das Nasenbein sei gebrochen gewesen, hieß es im ukrainischen TV.

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Schischows Freundin verdächtigt russischen Geheimdienst

Doch ein halbes Jahr später treten die Ermittlungen offenbar auf der Stelle. Das unabhängige private ukrainische Portal „Gordon“ berichtete am 12. November 2021, dass die Polizei in Kiew internationale Experten hinzugezogen habe. Der Chef der Kiewer Polizei, Ivan Vygorsky, wird laut Agentur Interfax-Ukraine mit den Worten zitiert, dass die Ermittlungen zur Todesursache noch andauern und dass man zwei Versionen verfolge: Suizid oder Mord mit vorgetäuschtem Suizid.

Das russischsprachige Portal „Nastojashe Wremja“ („Aktuelle Zeit“) zitierte am 21. September 2021 Schischows Freundin Bozena Acorn mit den Worten: „Das war kein Selbstmord.“ Sie äußerte die Vermutung, dass der KGB oder auch der russische Geheimdienst FSB oder auch „ukrainischen Stellen“ involviert gewesen sein könnten und dass deshalb die Ermittlungen nicht vorwärtskämen.

Kritik an den ukrainischen Ermittlungsbehörden wird laut

Auch Igor Mitchnik, der für die deutsch-schweizerische Menschenrechtsorganisation Libereco regelmäßig in Kiew arbeite, kann den Ermittlungen keine besondere Dynamik bescheinigen: „Die ukrainische Staatsgewalt ist leider nicht dafür bekannt, immer alles bis zum Ende auszuleuchten“, sagt Mitchnik im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Das treffe auch auf den Fall des belarussischen Journalisten Pawel Scheremet zu, der im Juli 2016 in Kiew ums Leben kam. Scheremet wurde auf dem Weg zur Arbeit morgens um 7:45 Uhr durch eine am Boden des Autos seiner Partnerin Olena Prytula angebrachte Bombe getötet. Nur etwa 200 Meter von der deutschen Botschaft entfernt.

„Ich habe damals in unmittelbarer Nähe des Platzes gewohnt, wo das Auto explodiert ist und die Situation miterlebt. Ich wurde von der Explosion aufgeweckt und sah dann wie sich Menschen um das verbrannte Auto versammelten und die Polizei kam“, berichtet Mitchnik. „Das hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen und deshalb verfolge ich bis heute die Ermittlungen.“ Allerdings gibt es auch hier wenig Neues zu berichten, der Fall ist bislang nicht vollständig aufgeklärt. Zuletzt gab es auch hier Vermutungen, dass der belarussische Geheimdienst KGB etwas damit zu tun gehabt haben könnte.

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Journalistenkollegen von Scheremet haben seinerzeit den Untersuchungsbehörden ihre Hilfe bei den Ermittlungen angeboten, sind nach eigenen Angaben aber abgewiesen worden. Erschwerend kam wohl auch hinzu, dass durch die Polizeireform in der Ukraine Zuständigkeiten bei den Ermittlungsbehörden wechselten. Die Anwältin Elena Gavrilyuk, die für die Angehörigen im Fall Schischwo tätig ist, sagte gegenüber Interfax, es gebe immer noch mehr Fragen als Antworten. Das trifft auch auf den Fall Scheremet zu, findet Igor Mitchnik.

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