Tausende Flüchtlinge zur EU-Grenze geschleust: „Lukaschenko betreibt staatlich organisierten Menschenhandel“

Aufnahmen einer Drohne von Frontex zeigen, wie Flüchtlinge kurz vor der Grenze abgesetzt werden.

Aufnahmen einer Drohne von Frontex zeigen, wie Flüchtlinge kurz vor der Grenze abgesetzt werden.

Litauen hat am Sonntag so viele Flüchtlinge registriert wie nie zuvor in diesem Jahr: Mit 287 Menschen kamen mehr als dreimal so viele wie im gesamten letzten Jahr. Es ist der bisherige Höhepunkt eines Konflikts zwischen dem belarussischen Machthaber Lukaschenko und der EU, der schon seit Wochen anhält. Rund 4.000 Flüchtlinge hat Lukaschenko seit Juni aus dem Irak und anderen Staaten einfliegen lassen und bis zur grünen Grenze von Litauen gebracht.

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„Das ist eine Provokation des Lukaschenko-Regimes“, kritisiert die EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson die Entwicklungen bei ihrem Besuch in Litauen. Auch das Auswärtige Amt sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Das belarussische Regime missbraucht Menschen in Not zu politischen Zwecken“. Es beobachte die Situation an der Grenze zwischen Belarus und Litauen sehr genau und stehe in engem Austausch mit Litauen.

Kritik an Lukaschenkos Aktionen kommt auch vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU). „Lukaschenko betreibt staatlich organisierten Menschenhandel, indem er Flüchtlinge nach Belarus transportiert, um sie dann über die Grenze nach Litauen zu schicken“, sagt Röttgen gegenüber dem RND. Er kritisiert: „Das abscheuliche Ziel von Lukaschenko ist es, durch das Ausnutzen des Schicksals und der Verzweiflung von Flüchtlingen, das kleine Nachbarland Litauen zu destabilisieren und für das mutige Eintreten gegen autoritäre Regime wie das in Belarus zu bestrafen“. Im vergangenen Monat warf der litauische Außenminister Belarus vor, Migranten als „politische Waffe“ gegen Litauen und die Europäische Union einzusetzen.

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Frontex-Video zeigt dreistes Vorgehen an der Grenze

Am Dienstag hatte die EU-Grenzschutzbehörde Frontex ein Video veröffentlicht, das die Schleuser bei ihrer Arbeit zeigt: Mit mehreren Jeeps werden Flüchtlinge bis kurz vor Litauen gefahren und dort herausgelassen, um die kurze Distanz über die grüne Grenze ins EU-Land zu laufen. „Aktives und gezieltes Einschleusen von Personen über die Grenze nach Litauen richtet sich gegen die gesamte EU“, heißt es vom Auswärtigen Amt. Die Bundesregierung unterstütze Litauen unter anderem durch deutsches Personal im Rahmen des EU-Außengrenzschutzes.

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Am Dienstag hat Litauen unterdessen damit begonnen, Flüchtlinge nach Belarus zurückzuschicken. „Jeder, der versucht, illegal nach Litauen zu kommen, wird zum nächsten Grenzübergang zurückgebracht“, erklärte der Chef des litauischen Grenzschutzes Rustamas Liubajevas. Am Dienstag sollen mindestens 180 Menschen zurückgeschickt worden sein.

Irakische Fluggesellschaften fliegen immer häufiger nach Belarus

Mehrmals soll die staatliche Fluggesellschaft des Iraks „Iraqi Airways“ Geflüchtete aus dem Irak nach Minsk gebracht haben. Inzwischen haben die irakischen Fluggesellschaften die Flüge von Bagdad nach Minsk von zwei auf vier pro Woche erhöht. Sie starten auch Flüge von Basra, Irbil und Sulaymaniyah nach Minsk. Das Auswärtige Amt erklärt dazu gegenüber dem RND: Die Bundesregierung stehe in Kontakt mit der irakischen Seite, um „den Missbrauch der bestehenden Flugverbindungen von Bagdad nach Minsk zu unterbinden“. Bisher gibt es allerdings weiterhin Flüge zwischen den Ländern – mit Umwegen um europäische Staaten herum.

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CDU-Außenpolitiker Röttgen fordert von der EU weitere Maßnahmen: „Die EU hat noch lange nicht alle Möglichkeiten effektiver Sanktionen gegen das Regime in Belarus und seine wirtschaftlichen Stützen ausgeschöpft“, sagte er dem RND und rief dazu auf, „die EU muss hier nachlegen“. Ein weiterer Schritt sei, Solidarität mit Litauen zu demonstrieren. Der Hohe Repräsentant der EU für Außenpolitik Josep Borrell und europäische Außenminister sollten nach Vilnius reisen, appelliert Röttgen.

Solidarität fordert auch die Organisation ProAsyl: „Die europäischen Staaten müssen sich mit Litauen solidarisieren und Flüchtlinge aufnehmen“, sagt der Europaexperte Karl Kopp von ProAsyl dem RND. Er warnt davor, ein falsches Zeichen in die Welt zu senden. „Wegen 4.000 Flüchtlingen in den Notfallmodus zu schalten, ist fatal“, so Kopp und erklärt weiter: „Es ist ein gefährliches Signal gegenüber anderen autoritären Herrschern, wir dürfen unser Handeln nicht von Diktatoren abhängig machen“. Überhaupt halte er die Diskussion auf europäischer Ebene für völlig übertrieben angesichts der geringen Zahl an Flüchtlingen.

Litauen im Notfallmodus: Grenzschutz am Limit

Die rund 4.000 Flüchtlinge in den vergangenen Wochen sind für das kleine Land eine Herausforderung, wenn es keine Unterstützung durch andere EU-Länder erhält. Der litauische Grenzschutzdienst teilte am Montag mit, dass er keine neuen Geflüchteten mehr aufnehmen könne und forderte die Regierung auf, die Menschen in andere Einrichtungen umzusiedeln. Die Konsequenz: Litauen will eine Grenzmauer bauen, die nach ersten Schätzungen mehr als 100 Millionen Euro kosten dürfte. EU-Fördermittel dürfen in der Regel nicht den Bau von Grenzbarrieren finanzieren. Litauens Premierministerin Ingrida Simonyte kündigte aber an: „Wir werden die Mauer bauen, egal wie viel Hilfe von der EU geschickt wird. Die Grenze muss geschützt werden“.

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ProAsyl hält das für falsch. Europaexperte Kopp sagt dem RND, die Mauer an der Grenze sei nicht gegen Lukaschenko, sondern gegen Flüchtlinge. „Eine Mauer stoppt Lukaschenko nicht, sondern liegt genau in der Logik des Diktators“, warnt der Experte. Zunächst hofft die Politik, dass die EU mit der irakischen Regierung einen Stopp der Flüge aushandeln kann. Außerdem erhalte Litauen mehrere Millionen Euro, um den Grenzschutz zu verbessern.

RND

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