Thierse: Proteste von Rechtsextremisten nicht durch Prognosen herbeireden
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Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).
© Quelle: Kay Nietfeld
Frankfurt a.M. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ärgert sich nach eigenen Worten über die Prognose, wonach von Rechtsextremisten gesteuerte Proteste angesichts von Inflation und Energiekrise sicher zu erwarten sind. „Dass Staat und Polizei sich darauf einstellen, ist das eine. Wir sollten aber nichts herbeireden“, sagte Thierse. Nach Einschätzung des Rechtsextremismusforschers Matthias Quent hat die Mobilisierung für solche Proteste bereits begonnen.
Schon den gesamten Sommer über gebe es Proteste immer dann, wenn Bundespolitikerinnen und Bundespolitiker auftreten, nicht nur in Ostdeutschland, sagte Quent am Donnerstag im „Morgenmagazin“ des ZDF. Das seien keine Demonstrationen einfacher Bürgerinnen und Bürger, „sondern das sind orchestrierte Aktionen bekannter rechtsradikaler Akteure“. Sie nutzten die Sorgen und Nöte der Menschen angesichts der Inflation und der Energiekrise, um diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
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© Quelle: dpa
Thierse warnt vor gestiegener Gewaltbereitschaft
Thierse indes sagte der „Augsburger Allgemeinen“ am Donnerstag: „Mich ärgert es, dass bekannte Politiker schon von einem bedrohlichen Herbst reden und damit eine Gefahr größer machen, als sie vielleicht ist.“ Die Stimmung im Lande sei aggressiver geworden, die Spaltungen in den politischen Wahrnehmungen und Meinungen größer, und offensichtlich sei auch am Rande der Gesellschaft die Gewaltbereitschaft gestiegen. „Ob sich das im Herbst noch einmal zuspitzt, das kann ich nicht vorhersagen. Ich will es mir nicht wünschen“, sagte der 78-Jährige.
Es gehe nicht nur um ein ostdeutsches Problem, „aber in Ostdeutschland ist die Problematik schärfer“, sagte Thierse, der selbst aus Ostdeutschland stammt: „Dort trifft die gegenwärtige Veränderungsdramatik auf Menschen, die bereits in den vergangenen 30 Jahren dramatische Veränderungen zu überstehen hatten.“ Dort potenzierten sich noch einmal Unsicherheiten und Ängste.
Das mache unsicher, und jetzt kämen die nächsten Veränderungen, sagte der SPD-Politiker: „Da werden Menschen empfänglich für Leute, die sagen, wir müssen die Grenzen dicht machen, wir dürfen nicht solidarisch sein mit der Ukraine, wenn uns das die Energiepreise verteuert, wir wollen keine Flüchtlinge aufnehmen.“
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), sagt im ZDF, es sei damit zu rechnen, dass sich rechtsextreme Strukturen im Herbst stärken werden. Sie rief dazu auf, darauf zu achten, „mit wem man dort demonstriert“. Wer aus nachvollziehbaren Gründen auf die Straße gehe, sehe sich damit konfrontiert, dass zugleich auch Rechtsextreme auf die Straße gehen.
RND/epd