Trump-Bezwinger Buttigieg? Zehn Gründe sprechen für den Newcomer
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Davenport: Pete Buttigieg, demokratischer Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung.
© Quelle: John Locher/AP/dpa
Nach der chaotischen ersten Vorwahl der Demokraten im US-Präsidentschaftsrennen sehen Teilresultate den aufstrebenden Ex-Bürgermeister Pete Buttigieg vorne. Ist er der Mann, der Donald Trump in die Schranken weisen könnte? Zehn Gründe, warum er es kann:
<i><b>1.</b></i> Rückenwind aus Iowa
Die Vorwahlen in Iowa haben Pete Buttigieg einen unerwartet starken Schub gegeben. Zugleich hat Iowa seinem bekanntesten Mitbewerber Joe Biden einen harten Schlag versetzt. Die Botschaft ist doppelt wirksam: Der angebliche Außenseiter steht nun als Gewinner da, der langjährige Vizepräsident der USA muss sich mit Platz vier begnügen. Auch wenn Iowa am Ende für den gesamten Vorwahlprozess rechnerisch nicht mehr wichtig sein wird, entsteht jetzt in einer frühen Phase ein Momentum für Buttigieg: Er ist der Mann, der für alle Welt sichtbar Stimmungen und Strömungen in überraschendem Ausmaß zu seinen Gunsten verändern kann.
Das politische System der USA begünstigt den Aufstieg solcher Persönlichkeiten, auch die amerikanischen Medien lieben exakt diese Figuren. Deshalb gehört nicht viel Phantasie dazu, eine von nun an zu Gunsten Buttigiegs wirkende Eigendynamik vorherzusagen.
<i><b>2. </b></i>Fleiß, Mut und Konzentration
Buttigieg konzentrierte sich in den vergangenen Monaten auf Iowa. Er besuchte auch kleinste Orte, verlor auf Reisen in abgelegene Gegenden den Anschluss ans Mobiltelefonnetz, trat in Scheunen auf und in Grundschulen. Die Landschaft kannte er aus dem Wahlkampf 2008: Damals half er als Harvard-Absolvent mit einigen Studienfreunden Barack Obama, der ebenfalls in Iowa einen ersten weltweit beachteten Vorwahlerfolg hinlegte. Schon damals lernte Buttigieg, dass es in Iowa nicht allein aufs Redenhalten ankommt, sondern auch aufs Zuhören.
Für den Ex-Bürgermeister aus South Bend, Indiana, war Iowa eine dramatische „Make-or-break-Situation“: Ein schwaches Resultat an dieser Stelle hätte die Kampagne von Buttigieg – und möglicherweise seine gesamte politische Karriere – jäh beenden können. Der Kandidat und sein Team meisterten diese existenzielle Herausforderung jedoch mit einem bemerkenswerten Maß an innerer Stärke: mit viel Fleiß und viel Mut – und einer kühl kalkulierten Konzentration aufs Wesentliche.
<i><b>3.</b></i> South Bend ist besser als Washington
Trauen die Amerikaner einem, der bislang nur eine 100.000-Einwohner-Stadt regiert hat, auch zu, Präsident der USA zu werden? Die Bürger sehen da, Iowa hat es bewiesen, jedenfalls kein prinzipielles Hindernis. Im Gegenteil. Vielen scheint es zu gefallen, dass Buttigieg gerade kein Teil jenes Washingtoner Establishments ist, das vielen Amerikanern verdächtig ist, egal ob es sich um Demokraten oder Republikaner handelt. „Down to earth“ zu sein, nahe bei den Leuten, ist ein großes Plus – gerade in Zeiten von Fake News und Internetinszenierungen.
„Mayor Pete“ (Bürgermeister Pete), wie Buttigieg sich gern ansprechen ließ, hat in der realen Welt gezeigt, dass er etwas kann, als nahbarer Kommunalpolitiker. Hinzu kommt ein historisches Argument: Alle Wahlsieger der Demokraten waren in den vergangenen Jahrzehnten Leute von außerhalb, denen man anfangs wenig Chancen gab. Barack Obama, der erste schwarze Präsident, war Neuling im Kongress als Senator aus Illinois. Bill Clinton regierte zuvor als Gouverneur in Little Rock, Arkansas. Jimmy Carter wurde wegen seiner ländlichen Herkunft als „Erdnussfarmer aus Georgia“ verspottet.
<i><b>4.</b></i> Keine Gefahr für den Boom
Zur Wählbarkeit von „Pete“ trägt bei, dass er kein Ideologe ist – und den derzeit laufenden Wirtschaftsboom in den USA nicht durch allzu große Steuererhöhungen abwürgen würde. Diese Gefahr sehen viele Wirtschaftsführer eher bei Bernie Sanders und Elizabeth Warren. Buttigieg hantiert zwar mit höheren Abgaben, etwa für Konzerne, großen Grundstücksbesitz und für große Vermögen. Die von ihm geplanten Infrastrukturprogramme aber, die unter anderem auf öffentlichen Nahverkehr zielen, besseren Klimaschutz und besseren Zugang zum Internet, genießen auch in Wirtschaftskreisen Sympathien.
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Pete Buttigieg (l) und sein Ehemann Chasten winken den Anhängern bei einer nächtlichen Wahlkampfkundgebung.
© Quelle: Charlie Neibergall/AP/dpa
Seine ersten drei Berufsjahre als Harvard-Absolvent verbrachte Buttgieg bei der weltweit tätigen Unternehmensberatung McKinsey – insofern trauen ihm viele in ökonomischer Hinsicht mehr zu als nur die Grundrechenarten. In South Bend, einst als „sterbende Stadt“ im Rostgürtel nahe Chicago gelistet, förderte Buttigieg als Bürgermeister Strukturwandel, Modernisierung und die Ansiedlung von Start-ups und trug auf diese Weise dazu bei, die Arbeitslosenquote von einst 13 auf 4,3 Prozent zu senken.
<i><b>5. </b></i>Bekenntnis zur Homosexualität
Buttigieg bekennt sich zu seiner Homosexualität, er ist verheiratet mit dem Lehrer Chesten Glezman. Wohlmeinende hatten beide gewarnt: Es sei vielleicht besser, die Homosexualität zu verstecken, weil in Teilen der USA noch immer Verachtung und Diskriminierung drohten. Buttigieg und sein Partner treten jedoch auch öffentlich auf, wie etwa in Deutschland der verstorbene frühere Außenminister Guido Westerwelle und dessen Lebenspartner Michael Mronz. Offen ist, wie sich dies auf die Kampagne auswirkt. Im vorigen Jahr tauchten zum Beispiel einige spöttische Bemerkungen über „Mary Pete“ (statt „Mayor Pete“) auf.
Doch der negative politische Einfluss verkniffener homophober Zirkel auf die Buttigieg-Kampagne scheint sehr beschränkt zu sein. Dagegen verschafft die LGBTQ-Szene (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer) dem Kandidaten landesweit zusätzlichen Schub: Die Bewegung sieht jetzt die historische Chance gekommen, erstmals eine Persönlichkeit aus ihren Reihen auf dem Weg ins Weiße Haus zu unterstützen.
Die LGBTQ-Szene wird auch von Heterosexuellen unterstützt, etwa von großstädtischen Liberalen, Künstlern und Kulturschaffenden sowie von Führungskreisen weltweit agierender Konzerne, nicht zuletzt in Kalifornien. Dass die Zeit reif sei, auch mal einen schwulen Präsidenten zu haben, scheint eine in den USA im Vordringen begriffene Grundhaltung zu sein.
<i><b>6. </b></i>Bekenntnis zum Christentum
Für die Republikaner wäre es leicht, wenn sie Buttigieg als einen der vielen schwulen Trump-Gegner niedermachen könnten. Doch der Fall ist etwas komplizierter. Weil Buttigieg sich nicht nur zu seiner Homosexualität, sondern auch zu seinem christlichen Glauben bekennt, kommen seine Gegner regelmäßig ins Schleudern.
Trumps Vizepräsident Mike Pence etwa, ein konservativer Evangelikaler, setzte erste Versuche nicht mehr fort, die Lebensweise von Buttigieg zu problematisieren. Denn Buttigieg, der kirchlich getraut wurde, hat der christlichen Szene in den USA zu denken gegeben: Was spricht eigentlich dagegen, wenn Menschen, die einander lieben und füreinander sorgen wollen, um den Segen dessen bitten, an den sie als den Allerhöchsten glauben?
Die Attacken des Vizepräsidenten konterte Buttigieg im vorigen Jahr auf eine Weise, die bis heute in amerikanischen Kirchenkreisen eifrig diskutiert wird: Das Problem, das Pence habe, sagte Buttigieg, „hat er letztlich nicht mit mir, sondern mit meinem Schöpfer“. Die Liberaleren unter den amerikanischen Christen stimmen ihm da vollkommen zu.
<i><b>7.</b></i> Dienst in Afghanistan
Es gibt ein weiteres Problem beim Versuch, Buttigieg in irgendeine Schublade zu packen: Er ist Reserveoffizier, hat beim Militär gedient und war auch im Auslandseinsatz: im Jahr 2014 in Afghanistan für sieben Monate. Zwar hat Buttigieg dort nicht geschossen, und er geriet auch selbst nicht unter Feuer. Einen großen Teil der Einsätze führte ihn jedoch raus aus den gesicherten Kasernen.
Buttigieg gehörte zu einer Einheit, die unter anderem die Zahlung von Drogengeldern an Talibankämpfer unterbinden sollte. Über seine Zeit Seite an Seite mit länger dienenden Soldaten sagte Buttigieg: „Wir haben damals gelernt, einander unser Leben anzuvertrauen.“ Wenn Buttigieg heute Vorschläge zu außen- und sicherheitspolitischen Themen macht, etwa zum Abzug aus Afghanistan, geben die praktischen Erfahrungen ihm eine Autorität, über die andere Kandidaten nicht verfügen.
<i><b>8.</b></i> Eine schlaue Anti-Trump-Strategie
Buttigieg hat sich eine ganz eigene Strategie gegen Amtsinhaber Donald Trump ausgedacht. Er will nicht gegen dessen rechte Politik etwas Linkes setzten wie Bernie Sanders. Die Unterscheidung sucht er in einem anderen Punkt: Er will gegen das Spaltende, das Trump eigen ist, etwas Zusammenführendes setzen. „Es geht nicht darum, wen wir bei der letzten Wahl gewählt haben“, sagt er.
„Es geht darum, welche Ziele wir uns gemeinsam als Amerikaner für die Zukunft setzen.“ Man kann diese Haltung als verschwommen kritisieren, sie hat aber auch Vorteile. Wählbar zu sein auch für ehemalige Trump-Wähler könnte ein Pluspunkt sein, der Buttigieg von den anderen Kandidaten der Demokraten unterscheidet.
<i><b>9. </b></i>Statt links oder rechts: vor allem jung
Buttigieg ist mit seinen 38 Jahren der jüngste unter allen Präsidentschaftsbewerbern. Joe Biden (77) machte deshalb auf einen möglichen Mangel an Lebenserfahrung bei Buttigieg aufmerksam. Biden selbst aber landete nun soeben in Iowa auf Platz vier – dies lässt sich als Zeichen dafür deuten, dass ein Duell der grauhaarigen 70-plus-Männer – Sanders oder Biden gegen Trump – von vielen Wählern nicht gewollt ist.
Bei einem Duell Buttigieg gegen Trump, der dieses Jahr 74 Jahre alt wird und am Ende seiner Amtszeit 78 wäre, käme naturgemäß die Altersfrage nicht nur als Nebensächlichkeit ins Spiel. Für Buttigieg liegt darin nach Meinung von Demoskopen ein Vorteil – vor allem dann, wenn der jüngere Kandidat zwar bei Themen wie dem Klimawandel neue Kapitel aufschlägt, aber alles in allem einen insgesamt mittigen Kurs fährt – irritierende Signale in Richtung links oder rechts bewusst vermeidet.
<i><b>10. </b></i>Ein Gefühl für die Welt
Eine kuriose Kombination bietet Buttigieg auch durch seinen Blick auf den Rest des Globus. Einerseits ist er als Ex-Bürgermeister ein Mann mit ungewöhnlich starker Bodenhaftung. Andererseits hat ihm das Studium in Harvard und Oxford sowie eine besondere Sprachbegabung die Augen weit geöffnet, auch für das Leben und die Kultur in entfernten Teilen der Welt.
Sein Vater und seine Mutter waren Universitätsprofessoren. In sieben Fremdsprachen, darunter Arabisch, hat er zumindest Grundkenntnisse. Angeblich soll das Sprachgenie Buttigieg sogar Norwegisch gelernt haben, um Bücher von Erlend Loe im Original lesen zu können. Nicht zuletzt die Europäer könnten damit rechnen, im Fall einer Wahl von Buttigieg einen amerikanischen Präsidenten zu bekommen, der wieder Brücken baut – nicht nur politisch, sondern auch kulturell und emotional.