Lässt sich Erdogan seine Zustimmung zur Nato-Erweiterung abkaufen?
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird im Juni 2021 von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zum Nato-Gipfel in Brüssel begrüßt (Archivbild).
© Quelle: Francois Mori/Pool AP/dpa
Die Anhänger des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan erleben ihr Idol dieser Tage wieder einmal in seiner Paraderolle: Der starke Führer, der allen Mächtigen diesseits und jenseits des Atlantiks furchtlos Paroli bietet und sagt, wo es langgeht.
Ein Jahr vor den Präsidenten- und Parlamentswahlen in der Türkei will Erdogan innenpolitisch punkten. Er verschärft deshalb seine Verbalattacken gegen die Nato-Beitrittskandidaten Schweden und Finnland. Beide Länder hätten „keine klare Haltung gegen den Terrorismus“, Schweden sei „eine Brutstätte für Terrororganisationen“, sagte Erdogan am Montagabend in Ankara. Gemeint ist die verbotene kurdische PKK. Die Türkei könne deshalb die Beitritte der beiden Länder zur nordatlantischen Allianz nicht billigen. Beide Länder wollen jetzt Diplomaten zu Verhandlungen nach Ankara schicken. Aber Erdogan poltert, die Delegationen brauchten „gar nicht erst zu kommen“.
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© Quelle: dpa
Damit verhärten sich die Fronten im Tauziehen um die Nato-Norderweiterung. Erdogan wendet sich mit seinen Einwänden aber nicht nur an die Regierungen in Stockholm und Helsinki. Der eigentliche Adressat ist Washington. Dort führt der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu an diesem Mittwoch Gespräche. Ein wichtiger Punkt auf der Agenda ist der türkische Wunsch nach amerikanischen Kampfflugzeugen. Ankara möchte 40 Jets vom Typ F‑16 neu bestellen und 80 ältere Maschinen modernisieren.
Erdogan will einen Deal machen
Politische Beobachter sehen einen Zusammenhang zwischen dem geplanten Waffengeschäft und dem Einspruch Erdogans gegen die Nato-Erweiterung. Im Kongress gibt es Widerstände gegen den Export der F‑16. Schon 2019 stoppten die USA die Lieferung von 100 bereits angezahlten F‑35-Tarnkappenjets an die Türkei, nachdem Erdogan russische Luftabwehrraketen des Typs S-400 gekauft hatte.
Der Lieferstopp beeinträchtigt die Kampfkraft des Nato-Mitglieds Türkei. Die meisten türkischen Kampfjets sind veraltet. Der Wunsch nach einer Modernisierung der Flotte ist in Ankara umso größer, als der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis am Montag bei einem Besuch im Weißen Haus ankündigte, sein Land wolle F‑35 beschaffen.
US-Präsident Joe Biden warb vergangenen Monat in einem Brief an den Kongress um Zustimmung zur Lieferung der F‑16-Jets an die Türkei. Das diene den Sicherheitsinteressen der USA und der Nato, argumentiert die Regierung.
Ende 2021 hatten mehr als 40 Kongressabgeordnete in einem Brief an das Weiße Haus gegen die Lieferung protestiert. Auch außerhalb des Kongresses gibt es Widerspruch. Sieben prominente armenische, jüdische, griechische, kurdische und christliche Organisationen meldeten jetzt in Briefen an den Kongress Bedenken an. Sie begründen ihre Ablehnung mit den Demokratiedefiziten in der Türkei, der Verfolgung von Bürgerrechtlern wie dem Mäzen Osman Kavala, den völkerrechtlich fragwürdigen Militäroperationen der Türkei in Syrien und der Haltung der Türkei gegenüber dem Nachbarn und Nato-Partner Griechenland, dem Ankara die Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer und die Hoheitsrechte über zwei Dutzend Ägäisinseln wie Rhodos, Kos und Samos streitig macht.
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Schweden und Finnland verhängten 2019 ein Waffenembargo gegen die Türkei, als Reaktion auf deren Invasion in Nordsyrien. Auch Deutschland und andere Nato-Länder, die Beschränkungen für die Lieferung bestimmter Waffensysteme an die Türkei erlassen haben, werden nun unter Druck kommen. Erdogan ist offenbar entschlossen, sich seine Zustimmung zur Erweiterung der Allianz möglichst teuer abkaufen zu lassen.
Das ließ Außenminister Cavusoglu bereits am vergangenen Sonntag beim Nato-Außenministertreffen in Berlin durchblicken: Er appellierte an die Bündnispartner, „die Praxis der Waffenexportrestriktionen gegen die Türkei zu beenden, denn sie widerspricht dem Geist der Allianz“.
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