Das geschah in der Nacht

„Zynisch“ und „widerwärtig“: Ukraine empört über Gerhard Schröder

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine.

Kiew. Nach fast einem halben Jahr Krieg im eigenen Land stellt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die globale Sicherheitsarchitektur insgesamt in Frage. Kritik am deutschen Altkanzler Gerhard Schröder für dessen Vermittlungsmission in Moskau kommt derweil gleich von mehreren Seiten.

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In der Ukraine gehen die schweren Kämpfe weiter - auch deshalb glaubt kaum jemand in Kiew daran, dass Moskau ernsthaft an Friedensgesprächen interessiert ist. Bei der Frage nach den sinkenden Gaslieferungen schieben sich Deutschland und Russland gegenseitig die Schuld zu. Immerhin gibt es Hoffnung auf mehr Getreide.

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Selenskyj sieht Lücken im Sicherheitssystem

Selenskyj stellte den Ukrainekrieg in eine Reihe internationaler Konflikte und kritisierte die globale Sicherheitsarchitektur insgesamt als unzureichend. Derzeit gebe es Schlagzeilen über Konflikte auf dem Balkan, um Taiwan und den Kaukaus, die ein Faktor eine: „Die globale Sicherheitsarchitektur hat nicht funktioniert“, sagte der ukrainische Präsident am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache.

Einmal mehr warf Selenskyj Russland vor, mit seinem Angriffskrieg gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Das Problem sei, dass die Welt Russland diese Verstöße - sei es die Annexion der Krim, oder der Abschuss der Boeing über dem Donbass - lange habe durchgehen lassen. Der Krieg in der Ukraine zeige, wie fragil die Freiheit sei. Sie könne „nur durch kollektives Handeln geschützt werden, und damit dies dauerhaft funktioniert, bedarf es einer wirksamen globalen Sicherheitsarchitektur, die dafür sorgt, dass kein Staat jemals wieder Terror gegen einen anderen Staat einsetzen kann“.

Schiedskommission der SPD tagt zu Parteiausschluss von Schröder

Der 78-Jährige selbst erschien nicht zu der etwa zweieinhalbstündigen Verhandlung im Kurt-Schumacher-Haus in Hannover und ließ sich auch nicht vertreten.

Kritik an Schröder

Aus Kiews Sicht sind die Aussagen des deutschen Altkanzlers Gerhard Schröder unglaubwürdig, wonach Kremlchef Wladimir Putin bereit zu Friedensverhandlungen sei. „Es gibt nichts Zynischeres als die Behauptungen der Putin-Anhänger darüber, dass Russland bereit ist zu Verhandlungen“, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Mittwoch auf seinem Twitter-Kanal. Die täglichen Beschüsse ukrainischen Territoriums sagten etwas anderes aus, meinte er.

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Der ukrainische Chefdiplomat verwies auf starken Artilleriebeschuss sowie Raketenangriffe gegen Zivilobjekte. Zudem beschuldigte er das russische Militär einmal mehr schwerer Kriegsverbrechen. „Russland bleibt auf den Krieg konzentriert - alles andere ist eine Nebelwolke“, fügte Kuleba hinzu.

In die gleiche Kerbe schlug auch der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk: Er sehe kein Anzeichen dafür, dass Putin bereit sei zu verhandeln, sagte er im ZDF. „Das erste Zeichen wäre, wenn Putin zumindest jetzt aufhört, auf Zivilisten zu schießen und Städte zu bombardieren. Das wäre eine bessere Botschaft, als das, was wir jetzt von Herrn Schröder gehört haben.“

Und auch Selenskyj ging in seiner abendlichen Videoansprache indirekt auf Schröder ein. Ohne den 78-Jährigen beim Namen zu nennen, erklärte er, es sei „widerwärtig“, wenn ehemalige Staatschefs von Demokratien nun für eindeutig undemokratische Regierungen tätig seien.

Schwere Kämpfe im Donbass, Gefechte auch im Süden der Ukraine

Die Zweifel an Russlands Verhandlungsbereitschaft erklärt Kiew auch mit dem aktuellen Kampfgeschehen. Im ostukrainischen Gebiet Donezk gibt es weiter schwere Kämpfe. Im Osten und Süden der Nachbarstädte Bachmut und Soledar seien an acht Abschnitten russische Angriffe abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab am Mittwoch bei Facebook mit. Auch bei der von ukrainischen Einheiten gehaltenen Industriestadt Awdijiwka habe es an fünf Abschnitten im Norden, Osten und Süden Angriffsversuche der russischen Truppen gegeben. Alle seien abgewehrt worden. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen. Awdijiwka liegt in unmittelbarer Nähe von Donezk.

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Entlang der gesamten Front seien in den Gebieten Charkiw, Donezk, Saporischschja, Cherson und Mykolajiw wieder ukrainische Positionen in Dutzenden Orten durch die russische Artillerie beschossen worden. Im südukrainischen Gebiet Cherson sei zudem ein weiterer russischer Bodenangriff gescheitert, heißt es im Lagebericht. Darüber hinaus ist von massiven russischen Luftangriffen die Rede.

Ukraine steigert Ernte trotz Krieg

Die Ukraine hat trotz des laufenden russischen Angriffskriegs ihre Ernteprognose für dieses Jahr um rund zehn Prozent angehoben. Erwartet werden nun 65 bis 67 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten statt der anfänglichen 60 Millionen Tonnen, sagte Agrarminister Mykola Solskyj einer Regierungsmitteilung vom Mittwoch zufolge. Laut Ministerpräsident Denys Schmyhal sind bereits jetzt zwölf Millionen Tonnen der neuen Ernte eingefahren.

Weiter Streit ums Gas

Derweil bleibt der Streit um die sinkenden russischen Gaslieferungen aktuell. Zunächst warf der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch Russland indirekt vor, nach Vorwänden für die ausbleibenden Gaslieferungen zu suchen. „Die Turbine ist da, sie kann geliefert werden, es muss nur Jemand sagen, ich möcht‘ sie haben, dann ist sie ganz schnell da“, sagte Scholz zum Streit um die Rückgabe der Turbine für die Pipeline Nord Stream 1.

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Scholz: Gas-Turbine kann jederzeit geliefert werden – indirekter Vorwurf an Russland

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland indirekt vorgeworfen, Vorwände für die ausbleibenden Gaslieferungen zu nutzen.

Daraufhin wiederholte Gazprom seine Vorwürfe gegenüber dem Westen. Die Rückkehr der Turbine sei angesichts der Handlungen von Siemens (gemeint ist offenbar Siemens Energy) unter den Sanktionsbedingungen nicht möglich, teilte der Konzern auf seinem Telegram-Kanal mit. Zuvor hatte sich Gazprom darüber beschwert, dass die Turbine nach ihrer Reparatur in Kanada nicht direkt nach Russland zurück geliefert wurde, sondern zuerst nach Deutschland. Darum seien nun auch Sanktionen von Seiten Großbritanniens und der EU zu befürchten.

Das wird am Donnerstag wichtig

In der Ukraine versuchen die russischen Truppen weiter im Osten vorzudringen. Sie nehmen dabei die Verteidigungslinie Bachmut - Soledar - Siwersk ins Visier, um anschließend den Ballungsraum um die Großstädte Slowjansk und Kramatorsk angreifen zu können. In dem Ballungsraum lebten vor dem Krieg über eine halbe Million Menschen. Allerdings versucht Kiew, die Menschen aus den Kriegsgebieten zu holen. Die Evakuierung wird auch heute weitergehen.

Weitergehen wird auch der Streit zwischen Russland und Deutschland um das Gas. Ob Bewegung in die Frage um die Rückgabe der Turbine kommt, bleibt abzuwarten.

RND/dpa

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