Mehrheit in Deutschland für Zurückhaltung bei internationalen Krisen
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Das Meinungsforschungsinstitut Kantar Public hatte im August 1088 Wahlberechtigte ab 18 Jahren befragt.
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Berlin. Eine knappe Mehrheit von 52 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger wünscht sich einer Umfrage zufolge auch angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine von Deutschland eher Zurückhaltung bei internationalen Krisen.
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In der am Montag in Berlin von der Körber-Stiftung veröffentlichten repräsentativen Befragung befürworten 41 Prozent ein stärkeres Engagement Deutschlands - allerdings bevorzugt diplomatisch (65 Prozent) statt militärisch (14 Prozent) oder finanziell (13 Prozent).
Das Meinungsforschungsinstitut Kantar Public hatte für die Stiftung im August 1088 Wahlberechtigte ab 18 Jahren befragt.
Auffällige Unterschiede zwischen West und Ost
Nach Angaben der Stiftung hat sich die Einstellung im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert (2021: 50 Prozent für Zurückhaltung). Die Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Stiftung, Nora Müller, kommentierte die Umfrageergebnisse mit den Worten, die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „ausgerufene Zeitenwende ist in den Köpfen der Deutschen noch nicht angekommen“.
Auffällig ist, dass die Meinungen in West- und Ostdeutschland auseinanderfallen. So sagen 44 Prozent der Befragten im Westen, Deutschland solle sich stärker engagieren, während es im Osten nur 28 Prozent sind. Der Feststellung, Deutschland solle sich weiterhin eher zurückhalten, stimmen 49 Prozent im Westen und 66 Prozent im Osten zu.
Zwar lehnen 68 Prozent der Wahlberechtigten eine militärische Führungsrolle Deutschlands in Europa ab, zugleich besteht aber die Bereitschaft, die militärischen Kapazitäten Deutschlands auszubauen: 60 Prozent befürworten dauerhaft höhere Verteidigungsausgaben.
Befragte sorgen sich vor einer Ausweitung des Krieges
Auf die Frage, ob der SPD-Politiker Olaf Scholz als Bundeskanzler Deutschlands Interessen in der Welt „eher besser“, „eher schlechter“ oder ähnlich gut wie seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) vertrete, antworteten 41 Prozent „ähnlich gut“, 13 Prozent „eher besser“ und 38 Prozent „eher schlechter“.
Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) sorgen sich vor einem russischen Atomschlag, 80 Prozent vor einer Ausweitung des Krieges auf das Nato-Bündnisgebiet. Darüber hinaus sehen 72 Prozent in Russland eine militärische Bedrohung für Deutschlands Sicherheit.
In den USA ist die Bedrohungswahrnehmung viel ausgeprägter. 92 Prozent der Befragten einer vom Pew Research Center durchgeführten Studie in den USA sehen in Russland eine militärische Bedrohung für ihr Land.
Mehrheit will Unabhängigkeit von russischer Energie
Die Energiekrise wird von den Befragten in der Umfrage der Körber-Stiftung am zweithäufigsten als größte Herausforderung für Deutschlands Außenpolitik gesehen (20 Prozent der Nennungen). 60 Prozent sind der Ansicht, dass in Europa derzeit nicht genug getan wird, um unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden.
Dennoch ist es für die Mehrheit der Deutschen demnach unerheblich, woher die Energie zur Produktion von Strom und anderen Erzeugnissen stammt. 55 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass diese von allen Staaten bezogen werden sollte. 38 Prozent wollen Energie nur von demokratischen Staaten beziehen.
Deutsche und Amerikaner bewerten Beziehungen als positiv
Der positive Trend in den transatlantischen Beziehungen setzt sich fast zwei Jahre nach dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden fort. Deutsche und US-Amerikaner bewerten die Beziehungen durchweg als sehr positiv. Eine klare Mehrheit der US-Bürger (81 Prozent) bewertet die Beziehungen als „gut“ oder „sehr gut“.
Aus deutscher Sicht erreicht die Bewertung den besten Wert seit 2017: 82 Prozent der Befragten sehen das Verhältnis in einem „guten“ oder „sehr guten“ Zustand. Noch im Jahr 2020 teilten nur 18 Prozent diese Einschätzung.
Sorge vor dem wachsenden Einfluss Chinas
Der wachsende Einfluss Chinas wird von einer Mehrheit der Deutschen (59 Prozent) als negativ bewertet, nur 7 Prozent sehen diesen als positiv. In den ostdeutschen Bundesländern ist eine neutrale Haltung deutlich stärker verbreitet (43 Prozent) als im westlichen Teil Deutschlands (29 Prozent).
Passend zur Sorge um Chinas globalen Einfluss sind rund zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) dafür, sich von China unabhängig zu machen, auch wenn dies zu wirtschaftlichen Einbußen führt.
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Die Skepsis gegenüber Peking spiegelt sich laut der Umfrage allerdings nicht in einer handfesten Bedrohungswahrnehmung wider: 42 Prozent sehen China als militärische Bedrohung für Deutschlands Sicherheit. Anders in den USA: Hier sehen 90 Prozent in China eine militärische Bedrohung für die Sicherheit der USA.
Die in der Ampel-Regierung besonders von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vorangetriebene feministische Außenpolitik ist einer Mehrheit der Befragten noch kein Begriff. 62 Prozent haben den Begriff noch nie gehört oder wissen zumindest nicht, was er bedeutet.
RND/dpa