Bahn-Gewerkschafter fordern zentrale Mobilitätsplattform und kostenlosen Nahverkehr
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Wann kommt hier ein Bus? Milliarden Bundesmittel für den ÖPNV versickern, kritisiert der Bundesrechnungshof.
© Quelle: Ulf Dahl
Berlin. Eine zweistellige Milliardensumme fließt jedes Jahr in die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Die Ampelkoalition will die Bundesmittel erhöhen, damit Bus und Bahn ihren Anteil an der Verkehrswende leisten können. Auch die Bundesländer fordern deutlich mehr Geld. „Um die Klimaziele des Bundes zu erreichen, brauchen wir jetzt einen spürbar erhöhten finanziellen Einsatz des Bundes“, sagte die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), die der Verkehrsministerkonferenz vorsitzt.
Doch der Bundesrechnungshof warnte kürzlich vor einem „Förderdschungel“ an nicht koordinierten Maßnahmen. Alleine aus gesetzlichen Regelungen wie zum Beispiel Regionalisierungsmitteln standen für den ÖPNV im Jahr 2021 rund 11,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Bund habe keinen Gesamtüberblick zu den Bundesmitteln, die dem ÖPNV zugutekommen, kritisiert der Rechnungshof. Die bisherigen Aufstockungen der Bundesmittel hätten nicht dazu geführt, die Ziele des Bundes für Verkehr, Umwelt- und Klimaschutz wirtschaftlich und zeitgerecht umzusetzen.
Kein Flickenteppich aus Verkehrsverbünden mehr
Die Rechnungsprüfer fordern ein einheitliches ÖPNV-Gesetz. Darüber will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am 23. Februar auf einer Sonderverkehrsministerkonferenz mit den Ländern verhandeln.
Für ein radikaleres Vorgehen plädieren Bahn-Gewerkschafter. „Die Kritik des Bundesrechnungshofs ist in der Sache richtig, aber in den Schlussfolgerungen zu schwach“, sagt Klaus-Dieter Hommel, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir haben mit den Verkehrsverbünden und Landkreisen einen Flickenteppich an Aufgabenträgern. Da wird viel Geld verbrannt. Wir fordern eine zentrale Mobilitätsplattform und die deutliche Reduzierung der Aufgabenträger – langfristig sollte pro Bundesland nur noch ein Aufgabenträger zuständig sein.“
Laut Hommel sollten die Mittel für Ausbau und Sanierung der Infrastruktur nicht mehr an die Länder, sondern „direkt vom Bund in die DB Netz AG fließen“. Er forderte gegenüber dem RND zudem länderübergreifende Standards, eine bessere Vernetzung der Verkehrsträger und mehr Personal, „um Service und Sicherheit im Nahverkehr zu gewährleisten“.
Statt einer Sonder-Verkehrsministerkonferenz fordert der EVG-Chef einen Nahverkehrsgipfel. „Es reichen keine internen Diskussionen auf der Ebene der Verkehrsministerkonferenz“, sagte Hommel dem RND. „Herr Wissing ist gefordert, einen echten Nahverkehrsgipfel unter Beteilungen von Bund, Ländern, Kommunen und den Sozialpartnern umzusetzen.“
365-Euro-Ticket – oder ganz kostenloser Nahverkehr?
Ralf Damde, Vizevorsitzender des Gesamtbetriebsrates DB Regio, möchte das Länderflickwerk von verschiedenen Tarifmodellen und Tarifstrukturen abschaffen. „Hier kann man tatsächlich einige strukturelle Vertriebskosten bei den Verbünden einsparen, wenn man den politischen Mut hätte, ein 365-Euro-Ticket einzuführen oder gar den ÖPNV langfristig kostenlos zur Verfügung zu stellen wie beispielsweise in Luxemburg“, sagte Damde dem RND. Dies würde den ÖPNV mit einem Schlag attraktiver machen und mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn bewegen.
Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler forderte eine grundlegende Finanzierungsreform: „Der Rechnungshof gibt viele gute Hinweise, wie das Dickicht der verschiedenen Finanzierungswege aufgelöst werden kann, um die Mittel effizient und wirksam einzusetzen“, sagte er dem RND. „Das Bundesfinanzministerium und das Verkehrsministerium sollten in den kommenden Jahren mehr Geld für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellen, aber sie sind auch gut beraten, an den Strukturen etwas zu verändern.“