Von der Leyen nimmt neuen Anlauf für EU-Frauenquote

Ursula von der Leyen.

Ursula von der Leyen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will noch im ersten Halbjahr 2022 eine europaweite Frauenquote in den Aufsichtsräten großer Unternehmen durchsetzen. Aus Kreisen der EU-Kommission in Brüssel hieß es am Mittwoch, von der Leyen setze auf ein Zusammenspiel mit dem französischen Präsidenten und derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Emmanuel Macron.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Von der Leyen will am heutigen Donnerstag mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments über das Thema sprechen. Kurz zuvor erwähnte sie das Vorhaben erstmals offiziell und sagte der „Financial Times“, es sei Zeit, in dieser Sache erneut voranzugehen.

Pläne für eine Frauenquote in den europäischen Aufsichtsräten liegen seit Langem in den Brüsseler Schubladen. Im Jahr 2012 hatte die damalige EU-Justizkommissarin Viviane Reding Entwürfe zur Gleichstellung der Geschlechter in den Aufsichtsräten größerer börsennotierter Unternehmen auf den Weg gebracht. Danach sollte „der Anteil des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts“ auf 40 Prozent erhöht werden. Mittelständler bis zu einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro sollten von der Regelung ausgenommen werden.

Vor zehn Jahren sagte Merkel nein

Eine breite Mehrheit im Europaparlament unterstützte damals den Entwurf von Reding. Im Rat der Regierungschefs jedoch gab es dafür keine Mehrheit – unter anderem wegen des Neins der damaligen deutschen Kanzlerin: Angela Merkel hielt nationale Regelungen für ausreichend. Zudem wollte Merkel politische und juristische Streitigkeiten mit Gegnern der Quote, vor allem in Osteuropa, vermeiden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
„Wir geben nicht auf“ – mit diesen Worten kommentierte Vera Jourova, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, das inzwischen zehn Jahre lange Ringen um eine Frauenquote für die Aufsichtsräte großer europäischer Unternehmen.

„Wir geben nicht auf“ – mit diesen Worten kommentierte Vera Jourova, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, das inzwischen zehn Jahre lange Ringen um eine Frauenquote für die Aufsichtsräte großer europäischer Unternehmen.

Von der Leyen war schon damals anderer Meinung als die Bundeskanzlerin. In Brüssel heißt es jetzt, als erste Kommissionspräsidentin in der Geschichte der EU sei von der Leyen nun mal entschlossen, auch frauenpolitische Akzente zu setzen.

Spürbar wurde dieser neue Anspruch bereits bei der Besetzung der aktuellen EU-Kommission, in der fast die Hälfte der Posten an Frauen ging. Bis zum Jahr 2024 soll zudem die Hälfte aller Führungspositionen innerhalb der Kommissionsverwaltung an Frauen vergeben werden.

Frauenquote in Aufsichtsräten: Von Scholz erwartet Brüssel Zustimmung

Die EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, die Tschechin Vera Jourová, hatte bereits im Jahr 2020 eine Wiederbelebung der Quotenpläne in Aussicht gestellt. Sobald es rechnerisch reiche, werde die Kommission einen neuen Versuch machen: „Wir geben nicht auf.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Am Mittwoch wurden im Umfeld von Jourová – noch ohne offizielle Mitteilung – zwei Daumen nach oben gedreht: Erstens habe Paris Interesse, die Sache voranzubringen. Zweitens sortiere Berlin sich gerade neu. Von der rot-grün-gelben Koalition unter SPD-Kanzler Olaf Scholz wird in Brüssel erwartet, dass sie im Rat der EU-Regierungschefs für die europäische Frauenquote stimmt.

Allenfalls die deutschen Liberalen, heißt es in Kreisen der Kommission, dürften darin ein Problem sehen. Der Berliner Ampelkoalitionsvertrag enthielt keine Festlegungen zur EU-Frauenquote. Unterschrieben haben alle drei Koalitionsparteien aber generelle Bekenntnisse zur Gleichstellungspolitik, darunter den Satz: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden.“

Deutschland hatte im Jahr 2015 in einer nationalstaatlichen Regelung eine Frauenquote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte größerer Unternehmen festgelegt – und diese in den Folgejahre auch erreicht und sogar mit zuletzt 36 Prozent leicht überschritten. Frankreich indessen liegt aktuell bei einem Frauenanteil in Aufsichtsräten von 45,1 Prozent. Hier liefe man also mit einer EU-Regelung, die mindestens 40 Prozent vorschreibt, offene Türen ein. Dies erklärt die entspannte und kooperative Haltung Macrons gegenüber von der Leyen.

Nach dem Entwurf der EU-Kommission müssen künftig Unternehmen, die die Quote nicht erreichen, erklären, warum Ihnen dies nicht gelingt. Die Festlegung von Sanktionen soll den einzelnen EU-Staaten vorbehalten bleiben. Dadurch wird die Regelung stärker konsensfähig im Kreis der Regierungschefs, zugleich aber auch weicher – was zu Kritik von Politikerinnen und Politikern aus dem Parlament führen könnte.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Knirschen wird es vermutlich trotzdem in Ländern wie Bulgarien (12,9 Prozent Frauen in Aufsichtsräten) und Rumänien (12,8) sowie – einmal mehr – in Viktor Orbans Ungarn (9,9). Für Macron als Ratspräsident ist das aber kein Problem: Beim heimischen Publikum jedenfalls kann es ihm nicht schaden, wenn er rechtzeitig vor den französischen Präsidentschaftswahlen im April in Stellung geht als europaweiter Vorkämpfer für die Gleichstellung von Frauen.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken