Waffen für Russland, Spionageballons und die Taiwan-Krise: Wie weiter mit China?
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Xi Jinping (rechts), Präsident von China, und Wladimir Putin, Präsident von Russland, schütteln sich die Hände.
© Quelle: Alexander Zemlianichenko/Pool AP
Die Beziehungen zwischen dem Westen und China haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die politischen Konflikte wiegen schwer. Erst wurden zahlreiche mutmaßliche Spionageballons aus China in mehreren Ländern entdeckt, dann gab es Gerüchte über mögliche Waffenlieferungen aus China an Russland, eine womöglich entscheidende Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und weiterhin brodelt der Konflikt um Taiwan. Erst beim Volkskongress pochte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang erneut auf die Eingliederung des demokratischen Inselstaates in die chinesische Volksrepublik. Der chinesische Außenminister Qin Gang rief Europa auf, unabhängiger von den USA zu werden.
Trotz der vielen politischen Konflikte ist die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China 2023 so hoch wie nie zuvor. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). China ist Deutschlands größter Handelspartner. Doch das Verhältnis ist immer unausgewogener: Während Deutschland immer mehr aus China importiert, kaufen die Chinesen und Chinesinnen immer weniger Produkte in Deutschland ein. Das Handelsdefizit mit China hat sich laut IW 2022 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Studienautor Jürgen Matthes erklärt, der deutsche Außenhandel entwickle sich „mit voller Kraft in die falsche Richtung“.
Wie weiter mit China?
Wie mit China umgehen? Das ist eine der zentralen Fragen für die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Westen und der Volksrepublik. Das Risikobewusstsein in den deutschen Wirtschafts- und Geschäftsbeziehungen mit China ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. „Deutsche Unternehmen wie Volkswagen und BASF haben ein geringes Risikobewusstsein, während Kanzleramt und Wirtschaftsministerium ein wachsendes Risiko zumindest bei Rohstoffen und Lieferketten sehen“, sagt Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi). Es sei noch ein weiter Weg, die einseitige Abhängigkeit von China bei Rohstoffen und industriellen Vorprodukten zu reduzieren, so Benner im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Insbesondere bei allen Kerntechnologien der Energiewende wie Speichertechnologie und Fotovoltaik ist die Abhängigkeit groß, und auch bei Windkraftanlagen droht eine Abhängigkeit von China, wenn wir die europäische Windkraftindustrie nicht stabilisieren.“
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine neue China-Strategie für Deutschland. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass man nun eine außen- und sicherheitspolitisch motivierte Strategie anstrebe. Die Verringerung „übermäßiger wirtschaftlicher Abhängigkeiten“ soll eine maßgebliche Rolle spielen, gleichzeitig aber auch die „Berücksichtigung unseres anhaltenden Interesses an Zusammenarbeit“. Die Bundesregierung nimmt in ihren Strategieplänen die deutsche Wirtschaft in die Pflicht. Unternehmen sollen ihr Geschäft so aufstellen, dass es im Ernstfall – zum Beispiel bei westlichen Sanktionen gegen China infolge eines Angriffs auf Taiwan – nicht zu Stillstand, Pleiten und massivem Wohlstandsverlust in Deutschland kommt. In den vergangenen Monaten wurden verschiedene Ideen diskutiert, darunter auch die Durchführung von Stresstests und eine erhöhte Berichterstattungspflicht zum China-Geschäft. Die Kritik aus Peking auf den Strategieentwurf folgte prompt. Dies sei eine „Verunglimpfung Chinas“.
China veröffentlicht Positionspapier zum Krieg in der Ukraine
China ruft zum Waffenstillstand in der Ukraine auf. In einem Positionspapier fordert Peking außerdem, dass Verhandlungen sofort wieder aufgenommen werden.
© Quelle: dpa
Deutsche Wirtschaft nicht vollständig entkoppeln
Experte Benner stellt klar, dass es nicht darum geht, die deutsche Wirtschaft in Zukunft vollständig von China abzukoppeln. Aber Deutschland müsse einseitige Abhängigkeiten reduzieren und die Lieferketten diversifizieren. „In bestimmten Bereichen wie der Hochtechnologie kann es aber durchaus zu einer Entkopplung von China kommen“, gibt er zu bedenken. Bei kritischen Technologien wie Halbleitern haben die USA in der Vergangenheit bereits sehr stark die Verbündeten darauf gedrängt, China zu isolieren. Der Grund: „In China gibt es keine Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung, und alles, was wir nach China exportieren, kann dort genutzt werden, um das Militär aufzurüsten“, sagt Benner. China ist in hohem Maße von Halbleitern aus dem Ausland abhängig. 68 Prozent werden aus dem Westen und Taiwan importiert. Die USA werden die Daumenschrauben bei ihren Verbündeten anziehen, meint der Experte, darauf müssten sich auch deutsche Technologieunternehmen einstellen.
Schon jetzt zeigt die IW-Studie, dass die vielen chinesischen Importe 2022 den „Konkurrenzdruck für deutsche Unternehmen“ erhöht haben, die mit chinesischen Firmen im Wettbewerb stehen. Es gebe zwar viele Unternehmen, die ihre Abhängigkeit von China verringern wollen. „Die Zahlen sprechen derzeit allerdings eine andere Sprache“, so IW-Ökonom Matthes.
Bei der ersten Pressekonferenz seit seinem Amtsantritt machte der chinesische Außenminister die USA für die verschlechterten Beziehungen beider Länder verantwortlich. Er kritisierte außerdem die US-Unterstützung für Taiwan und unterstellte Washington, die Friedensbemühungen in der Ukraine zum eigenen Vorteil zu untergraben. Provokationen der USA könnten die Spannungen eskalieren lassen – mit „katastrophalen Folgen“.
Die Konflikte zwischen China und dem Westen, insbesondere den USA, werden weiter zunehmen, glaubt Experte Benner. In den USA steht der Wahlkampf an und die Spitzenkandidaten werden sich darin überbieten, so Benner, wer gegenüber Peking härter auftritt. „Derzeit stehen die Zeichen in Peking wie Washington eher auf Eskalation als auf Deeskalation.“ Eine Stabilisierung der Beziehungen zwischen China und dem Westen sei sehr schwierig und nicht in Sicht. „Wir müssen uns auf sehr turbulente Jahre mit China einstellen.“