Waffenlieferungen im Bundestag: Die einen reden über Scholz, die anderen übers Völkerrecht
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Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, redet zum Tagespunkt zu Lieferungen schwerer Waffen in die Ukraine im Bundestag.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Berlin. Eine Stunde lang hat der Bundestag debattiert, da platzt dem Linken-Abgeordenten Klaus Ernst der Kragen. Die Waffenlieferungen an die Ukraine stehen auf der Tagesordnung, Koalition und Union haben sie befürwortet. AfD und Linke haben sie abgelehnt. Und ab und zu ist es auch darum gegangen, warum der Stuhl des Kanzlers an diesem Tag leer geblieben ist. Scholz ist auf Staatsbesuch in Japan. Die Union hat das als respektlos gegenüber dem Bundestag kritisiert, AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla hat gespottet: „Herr Scholz reist zur Kirschblüte nach Japan.“
Die heftigste Wortmeldung an diesem Tag
Ernst meldet sich von seinem Platz aus und wird laut. Er wundere sich sehr, dass über Kanzlerreisen gesprochen wird, sagt er. „Wir reden darüber, ob wir in einem halben Jahr oder in einem Jahr noch durch ein Berlin gehen können, das nicht zerstört ist.“ Es ist die heftigste Wortmeldung an diesem Tag, an dem die Koalitionsfraktionen mit der Union die Waffenlieferungen an die Ukraine bestätigen werden.
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Kann Deutschland auf russisches Gas verzichten?
Politikerinnen und Politiker, Ökonominnen und Ökonomen und auch Verbraucherinnen und Verbraucher diskutieren hitzig, ob Deutschland auf russisches Gas verzichten soll, um das Morden in der Ukraine zu stoppen. Aber würde das überhaupt funktionieren? Fragen und Antworten.
Redner um Redner betont, man müsse der Ukraine helfen, sich selbst zu verteidigen gegen den von Russland initiierten Angriffskrieg. „Wir wägen ab, wir zweifeln und hadern“, sagt Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann etwa. Sie verweist aufs Völkerrecht. Damit die Ukraine nicht schutzlos bleibe, sei neben finanzieller und humanitärer Unterstützung militärische Hilfe nötig.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezweifelt dies: „Glauben Sie, dass mit der Lieferung schwerer Waffen dieser Krieg beendet wird?“, fragt er. Chrupalla von der AfD befindet, der Antrag von Koalition und Union „liest sich wie die Beitrittsbekundung zu einem Krieg“. Die Verteidigungspolitikerin der Grünen, Agnieszka Brugger, hält dagegen: „Ein militärischer Sieg Russlands bedeutet keine Befreiung, kein Ende der Gewalt.“ Russlands Präsident Wladimir Putin wolle seine imperialen Ansprüche durchsetzen und das Ergebnis von Verhandlungen diktieren. Wer sage, Russland dürfe nicht gewinnen, müsse auch wissen: „Es darf auch nicht verlieren“, wendet der AfD-Politiker Alexander Gauland ein. Schließlich sei Russland eine Atommacht. „Nur ein Kompromiss kann diesen Krieg beenden.“
Merz rechnet mit Regierung ab
CDU-Vorsitzender und Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat ein anderes Thema. Seine Rede ist eine Abrechnung mit der Regierung. Führungsschwach sei Bundeskanzler Olaf Scholz. Er sei Fragen bei dem Thema über Wochen ausgewichen und habe stattdessen Bundestagsmitglieder abgekanzelt. Völlig inakzeptabel sei das für einen Kanzler. „Das ist nicht Besonnenheit. Das ist Zögern, das ist Zaudern, das ist Ängstlichkeit“, sagt der Unionsfraktions- und Parteichef.
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Die Unionsfraktion hat erst am Vortag ihren Antrag zurückgezogen, in dem sie die Lieferung schwerer Waffen gefordert hat, und sich dem weiter gefassten Koalitionsantrag angeschlossen. Es war eine kleine Machtprobe, die letztlich die Koalition gewonnen hat. Merz sagt, die Regierung wäre gar nicht auf die Idee gekommen, einen Antrag zu stellen und im Bundestag zu debattieren, wenn die Union nicht den Impuls gegeben hätte. Dem geplanten Sondervermögen für die Bundeswehr werde man jedenfalls nicht einfach so zustimmen, da sei mehr finanzielle Sicherheit nötig.
Frage nach Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine löst hitzige Debatte aus
In der Debatte über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine kochten am Donnerstag die Emotionen hoch.
© Quelle: Reuters
Die Antwort übernimmt SPD-Chef Lars Klingbeil – und findet seinerseits Merz unverantwortlich. Beim Thema Ukraine müsse auch für den Oppositionsführer gelten: „Erst das Land, dann die Partei.“ Merz aber habe versucht, sich parteipolitisch zu profilieren. „Kleingeist und Kleinkariertheit“ wirft er dem CDU-Chef vor. Mehrfach betont Klingbeil die „gute Führung“ durch Scholz: „Diese Regierung handelt, sie leitet, sie führt“, sagt er. Sie überlege genau, stimme sich mit den internationalen Partnerländern ab. Das sei offenkundig anders als bei Merz, der „morgens aufwacht, und überlegt: Was können wir tun“.
Ganz vorne in den SPD-Reihen sitzt Fraktionschef Ralf Mützenich. Nur wenige Stunden bevor die Regierung diese Woche ihre Entscheidung über Panzerlieferungen bekannt gegeben hat, hat er eine zu militaristische Tendenz der Debatte beklagt. Im Bundestag spricht er nicht, anders als alle anderen Fraktionsvorsitzenden. Dem Antrag stimmt er zu, so wie fast alle Koalitionsabgeordneten.
Zwei Grünen- und zwei FDP-Parlamentarier enthalten sich, ein CDU-Abgeordneter stimmt dagegen. Bei der AfD stimmen vier Abgeordnete mit der Regierung, zwei enthalten sich. Die SPD ist geschlossen dafür, die Linke geschlossen dagegen.