Präsidentschaftswahlen in Frankreich

Warum eine Präsidentin Marine Le Pen fatal für Deutschland und Europa wäre

Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN), auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt.

Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN), auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt.

Paris. Wolodymyr Selenskyj setzte ein höfliches Lächeln auf, als ihn der französische Journalist vom Sender BFMTV beim Interview festnageln wollte: Ob er bei der Präsidentschafts­wahl am Sonntag eher auf einen Sieg von Emmanuel Macron oder von Marine Le Pen hoffe?

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Die Wähler zu beeinflussen wäre nicht korrekt, wich der ukrainische Präsident aus. „Aber ich habe Beziehungen mit Emmanuel Macron, die ich nicht verlieren möchte.“ Die Antwort war vorsichtig formuliert, aber letztlich eindeutig. Seit Le Pen 2014 die völkerrechts­widrige Annexion der Krim durch Russland als legal anerkannt hat, ist sie Persona non grata in der Ukraine.

Ihre Wahl erscheint unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich: Umfragen vor der Stichwahl sehen die Rechtspopulistin bei rund 45 Prozent.

Macron gegen Le Pen: TV-Duell vor der Stichwahl am Sonntag

Die Stichwahl in Frankreich findet am Sonntag statt. Es sind dieselben Kandidaten wie bereits bei den Wahlen im Jahr 2017.

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Le Pen und die Beziehungen zu Russland

Mit ihr an der Staatsspitze würde sich die Position Frankreichs im Ukraine-Krieg wesentlich ändern – und die gesamte EU in einem Schlüsselmoment, in dem sie Einigkeit braucht, schwächen. Le Pen suchte jahrelang die Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, dessen Staatsmedien im Präsidentschafts­wahlkampf 2017 Macron angriffen, um sie zu stärken.

Sie spricht sich gegen Sanktionen und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus und wirbt für eine „strategische Annäherung“ an den Kremlchef, sobald der Krieg beendet sei. Aus den militärischen Kommando­strukturen der Nato will Le Pen aussteigen und alle gemeinsamen Rüstungsprojekte mit Deutschland vom Luftkampfsystem FCAS bis zu Kampfpanzern stoppen.

Projekt Europa in Gefahr

Für Berlin und die EU wäre ihr Sieg fatal. Der seit Jahrzehnten gewachsenen deutsch-französischen Zusammenarbeit drohte dann eine Vollbremsung, dem Friedensprojekt Europa das Aus. Mit Frankreich würde sich ein EU-Gründungsland den illiberalen EU-Staaten Polen und Ungarn annähern.

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Da Le Pen nationales über europäisches Recht stellen will, wären Konflikte programmiert. Sie will wieder innereuropäische Grenzkontrollen einführen und damit die Freizügigkeit von Waren und Personen einschränken. Experten sind sich einig, dass mit diesem Kurs ein französischer EU-Austritt wahrscheinlicher würde, auch wenn die Rechtsextreme diesen offiziell nicht mehr befürwortet.

Le Pens Konzept der „nationalen Priorität“, das Ausländer bei der Vergabe von Jobs, Sozialwohnungen und -leistungen benachteiligen würde, widerspricht sowohl EU-Recht als auch der französischen Verfassung. Um diese und das Parlament zu umgehen, will sie das Vorhaben mit einem Referendum durchbringen. Juristen zufolge käme das einem Staatsstreich gleich.

Macron warnt vor „Bürgerkrieg“

Eine Wahl der 53-Jährigen würde stürmische Zeiten für Frankreich bedeuten. Bei ihrem TV-Duell mit Macron am Mittwoch warnte dieser, das von ihr geforderte Kopftuchverbot im öffentlichen Raum könnte mancherorts einen „Bürgerkrieg“ auslösen. Frankreich, die Nation der Aufklärung und der Laizität, wäre das erste Land, das einen solchen Schritt geht. Le Pen rechtfertigt die Maßnahme, indem sie das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung der Frauen durch „Islamisten“ bezeichnet. Tatsächlich aber würde sie Millionen Muslime im Land ausgrenzen.

Auch die wirtschaftliche Schwächung droht durch die Linie eines „patriotischen Protektionismus“, der Investoren verschrecken könnte. Ihre Ankündigung, die französischen EU-Zahlungen um 5 Milliarden Euro pro Jahr zu reduzieren, obwohl das Budget bis 2027 beschlossen ist, wäre ein Eingeständnis der Unzuverlässigkeit. Auch gelten ihre Versprechen wie die massive Mehrwertsteuer-Reduzierung unter anderem auf Energie als äußerst kostspielig und Forderungen wie der komplette Abbau aller Windräder oder die Befreiung aller unter 30-Jährigen von der Einkommenssteuer als wirtschaftlich widersinnig.

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Doch im Falle eines Wahlsiegs könnte Le Pen ihr Programm nicht einfach umsetzen. Sie bräuchte dafür eine Mehrheit in der Nationalversammlung – die sie bei den Parlamentswahlen im Juni kaum erhalten dürfte. Plausibler wäre eine sogenannte „Kohabitation“ mit dem Premierminister einer anderen Partei. Es käme zur Blockade Frankreichs und zu einer Lähmung Europas. Beunruhigende Aussichten – der Wahlsonntag ist ein wichtiger Tag weit über die Landesgrenzen hinaus.

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