„Wer könnte es besser?“ Berlusconi will Staatspräsident werden – und erhält Zuspruch aus Deutschland
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Silvio Berlusconi, ehemaliger Ministerpräsident und Parteichef der Forza Italia, möchte Staatsoberhaupt Italiens werden.
© Quelle: Roberto Monaldo/LaPresse/AP/dpa
Rom. Berlusconis Charmeoffensive trägt den Codenamen „Operation Eichhörnchen“: In der unermüdlichen Art, wie die putzigen Nagetiere das Jahr über Nüsse sammeln, um im Winter gegen Hunger gewappnet zu sein, sammelt der mehrfache ehemalige Ministerpräsident in diesen Tagen im Senat und im Abgeordnetenhaus Stimmen, um in wenigen Tagen sein letztes großes politisches Ziel zu erreichen: Er will Italiens Staatspräsident werden.
Am 24. Januar beginnt in den 1009 Mitglieder zählenden vereinigten Parlamentskammern die Wahl des Nachfolgers von Amtsinhaber Sergio Mattarella. Und Berlusconi vertraut darauf, in der Stunde x genügend Nüsse respektive Stimmen beisammenzuhaben, damit sein Traum wahr und er als 13. Präsident der italienischen Republik in die Geschichte eingehen wird.
Die Stimmen der Rechtsparteien hat er schon einmal sicher: „Silvio Berlusconi ist die geeignete Figur, um in einer schwierigen Situation dieses hohe Amt mit Würde und Erfahrung auszufüllen“, erklärten die Führer des Rechtslagers nach einem Spitzentreffen am Freitag in einem gemeinsamen Kommuniqué. Der Kandidat verfüge über das „internationale Prestige und die Ausgewogenheit“, die erforderlich seien, um die Einheit der Nation zu repräsentieren. Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von Lega-Chef Matteo Salvini, der Führerin der postfaschistischen Fratelli d’Italia, Giorgia Meloni, sowie von den Leadern einiger weiterer rechter Parteien. Dass die Parlamentarier von Berlusconis Forza Italia für ihren Parteigründer und Übervater stimmen werden, versteht sich ohnehin von selbst.
Berlusconi droht mit Koalitionsbruch – und hat viel in der Hand
Die Wahlkampagne des Cavaliere hatte schon im September begonnen, als er eine psychiatrische Begutachtung im Rahmen des sogenannten Ruby-3-Prozesses beleidigt ablehnte und erklärte, dass er ab sofort an keinem Gerichtstermin mehr teilnehmen werde. Ein nachvollziehbarer Entscheid: Auftritte in dem Verfahren, in dem ihm vorgeworfen wird, jungen Zeuginnen Schweigegeld bezahlt zu haben, damit sie vor Gericht nichts Pikantes über ihre Rolle bei den früheren „Bunga-Bunga-Partys“ in seinen Villen ausplaudern, wären einer Wahl ins höchste Staatsamt nicht förderlich gewesen. An Weihnachten wurde die zweite Stufe der Kampagne gezündet: Berlusconi hat – kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – mehreren Parteiführern und anderen einflussreichen Parlamentariern Gemälde aus seiner üppigen Bildersammlung zukommen lassen.
Und wenn seine Geschenke, sein Charme und seine Überzeugungskraft nicht ausreichen, dann greift der Ex-Premier auch einmal zur Peitsche. So drohte Berlusconi bereits mit dem Koalitionsbruch: Falls statt seiner selbst der aktuelle Premier Mario Draghi zum Staatspräsidenten gewählt werde – was durchaus möglich ist –, dann werde er seine Forza Italia aus der Regierung abziehen.
Das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Regierungskrise und Neuwahlen bedeuten. Ein solches Szenario erschreckt viele der Senatoren und Abgeordneten: Weil beide Kammern bei der nächsten Wahl um ein Drittel verkleinert werden, droht der Verlust des einträglichen Parlamentssessels. Auch etliche politische Gegner könnten deshalb in der geheimen Wahl versucht sein, Berlusconi zu wählen – bloß, um die Legislatur und damit ihre Privilegien zu retten.
„Telefonisten“ und eigene Medien sollen Berlusconi zur Wahl verhelfen
Die „Operation Eichhörnchen“ befindet sich nun in ihrer heißen Phase: Berlusconi und sein „Telefonist“ Vittorio Sgarbi, ein schillernder Kunstkritiker und Abgeordneter, rufen die Parlamentarier quer durch das politische Spektrum einzeln an, um für die Wahl des Ex-Premiers zu werben. Seit Tagen: Es sollen schon über 300 mögliche „Großwähler“ kontaktiert worden sein.
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Plakat bei einer Demonstration gegen Silvio Berlusconis Präsidentschaftskandidatur.
© Quelle: imago images/Independent Photo Agency Int.
Auch die Berlusconi-Medien haben ihre Geschütze in Stellung gebracht. So hat die Zeitung „Libero“ in diesen Tagen ein ganzseitiges Inserat publiziert, auf dem ältere Forza-Italia-Politiker in 22 Punkten die menschlichen und politischen Vorzüge des Kandidaten preisen. Das liest sich dann so: Berlusconi sei „anständig und großzügig“ und „Freund von allen und niemandes Feind“. In einem weiteren Punkt heißt es, im Jahr 2002 habe er zusammen mit George W. Bush und Wladimir Putin auf dem Luftwaffenstützpunkt Pratica di Mare bei Rom „den Kalten Krieg beendet“. Der Artikel endet mit dem Satz „Berlusconi – wer könnte es besser als er?“.
Lob kommt auch aus Deutschland
Beantwortet, und zwar in positivem Sinne, hat dies bereits der Deutsche Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament. Berlusconi, dessen Forza Italia der EVP angehört, sei „ein sehr starker Leader“ gewesen, betonte Weber im „Corriere della Sera“ von Samstag. Anderer Meinung sind der sozialdemokratische Partito Democratico von Ex-Regierungschef Enrico Letta und auch die Fünf-Sterne-Protestbewegung. Und auch für Millionen Italienerinnen und Italiener ist es eine bizarre Vorstellung, dass der vorbestrafte Ex-Premier und Milliardär, der außerdem immer noch wegen seiner Sexskandale vor Gericht steht, Staatspräsident werden könnte. Schon nur deshalb, weil dann Berlusconis Konterfei die Gerichtssäle und Amtsstuben des ganzen Landes schmücken würde.
Ob die „Operation Eichhörnchen“ für Berlusconi zum Erfolg wird, ist freilich ungewiss: Niemand in Rom wagt eine Prognose über den Ausgang der Staatspräsidentenwahl. Fest steht bloß, dass die am Freitag versprochenen Stimmen des Rechtslagers allein nicht ausreichen werden: Um auf das geforderte Quorum von 505 Stimmen zu kommen und sich seinen Traum erfüllen zu können, müsste sich Berlusconi noch mindestens sechzig bis siebzig Stimmen der politischen Mitte, von Mitgliedern der Fünf-Sterne-Protestbewegung oder aus der Linken sichern. Berlusconi ist überzeugt, dass ihm dies gelingen wird, sein Adjutant Sgarbi ist da etwas skeptischer und sagt, das werde „ein hartes Unterfangen“.