Israelischer Militäreinsatz im Westjordanland endet blutig – zehn Tote und über 100 Verletzte
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Palästinenser werfen bei Zusammenstößen im Westjordanland Steine auf ein Fahrzeug der israelischen Armee.
© Quelle: Ayman Nobani/dpa
Tel Aviv/Ramallah. Bei einem israelischen Militäreinsatz in Nablus im Westjordanland sind nach palästinensischen Angaben mindestens zehn Palästinenser getötet worden. Zudem wurden mehr als 100 Menschen verletzt, wie das Gesundheitsministerium in Ramallah am Mittwoch mitteilte. Mindestens fünf davon seien in kritischem Zustand. Unter den Toten waren demnach auch ein 72-Jähriger sowie ein 16-Jähriger.
Das israelische Militär teilte mit, bei der versuchten Festnahme von drei Terrorverdächtigen seien die Einsatzkräfte unter heftigen Beschuss geraten. Daraufhin sei mit Schüssen geantwortet worden. Alle drei Verdächtigen sind demnach erschossen worden. Sie sollen nach Militärangaben Anschläge geplant und teilweise ausgeführt haben. In dem Gebäude, in dem sie sich verschanzt hatten, seien Munition und Waffen beschlagnahmt worden. Zwei der Verdächtigen gehörten demnach der bewaffneten Gruppierung „Höhle der Löwen“ an, ein weiterer der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad.
Beobachter befürchteten Vergeltungstaten von Palästinensern. Die militant-islamistische Hamas drohte bereits kurz nach der Operation mit Gewalt. Ein Hamas-Sprecher sagte nach der Razzia: „Die Geduld des palästinensischen Widerstands in Gaza geht zu Ende.“ Auch der Islamische Dschihad kündigte in Gaza „eine Antwort auf die brutale Aggression“ an. Beide Palästinenserorganisationen sind auch im Westjordanland aktiv.
Amateurvideo belastet israelische Armee
Nablus im Norden des palästinensischen Gebiets ist als Hochburg militanter Gruppen bekannt. Die israelische Armee geht dort häufig gegen militante Gruppen vor, allerdings in der Regel nachts, da zu dieser Zeit das Risiko von Opfern unter der Zivilbevölkerung geringer ist. Am Mittwoch rückten die Soldaten dagegen kurz vor dem Mittag an.
Ein im Internet veröffentlichtes Amateurvideo zeigte offenbar Aufnahmen einer Sicherheitskamera, auf denen zwei junge Männer eine Straße entlanglaufen. Es sind Schüsse zu hören, und beide fallen zu Boden, wobei einem der Hut vom Kopf fällt. Beide Körper bleiben regungslos liegen. Andere Aufnahmen zeigten israelische Soldaten in der Innenstadt von Nablus und Armeefahrzeuge, die Tränengas abfeuerten. Nach dem Einsatz waren Geschäfte von Kugeln durchlöchert, geparkte Autos zertrümmert. Blutlachen waren zu sehen.
15 Tote bei israelischem Raketenangriff auf Zentrum von Damaskus
Nach Angaben der syrischen Armee hat die israelische Luftwaffe mehrere Ziele in der syrischen Hauptstadt angegriffen. Aus Israel gab es keine Stellungnahme.
© Quelle: Reuters
Der israelische Militärsprecher Richard Hecht nannte das Video problematisch und sagte, es werde geprüft. Der Militäreinsatz habe am Mittag stattgefunden, weil sich eine selten günstige Gelegenheit ergeben habe, die drei Verdächtigen zu stellen. Von den mehr als 100 Verletzten waren nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums sechs in kritischem Zustand.
Angespannte Sicherheitslage in Israel und Palästina
Der Oberpfleger Ahmad Aswad vom Nadscha-Krankenhaus sagte der Nachrichtenagentur AP, viele der Verletzten seien in Kopf, Brust oder Oberschenkel getroffen worden. „Die haben geschossen, um zu töten“, sagte der 36-Jährige. Er und ein Kollege hätten dem 61-Jährigen eine Kugel aus dem Herzen entfernt und erst, nachdem dieser für tot erklärt wurde, die Zeit gefunden, sich sein Gesicht anzusehen - es sei der Vater seines Kollegen gewesen.
Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten ist seit langem extrem angespannt. Seit Beginn des Jahres wurden neun Israelis und eine Ukrainerin bei Anschlägen von Palästinensern getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 59 Palästinenser ums Leben - sie wurden etwa bei Konfrontationen mit der israelischen Armee oder nach eigenen Anschlägen erschossen. Es gibt zudem immer wieder Berichte über Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser, israelische Aktivisten oder Soldaten.
RND/dpa/AP