Wie die Bundesländer sich zur nationalen Sicherheitsstrategie positionieren
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Annalena Baerbock, Außenministerin Deutschlands, wirbt für eine nationale Sicherheitsstrategie, die besagt, dass der Bund mehr Kompetenzen im Katastrophenschutz bekommt. Die Innenminister der meisten Bundesländer zeigen sich wenig begeistert von dem Plan.
© Quelle: IMAGO/Chris Emil Janßen
Berlin. Bei der Erarbeitung einer nationalen Sicherheitsstrategie stößt der Bund beim Umgang mit dem Katastrophenschutz auf massiven Widerstand der Länder. In einer Umfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) unter den Innenministerien der Länder zeigte sich keine Bereitschaft, dem Wunsch von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach einer stärkeren Bündelung der Kompetenzen beim Bund nachzukommen.
Übrig bleiben könnte eine verbesserte Koordinierungsfunktion des Bundes bei sogenannten Großschadenslagen, die mehrere Bundesländer betreffen. In Länderkreisen hieß es, es werde diskutiert, ob die Zuständigkeit des Bundes in besonderen länderübergreifenden Fällen ergänzt werden könne.
Bundesländer halten Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz für ausreichend
Das im Juni 2022 von Bund und Ländern geschaffene Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz, das eine bessere Vernetzung ermöglichen soll, betrachten die meisten Bundesländer als ausreichend. Eine Zuständigkeitsverlagerung wäre nur mit einer Grundgesetzänderung möglich, der die Länder im Bundesrat zustimmen müssten. Die nationale Sicherheitsstrategie soll bis Ende März vorliegen.
Klare Worte aus den Bundesländern
„Wir brauchen keine totale Zuständigkeit des Bundes für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Dies würde die Handlungs- und Steuerungsfähigkeit der Länder erheblich einschränken, eine effizientere und schnellere Krisenbewältigung würde hierdurch nicht erreicht, sondern eher erschwert“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dem RND. „Wir brauchen keine Debatten über mögliche Grundgesetzänderungen, sondern müssen uns auf die nächsten Krisen- und Katastrophenlagen gut vorbereiten.“ Der Bund müsse hier seiner Verantwortung nachkommen und dürfe nicht Mittel für den Katastrophenschutz kürzen.
Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) verwies auf die Finanzen: „Der Bund sollte keine unsinnige Kompetenzdebatte anzetteln, sondern seiner finanziellen Verantwortung nachkommen. Im aktuellen Haushalt sind keine zusätzlichen Mittel eingestellt, obwohl sich alle einig sind, dass dringend in den Bevölkerungsschutz investiert werden muss“, sagte er dem RND.
Peter Beuth: „Ein zentraler bürokratischer Überbau und Entscheidungen fern der Lagen helfen uns nicht weiter“
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sprach dem Bund lediglich die Möglichkeit zu, bei überregionalen Katastrophen zu koordinieren. „Dort, wo eine übergeordnete Koordinierung und Kommunikation etwa im Falle internationaler Hilfeleistungen oder überregionaler Schadenslagen hilfreich sein können, halten wir eine fachkundige und an den Lagen orientierte zentrale Koordinierungsfunktion durchaus für hilfreich“, sagte er dem RND. „Es darf aber nicht sein, dass gut funktionierende dezentrale Strukturen einer blinden Zentralisierungswut zum Opfer fallen und die operative Lagebewältigung dadurch nur erschwert wird.“ Der Bund sei zudem „bislang den Beweis dafür schuldig geblieben, in operativer Hinsicht einen Mehrwert erzeugen zu können“. Die Stärke des Katastrophenschutzes liege gerade in seiner dezentralen Organisationsstruktur. „Ein zentraler bürokratischer Überbau und Entscheidungen fern der Lagen helfen uns nicht weiter, sondern verkomplizieren schnelle Hilfeleistung im Schadensfall.“
In Sachsen-Anhalt hieß es, Überlegungen zur auch nur teilweisen Verlagerung der Zuständigkeit für den Katastrophenschutz auf den Bund sei „deutlich zu widersprechen“. Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) betonte: „Die Zuständigkeiten des Bundes für den Zivilschutz und die der Länder für den Katastrophenschutz haben sich grundsätzlich bewährt.“
Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) betonte die Erfahrung der Länder: „Die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass wir im Krisenfall schnell und ohne Umwege handeln müssen. Hier sehe ich eine klare Stärke bei den Ländern.“
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) forderte „Pragmatismus und Weitsicht“ bei der Verbesserung von Strukturen. „Je näher die Entscheidungsträger bei den Menschen sind, umso passgenauer können Entscheidungen getroffen werden“, stellte er fest.
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Auch das von Linken, SPD und Grünen regierte Thüringen zeigte wenig Interesse an einem neuen Kompetenzzuschnitt. „Die Notwendigkeit an Koordination bei der Bewältigung überörtlicher Großschadenslagen wird nicht bestritten. Jedoch bedarf dies aus fachlicher Sicht keiner Grundgesetzänderung. Auch wäre eine dezidierte Verbesserung des Bevölkerungsschutzes durch eine solche Änderung nicht erkennbar“, sagte ein Sprecher von Landesinnenminister Georg Maier (SPD).
„Nur in den Kommunen ist die erforderliche Ortskenntnis gegeben“
Keine Notwendigkeit für Kompetenzverlagerung ist auch das Signal aus Bremen. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ließ jedoch wissen: „Ich begrüße aber ausdrücklich, wenn der Bund die Länder durch Informationskoordination und mögliche Spezialfähigkeiten unterstützt.“
Eine Sprecherin des Innenministers von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel (SPD), sagte, vor der Debatte über weitere Veränderungen müsse zunächst die erst vor Kurzem verbesserte Koordination evaluiert werden.
Rheinland-Pfalz verwies auf die Zuständigkeit der Kommunen. Die Einsatzleitung in einer Katastrophenlage muss auch nach Einschätzung von Expertinnen und Experten vor Ort bei den Landkreisen und kreisfreien Städten verbleiben, sagte ein Sprecher von Innenminister Michael Ebling (SPD). „Denn nur in den Kommunen ist die erforderliche Ortskenntnis gegeben.“
Bundesländer wünschen sich mehr Beteiligung
Mehrere Innenminister drängten die Bundesregierung, die Länder besser in die Erarbeitung der Sicherheitsstrategie einzubinden.
„Die Länder müssen in eine nationale Sicherheitsstrategie auf jeden Fall eingebunden werden“, sagte Bayerns Innenminister Herrmann. „Wenn schon über Länderzuständigkeiten und unsere Aufgaben gesprochen wird, kann dies nicht ohne uns geschehen. Andernfalls bleibt die angestrebte nationale Sicherheitsstrategie Stückwerk und wird ihrem Namen nicht gerecht.“
Ein Sprecher des sächsischen Innenministeriums sagte, die Einbindung sei bislang nicht hinreichend erfolgt.