„Wir sind vorbereitet“: Polen kontert russisches Gasembargo mit neuer Ostsee-Pipeline
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Szymon Szynkowski vel Sek, polnischer Vizeaußenminister, vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Berlin. Polen hat recht gefasst auf den durch Russland verhängten Lieferstopp für Erdgas reagiert und als Reaktion die Fertigstellung einer neuen Pipeline durch die Ostsee angekündigt. Sie soll ab Herbst norwegisches Erdgas nach Polen bringen.
Der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek sagte, man habe mit einem solchen Embargo gerechnet und sich darauf vorbereitet. „Dieser Stopp von Gaslieferungen aus Russland hat uns nicht überrascht, wir haben uns schon seit Jahren gut auf dieses Szenario vorbereitet und schon seit 2015 schrittweise unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas um etwa 20 Prozent zurückgefahren“, sagte Szynkowski vel Sek am Dienstag dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Polen habe damit eine Idee des ehemaligen Präsidenten Lech Kaczynski realisiert, ein Terminal für Flüssiggas (LNG) zu bauen. „Wir produzieren inzwischen etwa 20 Prozent unseres Gasbedarfs selbst“, sagte Szynkowski vel Sek. „Wir haben eine klare Perspektive und einen klaren Plan, wie wir mit der Sache umgehen“, so der Politiker. Die aktuelle Versorgung sei gesichert, weil Polens Gasspeicher Füllstände bis zu 80 Prozent aufweisen würden. Der EU-Durchschnitt betrage derzeit nur 30 Prozent.
Im Mai erwartet Polen neue Lieferungen aus Litauen über ein dort befindliches neues Terminal für Flüssiggas (LNG). „Dadurch bekommen wir mehr als zwei Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich“, sagte Szynkowski vel Sek. Und im Sommer werde es zusätzliche Lieferungen über Kapazitäten aus der Slowakei geben.
Dem größten Befreiungsschlag sieht Polen jedoch im Herbst entgegen. Dann wird eine neue Gaspipeline durch die Ostsee in Betrieb gehen, die Baltic Pipe. Sie bringt norwegisches Erdgas nach Polen, zunächst bis Jahresende rund drei Milliarden Kubikmeter. „Im Jahr 2023 werden es zehn Milliarden Kubikmeter sein, und das wird uns enorm helfen, uns völlig von Russlands Gas unabhängig zu machen“, sagte der Vizeaußenminister.
Polen hatte schon lange angekündigt, den noch bis Ende 2022 laufenden Liefervertrag mit Russland nicht zu verlängern.
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© Quelle: RND/Bieler
Die Baltic Pipe wird etwa 900 Kilometer lang und an die Pipeline Eurogas II, die norwegisches Gas nach Dornum in Niedersachsen führt, in der Nordsee angeflanscht. Das Projekt ist mit Baukosten von rund 2 Milliarden Euro veranschlagt und damit kleiner dimensioniert als die russischen Nord-Stream-Pipelines. Die haben jeweils eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Über Nord Stream 1 erfolgt derzeit noch die Belieferung Deutschlands mit russischem Gas. Nord Stream 2 ist fertig, aber nicht mehr in Betrieb gegangen und hat Baukosten von etwa 9 Milliarden Euro verursacht.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte am Mittwoch im Parlament gesagt, sein Land lasse sich durch den russischen Lieferstopp nicht abschrecken. Offenbar wolle Moskau Vergeltung für die jüngsten polnischen Sanktionen üben. Polen hatte am Dienstag weitere Sanktionen gegen 50 russische Oligarchen und Unternehmen bekannt gegeben, darunter auch der Staatskonzern Gazprom, der europaweit Erdgas liefert.