Wladimir Klitschko befürchtet Zerstörung und Tod: „Blut wird sich mit Tränen vermischen“
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Der frühere Profiboxer Wladimir Klitschko (Archivbild).
© Quelle: Kerstin Joensson/epa/dpa
Hannover/Kiew. Wladimir Klitschko, der jüngere Bruder von Kiews Bürgermeister Vitali, hat die Deutschen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zu Hilfe und Besonnenheit aufgerufen. „Auch Sie in Deutschland können handeln“, schrieb der ehemalige Weltklasseboxer in einem offenen Brief. „Lassen wir uns nicht von der Angst ergreifen, bleiben wir nicht erstarrt. Putin schießt auf ukrainische Städte, aber er zielt auf unsere Herzen und vor allem auf unseren Verstand. Er will Zweifel und Verwirrung und damit Untätigkeit erzeugen.“
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Es sei kein „Krieg in der Ukraine“, betonte Klitschko, „es ist Putins Krieg.“ Der russische Präsident verwende „eine Kriegsrhetorik in der reinsten bolschewistischen Tradition und schreibt die Geschichte neu, um seine Neuaufteilung der Grenzen zu rechtfertigen“. Er mache deutlich, dass er den ukrainischen Staat und die Souveränität seines Volkes zerstören wolle. „Nach Worten folgen nun Raketen und Panzer. Zerstörung und Tod kommen über uns. So ist es, Blut wird sich mit Tränen vermischen“, hieß es in dem Brief.
Putin, schrieb Klitschko, wolle das geopolitische Gleichgewicht in ganz Europa in Frage stellen, „er träumt davon, der Verteidiger der slawischen Völker zu sein, wo auch immer sie leben, und will ein gefallenes Imperium wiederherstellen, dessen Untergang er nie akzeptiert hat“. Er betrachte Europa „durch eine verzerrende Brille, die Brille einer fantasierten glorreichen Vergangenheit“.
„Dieser Krieg spricht auch von Deutschland“
Klitschko betonte: „Wir müssen der Realität ins Auge blicken und den Mut haben, die Konsequenzen für unsere Zukunft und die unserer Kinder zu ziehen. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht. Und, wenn Sie genau hinhören, spricht dieser Krieg auch von Europa und damit auch von Deutschland.“
Das ukrainische Volk sei allerdings stark – und es werde sich „in dieser schrecklichen Prüfung“ treu bleiben. „Ein Volk, das sich nach Souveränität und Frieden sehnt. Ein Volk, das das russische Volk als seinen Bruder betrachtet. Es weiß, dass dieses im Grunde genommen diesen Krieg nicht will“, schrieb Klitschko. „Im Grunde gibt es keine Demokratie ohne Demokraten. Hier werden wir mit aller Kraft verteidigen und für Freiheit und Demokratie kämpfen.“
Russland hatte die Ukraine am Donnerstag aus mehreren Richtungen angegriffen. Präsident Wladimir Putin befahl eine groß angelegte Militäroperation gegen das Nachbarland – aus der Luft, am Boden und zur See. In einer Fernsehansprache sagte Putin, Russland strebe eine Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine an. Der Kreml behauptete in den vergangenen Jahren immer wieder, 2014 hätten aus dem Ausland gesteuerte „Faschisten“ in Kiew einen Staatsstreich herbeigeführt.
EU und Nato berufen Krisengipfel ein
„Ich habe beschlossen, eine Sondermilitäroperation durchzuführen. Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind“, sagte Putin in der Rede, die gegen 3.30 Uhr deutscher Zeit begann. Für diese Vorwürfe hat er bislang keine Beweise vorgelegt.
Die Ukraine, eine ehemalige Sowjetrepublik, ist das flächenmäßig größte Land Europas. Als Reaktion auf den Angriff brach sie die diplomatischen Beziehungen mit Russland ab. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief den Kriegszustand aus.
US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Europäische Union und die Nato verurteilten Putins Vorgehen scharf und kündigten weitere Sanktionen an. EU und Nato beriefen Krisengipfel ein.
Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg griff das russische Militär aus verschiedenen Richtungen an und attackierte militärische Infrastruktur sowie wichtige Ballungszentren. Stoltenberg sprach in Brüssel von Luft- und Raketenangriffen und einem Einsatz von Bodentruppen und Spezialkräften.
RND/tdi/dpa