„Ich habe die exakte Zahl nicht“

WM-Organisationschef spricht von 400 bis 500 toten Gastarbeitern – und kritisiert „One Love“-Aktion

Der Generalsekretär des Organisationskomitees der Fußball-Weltmeisterschaft 2022, Hassan Al-Thawadi

Der Generalsekretär des Organisationskomitees der Fußball-Weltmeisterschaft 2022, Hassan Al-Thawadi

Doha. Der Generalsekretär des Organisationskomitees, Hassan al-Thawadi, hat in einem Interview von mehreren Hundert toten Gastarbeitern im Zusammenhang mit der WM in Katar gesprochen. „Die Schätzung ist bei 400, zwischen 400 und 500. Ich habe die exakte Zahl nicht.“

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Das sagte al-Thawadi in dem Gespräch mit Piers Morgan für den britischen TV-Sender „Talk TV“. Morgan hatte nach der realistischen Zahl der Gastarbeiter gefragt, die durch ihre Arbeit für die Fußball-Weltmeisterschaft insgesamt ums Leben gekommen sind. Morgan hatte gefragt: „Wissen Sie, wie viele Menschen in Katar in den letzten zwölf Jahren bei Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft ums Leben gekommen sind, seit Sie den Zuschlag erhalten haben? Mit anderen Worten: neue Hotels, neue Brücken, was auch immer. Wie hoch ist die realistische Gesamtzahl der Arbeitsmigranten, die infolge der Arbeiten für die Fußballweltmeisterschaft gestorben sind?“

Das Organisationskomitee wies am Dienstagnachmittag darauf hin, dass sich die Aussage von al-Thawadi auf nationale Statistiken für alle arbeitsbedingten Todesfälle landesweit in Katar, für alle Branchen und Nationalitäten im Zeitraum von 2014 bis 2020 beziehe. Diese Zahl liege bei 414.

Auf den Stadion- und anderen offiziellen WM-Baustellen habe es offiziellen Angaben zufolge drei arbeitsbedingte und 37 nicht arbeitsbedingte Todesfälle gegeben. Zahlen zu den insgesamt im Zusammenhang mit der WM gestorbenen Gastarbeitern hatte das Organisationskomitee bislang nicht genannt.

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„One Love“-Aktion mit „sehr spaltender Botschaft“?

Zudem äußerte sich al-Thawadi auch zur Diskussion um die „One Love“-Binde. Er verteidigte das Verbot, das der Weltfußballverband Fifa ausgesprochen hatte. „Das ist eine Entscheidung der Fifa. Ich war nicht Teil dieser Diskussion“, sagte der Generalsekretär des Organisationskomitees. Für ihn sei es „eine Sache“, wenn Teams sich dazu entschließen, solch eine Binde während einer ganzen Saison zu tragen. „Aber wenn sie kommen, um in Katar ein Statement abzugeben, habe ich ein Problem damit. Es geht um die einfache Tatsache, dass dies ein Teil der Welt ist, der seine eigenen Werte hat.“

Al-Thawadi wertete die Aktion als Protest „gegen ein islamisches Land, das eine Veranstaltung ausrichtet“. Er fragte im Gespräch mit „Talk TV“, wo das enden solle. „Bedeutet das, dass islamische Länder niemals Veranstaltungen ausrichten können? Wenn Sie also hier in Katar oder speziell an Katar und damit an die islamische Welt gerichtet ein Statement abgeben, dann habe ich natürlich etwas dagegen.“ Die Aktion hinterlasse „eine sehr spaltende Botschaft“.

Zuletzt waren der DFB und die FIFA aneinandergeraten, weil der Weltverband einem Bündnis von sieben europäischen Verbänden das Tragen der „One Love“-Binde untersagt hatte. Diese soll ein Symbol für Vielfalt und Meinungsfreiheit sein. Zudem zeigte sich Neuendorf als Kritiker der WM in Katar und macht sich für die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die Arbeitsmigranten stark, die auf den WM-Baustellen zum Einsatz gekommen waren. Katar steht auch wegen des Umgangs mit den Gastarbeitern in der Kritik.

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Offizielle Angaben gehen von drei Toten aus – Berichte aber von Tausenden

Auf den Stadionbaustellen sind vorherigen offiziellen Angaben zufolge drei Menschen gestorben. Zahlen zu den insgesamt im Zusammenhang mit der WM gestorbenen Gastarbeitern hatte das Organisationskomitee bislang nicht genannt. Ein aufsehenerregender Bericht des britischen „Guardian“ von Anfang 2021 hatte von mehr als 6500 toten Arbeitern aus fünf asiatischen Ländern auf den Baustellen des Emirats in den vergangenen zehn Jahren gesprochen. Diese Zahlen hatte Katar stets zurückgewiesen.

Hassan al-Thawadi verwies in dem Gespräch erneut auf die Reformen, die im Emirat in den letzten Jahren für eine Verbesserung der Bedingungen für Arbeiter auf den WM-Baustellen gesorgt hätten. Der Deutsche Fußball-Bund und andere europäische Verbände machen sich für einen Entschädigungsfonds für Gastarbeiter in Katar sowie die Einrichtung eines Gastarbeiter-Zentrums in Doha stark.

RND/dpa/sic

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