Schutzräume für Politiker

Rückzug in Züge statt in Bunker: Das erwog die Bundesregierung einst für den Kriegsfall

Blick durch ein Gittertor auf den zurückgebauten ehemaligen Regierungsbunker im Ahrtal.

Blick durch ein Gittertor auf den zurückgebauten ehemaligen Regierungsbunker im Ahrtal.

Marienthal. Die Bundesregierung hat vor einem halben Jahrhundert für den Kriegsfall auch einen Rückzug in Züge auf Gleisen statt in ihren Bunker im Ahrtal erwogen. Hintergrund war die Angst vor einem Blackout der Elektronik im Regierungsbunker. Das geht aus Akten der Bundesregierung im Bundesarchiv hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Kopie vorliegen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Demnach gab 1971 der damalige Kanzler Willy Brandt (SPD) eine Untersuchung mit dem Namen „Gewitter“ in Auftrag, in der es um „Neuerkenntnisse der Auswirkungen des bei Kernwaffenexplosionen auftretenden elektromagnetischen Impulses (EMP)“ ging.

Regierungsbunker ist mittlerweile zum Teil ein Museum

Jörg Diester, Autor mehrerer Bücher über den inzwischen aufgegebenen und teilweise in ein Museum verwandelten Regierungsbunker, erläuterte, „Gewitter“ habe für einen Wendepunkt in der Verteidigungsstrategie Deutschlands gestanden. In der Ära Brandt sei eine deutliche Distanzierung zum Regierungsbunker zu beobachten gewesen. „Nie wieder gewann die Anlage die Bedeutung, die ihr ursprünglich zugedacht war.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das Bundesinnenministerium schrieb 1971 in einem Entwurf zu „Gewitter“, der Bau „einer neuen Befehlsstelle“ statt des Ahr-Bunkers südlich von Bonn sei anzustreben. Bis dahin sollte es Zwischenlösungen geben: „Beweglichmachen der BReg (Bundesregierung) in vier Zügen und Ausbau der geschützten Teile der Kasernenanlage Kusel als zusätzliche feste Unterkunft der beweglich gemachten BReg.“ Daraufhin in Auftrag gegebene Studien hielten indessen eine Flucht in Züge und in die damalige Kaserne Kusel im südwestlichen Rheinland-Pfalz für nicht praktikabel.

Schutzraumanlage in einstigen Eisenbahntunneln bei Fertigstellung schon überholt

Von einem neuen Regierungsbunker war laut Diester in den Akten später nicht mehr die Rede. Aber auch die bestehende Schutzraumanlage in zwei einstigen Eisenbahntunneln unter Weinbergen sei bei ihrer endgültigen Fertigstellung 1971 schon technisch überholt gewesen: Bereits 1962 hätten Experten mit weitaus stärkeren Atomwaffen als der Hiroshima-Bombe gerechnet - viel zu viel für den Bunker.

Das Bundesinnenministerium teilt der dpa mit Blick auf Fragen zu diesen Themen mit, damalige Unterlagen der Bundesverwaltung mit bleibendem Wert befänden sich inzwischen im Bundesarchiv. Dort seien sie einsehbar, solange sie nicht weiter der Geheimhaltung unterlägen. Die Fluchterwägungen des Bundes in den siebziger Jahren werden somit von dem Ministerium weder bestätigt noch dementiert.Laut Diester gab es einst sogar Medienberichte, „dass die Bundesregierung im Krisenfall auch mit der Lufthansa zu einem Ausweichsitz nach Orlando in Florida ausgeflogen werden sollte“. Dafür habe er aber bisher keine Belege im Bundesarchiv entdeckt. Das Bundesinnenministerium äußert sich dazu auf dpa-Anfrage nicht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Nach Angaben des Ministeriums kann ein heutiger Kriegsfall bedeuten, Bundesbehörden „an einen anderen, geschützteren Platz zu verlagern und die Amtsgeschäfte auch kurzfristig in besonders geschützten Räumen wahrzunehmen“. Das Bundesinnenministerium etwa betreibe wegen seiner „herausgehobenen Koordinierungsaufgaben“ neben einem „Lagezentrum im 24/7-Betrieb auch eigene, hinsichtlich Verfügbarkeit besonders abgesicherte IT-Infrastrukturen und hat eine Liegenschaft als Ausweichsitz ertüchtigt.“ Nähere Angaben dazu machte das Bundesinnenministerium nicht.

RND/dpa

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken