Boris Becker: Sein Schicksal liegt jetzt in den Händen der Jury
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Boris Becker auf dem Weg ins Gerichtsgebäude.
© Quelle: Tayfun Salci/ZUMA Press Wire/dpa
London. Wer eine unterhaltsame Abschlussrede von Richterin Deborah Taylor erwartet hatte, wurde am Mittwoch enttäuscht. Denn diese listete, ihrer Pflicht folgend, noch einmal betont nüchtern und mit sonorer Stimme auf, was Boris Becker, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung seit dem Beginn des Prozesses Ende März im Verlauf der Verhandlung vorgebracht hatten. Sie erwähnte seine Jugend als Tennisprofi, in welcher er gelernt haben soll, sich auf seine Berater zu verlassen. Konten und Anwesen, von deren Existenz Becker nichts gewusst haben will. Die Scham, die er verspürt haben soll, als es im Jahr 2017 schließlich zu der Bankrotterklärung kam.
Taylor schloss ihre Rede damit, dass die Jury nun auf der Grundlage des Gehörten entscheiden müsse. Seitdem liegt Beckers Schicksal in den Händen von elf Britinnen und Briten, die sich am Mittwochnachmittag zurückzogen und die Beratungen später auf den Donnerstag vertagten.
Der 54-jährige einstige Spitzensportler steht seit dem 21. März vor dem Southwark Crown Court vor Gericht, einer Institution, an welcher vornehmlich Betrugsfälle verhandelt werden. Ihm wird vorgeworfen, während eines Insolvenzverfahrens gegen ihn, das im Juni 2017 seinen Anfang nahm, Vermögenswerte nicht ordnungsgemäß angegeben zu haben, darunter unter anderem Davis-Cup-Medaillen, eine olympische Goldmedaille, eine Wohnung im Londoner Stadtteil Chelsea sowie zwei Wohnungen in Deutschland. Becker wies die 24 Anklagepunkte im Verlauf des Verfahrens immer wieder zurück. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft. Doch wie sehen und beurteilen die Mitglieder der Jury den Angeklagten Becker?
„Er beschuldigt alle, außer sich selbst“
Richterin Deborah Taylor wies schon am Anfang des Prozesses darauf hin, dass sich die elf Britinnen und Briten nicht von Beckers Prominenz beeindrucken lassen sollten. Beckers Verteidiger Jonathan Laidlaw berichtete im Verlauf seines Plädoyers außerdem erneut ausführlich von dessen Karriere, seinen Erfolgen und davon, dass er in den 1980er- und 90er-Jahren angeblich „das Herz der Briten stahl“. Könnte sich die Jury also doch von der Vergangenheit Beckers als Tennisstar beeinflussen lassen?
Prozessauftakt gegen Boris Becker: Es drohen bis zu sieben Jahre Haft
Am Montag startete in London der Prozess gegen Boris Becker – für den ehemaligen Tennis-Profi geht es um sehr viel.
© Quelle: Reuters
Womöglich übernimmt die Jury ein weiteres Bild, das die Verteidigung von Becker zeichnete. Das eines Mannes, der zwar ein großartiger Sportler gewesen sei, mit Geld jedoch schlicht nicht umgehen könne. Ein bisschen „messy“, also unorganisiert war und so den Überblick über seine Finanzen verloren habe. Demgegenüber steht die Linie der Staatsanwältin Rebecca Chalkley, die dem einstigen Tennisprofi vorwirft, dass er die Vermögenswerte absichtlich verschleiert habe, um sie vor der Insolvenzbehörde zu verbergen. Außerdem betonte sie, dass er „alle beschuldigt, außer sich selbst“. Ob es der Staatsanwaltschaft gelungen ist, ihm diesen Vorsatz nachzuweisen, ist Beobachtern zufolge jedoch fraglich. In anderen Worten: Es gibt eher Indizien, keine handfesten Beweise.
Richterin entscheidet bei Schuldspruch über das Strafmaß
Darüber hinaus müsse man den Fall laut Experten dort verorten, wo er spielt: in Großbritannien. Einem Land, in dem viele Menschen das Vertrauen in die Eliten längst verloren und Premier Boris Johnson die Latte durch immer neue Skandale immer tiefer gehängt habe, wie es Tim Durrant von der Denkfabrik „The Institute of Government“ beschreibt. Ob die Jury Boris Beckes vermeintliche Vergehen in diesem Kontext hart bestraft oder eher mit den Achseln zuckt, wird sich also zeigen müssen.
Wie lange die Juroren brauchen, um über den Fall zu entscheiden, ist unklar. Dies könne Minuten oder Tage dauern, sagte Staatsanwältin Chalkley. Experten betonten, dass Juroren bei einem unklaren Fall wie diesem eher dazu tendierten, den Angeklagten frei zu sprechen. Sollte Becker jedoch in einem der 24 Punkte schuldig gesprochen werden, stünden die Zeichen für ihn eher schlecht. Denn Richterin Taylor entscheidet am Ende über das Strafmaß und gilt dabei als knallhart. Schließlich war sie es, die Wikileaks-Gründer Julian Assange einst zu 50 Wochen Haft verurteilte. Doch jetzt sind erst einmal die Juroren dran – mit ihrem jeweiligen Blick auf Boris Becker, den Promi, den Angeklagten, den Menschen.