James Blunt: „Ich versaufe nicht den Profit“
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Bei den Aufnahmen zu seinem Debütalbum bot ihm „Star Wars“-Prinzessin Carrie Fisher Obdach: James Blunt ist Experte für das musikalische Liebesleiden – und hat sein privates Glück gefunden.
© Quelle: Warner Music
James Blunt, Sie leben mit Ihrer Frau Sofia Wellesley und Ihren zwei kleinen Söhnen überwiegend auf Ibiza. Haben Sie auch Weihnachten und den Jahreswechsel auf der Mittelmeerinsel verbracht?
Nein, wir waren schon den ganzen Herbst über in unserem Haus in London. Ich musste arbeiten. Besser gesagt: Ich wollte arbeiten. Die lange Zeit ohne Konzerte und so vieles, was ich liebe, war niederschmetternd genug. Es ist keine Arbeit für mich, in TV‑Shows in ganz Europa aufzutreten, wie gerade bei „The Voice of Germany“, und meine Lieder zu singen. Es ist eine Ehre und ein Privileg.
Trotzdem ist es besonders in Pandemiezeiten schon ganz praktisch, eine Villa auf den Balearen zu besitzen, oder?
Ja, das kann man schon sagen. Ein Lockdown auf Ibiza ist zwar auch ein Lockdown, aber er ist absolut erträglich im Vergleich. Ich gebe zu: Am Anfang der Pandemie dachte ich auch, wir hängen alle zusammen in der Sache drin und stehen es auch zusammen durch. So war es nicht. Wir gehörten zu den Glücklichen, wir hatten immer einen Garten und immer einen Pool. Auf der anderen Seite war es auch ganz gesund, wenn die Politik deine Arbeit als verzichtbar bewertet. Lastwagenfahrer und Ärztinnen waren und sind wichtiger als Popstars. Meine Arbeit ist für die Menschen nicht lebensnotwendig. Sie ist ein Bonus.
Zum ersten Mal nach 17 Jahren habe ich entdeckt, dass ich Kinder habe.
Haben Sie die Ruhe auch wertschätzen können?
Sehr sogar. Ich konnte zu Hause bleiben und Zeit mit meinen Kindern verbringen. Zum ersten Mal nach 17 Jahren habe ich entdeckt, dass ich Kinder habe. (lacht) Ich habe meine Frau so oft in der Vergangenheit belogen, wenn ich sagte: „Schatz, nächstes Jahr nehme ich frei.“ Und jetzt habe ich es wirklich getan. Und sie liebt mich immer noch!
Ihre Familie ist aber schon auch erleichtert, dass Sie wieder zur Arbeit gehen?
Das müssen Sie sie selbst fragen. Ich glaube, ganz unglücklich sind sie nicht darüber, dass ich wieder etwas zu tun habe.
Gab es den Plan, Ihre größten Hits auf einem Album zu versammeln, schon lange?
Nein, gar nicht. Diese Überlegung war auch so ein Pandemieding. Ich kramte durch meine alten Lieblingssongs, auch durch besondere Aufnahmen wie jene von meinem Auftritt beim Glastonbury-Festival, polierte ein paar alte, vergessene Demoversionen auf und band alles mit meinen sogenannten Hits zusammen auf diesem Album. Wenn Sie immer schon gewollt hätten, dass James Blunt nur ein einziges Album rausgebracht hätte, dann ist das hier ein Pflichtkauf für Sie. (lacht)
Können Sie eigentlich vorhersehen, welche Ihrer Songs Hits werden und welche nicht?
Ja und nein. Ich weiß, dass es mein Publikum mag, wenn ich ehrlich zu ihm bin. Die Fans mögen es nicht, wenn ich ihnen etwas vorspiele oder wenn ich gar versuche, andere Künstler zu kopieren. Die Debatte habe ich mit meiner Plattenfirma häufig, da hockt immer irgendjemand, der mir sagt „Produzier die Nummer doch mal wie so und so, dann läuft sie besser im Radio.“ Aber ich schreibe lieber Lieder wie „Monsters“.
In dem Song von Ihrem Album aus dem Jahr 2019 geht es um das Verhältnis zu Ihrem kranken Vater.
Genau. „Monsters“ hat einen Nerv getroffen. Bei dem Song merken alle sofort: Das ist echt. Die Songs, die am nächsten dran sind an mir und meinen Gefühlen, das sind meine besten.
Wie geht es Ihrem Vater denn aktuell?
Meinem Vater geht es so weit gut. Er hat eine zweite Spenderniere bekommen, ist am Leben und schlägt sich wacker.
Sie sind seit 17 Jahren sehr gut im Geschäft. Überrascht Sie Ihre eigene Beständigkeit?
Ich hatte viel Glück. „You’re Beautiful“ war einfach solch ein abartiger Erfolg, dass ich mit dem Song schnell eine ziemlich hohe Umlaufbahn erreichte. Und irgendwie habe ich mich oben halten können. Besonders Deutschland ist immer ein wunderbarer, warmer Ort für mich und meine Musik gewesen. Als Kind habe ich zwei Jahre am Möhnesee bei Dortmund verbracht und diese Zeit in der Natur und mit vielen famosen Menschen wirklich geliebt. Und heute ist Deutschland das Land, in dem ich mehr Konzerte spiele als irgendwo sonst.
Um welche Form von Druck geht es eigentlich in Ihrer aktuellen Single „Love Under Pressure“?
Ich habe die Nummer mit meinem Kollegen und guten Freund Jack Savoretti geschrieben. Wir unterhielten uns über den Druck, den ich seit dem Brexit habe, zwischen meinen Wohnsitzen auf Ibiza und in London zu pendeln, weil das neuerdings alles viel komplizierter ist. Und Jack meinte: Interessantes Thema, aber keins, für das sich mehr als fünf Leute interessieren. Also haben wir es wie ein Liebeslied aufgezogen.
Der Brexit führt zu nichts Gutem. Er macht nur Schwierigkeiten und Scherereien.
Wie sehr nervt Sie der Brexit?
Er führt zu nichts Gutem. Er macht nur Schwierigkeiten und Scherereien. Aber wir alle, die wir zwischen dem Schengenraum und Großbritannien weiter frei reisen möchten, und wer möchte das nicht, müssen uns mit den Gegebenheiten arrangieren. Ich denke, es wird eine steinige Zeit, bis wir die Trümmer beseitigt haben, die uns die Politik vor die Füße geworfen hat. Doch wir werden darüber hinwegkommen und unsere guten Freundschaften und Arbeitsbeziehungen auch weiterhin pflegen können. Ich werde jedenfalls weiter so oft ich kann nach Deutschland, nach Österreich, in die Schweiz sowieso, weil ich auch dort ein Haus habe, reisen.
Quasi als Zweitjob haben Sie sich vor einigen Jahren einen Pub gekauft. Wie läuft es mit dem The Fox & Pheasant im Londoner Stadtviertel Chelsea?
Exzellent. Die Atmosphäre in meinem Pub ist einfach fantastisch. Wir wohnen quasi um die Ecke, und ich bin bestimmt zwei- bis dreimal die Woche dort.
Sind Sie also Ihr eigener bester Kunde?
Ich gönne mir ein Pint, aber ich versaufe nicht den Profit. (lacht)
Warum haben Sie die Kneipe gekauft?
Das war kein Kindheitswunsch, sondern eine spontane Entscheidung. Ich hätte mir nie träumen lassen, mal einen Pub zu besitzen. Aber es war halt meine Stammkneipe, und nach 170 Jahren fiel das Lokal allmählich auseinander. Als ich hörte, dass es verkauft und in ein Wohnhaus umgebaut werden sollte, entschied ich mich, das Gebäude selbst zu kaufen und The Fox & Pheasant zu beschützen. Wir haben den Pub liebevoll restauriert und wirklich wunderschön gemacht. Die Pissoirs zum Beispiel sind die gleichen wie auch im Soho House in Berlin, und sogar das Essen ist richtig gut.
Sie kochen also nicht selbst?
Nein. Würde ich das tun, gäbe es an sieben Tagen in der Woche Pizza. Ich bin zwar Soldat, und ich glaube, dass sich jeder Kampf grundsätzlich lohnt. Doch in der Küche stehe ich definitiv auf verlorenem Posten.
Außerdem sind Sie nun Gastgeber einer Biershow auf Amazon Prime. Was hat man sich darunter vorzustellen?
Das ist nun wirklich mein absoluter Traumjob. Ich moderiere einen Bierbrauwettbewerb im Fernsehen. Ich denke, besser kann es nicht mehr werden.
Wenn alles gut geht, sind Sie ab Ende März auf Deutschland-Tournee. Werden Sie Ihr eigenes Bier dabeihaben?
Nein, ich gucke in jedem Ort, was es so gibt, was die lokale Spezialität ist. Wenn ich den Deutschen bei einer Sache zu hundert Prozent vertraue, dann beim Bier. (lacht)