Muss Boris Becker ins Gefängnis? „Chance für eine Bewährungsstrafe ist nicht sonderlich hoch“
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Die britische Justiz verkündet am Freitag das Urteil gegen den ehemaligen Tennisprofi Boris Becker.
© Quelle: Alberto Pezzali/AP/dpa
London. Tag der Entscheidung für Deutschlands ehemals großen Tennishelden: Am Freitag fällt um 13 Uhr am Southwark Crown Court in London das Urteil im Prozess gegen Boris Becker. Nachdem der 54-Jährige von der Jury in mehreren Punkten schuldig gesprochen worden war, ist jetzt die große Frage: Muss Becker ins Gefängnis, oder kommt er mit einer Bewährungsstrafe davon?
Für Promianwalt Paul Vogel scheint die Sache klar. Theoretisch sei zwar „alles möglich“, das Strafmaß momentan noch „reine Spekulation“, wie er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagt, aber: „Die Chance für eine Bewährungsstrafe ist nicht sonderlich hoch.“
Jury sprach Becker in mehreren Anklagepunkten schuldig
Eine Jury hatte Becker vor drei Wochen in vier Anklagepunkten schuldig gesprochen. Der Ex-Tennisstar hat demnach Teile seines Vermögens im Insolvenzverfahren bewusst nicht vollständig angegeben. Die Laienrichter sahen es als erwiesen an, dass der 54-Jährige unter anderem eine Immobilie in seinem Heimatort Leimen verschleiert und unerlaubterweise hohe Summen auf andere Konten überwiesen hat.
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Der Berliner Promianwalt Paul Vogel ist Experte in englischem Recht.
© Quelle: privat
Die Staatsanwaltschaft hatte Becker insgesamt 24 Anklagepunkte vorgeworfen. Unter anderem habe er seinem Insolvenzverwalter zahlreiche Wertgegenstände verschwiegen und gebe nun seinen Beratern die Schuld daran, die sich ihm zufolge um seine Finanzen gekümmert hatten. Becker selbst stritt die Vorwürfe ab. Der Verteidiger der Tennislegende erklärte, sein Mandant sei zwar naiv, aber unschuldig. In 20 von 24 Punkten folgte die Jury dieser Argumentation, auch bei der Frage nach verschwundenen Pokalen.
Welches Strafmaß droht Becker?
Doch der Schuldspruch in vier Punkten könnte ausreichen, um Beckers Leben nachhaltig zu verändern. Vogel, der Experte auf dem Gebiet englisches Recht ist und mit seiner Berliner Kanzlei auch eine Niederlassung in London unterhält, berichtet von seinen Informationen aus Großbritannien: „Aus Londoner Justizkreisen wurde wiederholt von einer zweijährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung gesprochen, teilweise aber auch von drei bis fünf Jahren ohne Bewährung.“
Die Höchststrafe, die in Beckers Fall bei sieben Jahren liegen würde, hält der Promianwalt dagegen für ausgeschlossen. Ihm seien auch vergleichbare Fälle bekannt, in denen bei ähnlichen Konstellationen und guter Verteidigung eine Bewährungsstrafe ausgesprochen wurde – „aber auch solche mit langjährigen Haftstrafen“, so Vogel.
Richterin verurteilte bereits Julian Assange
Gegen eine Bewährungsstrafe spreche auch noch etwas anderes: „Die Richterin ist als streng bekannt“, sagt Vogel über Deborah Taylor. Sie hatte im Januar Wikileaks-Gründer Julian Assange zu 50 Wochen Haft verurteilt und sei dabei knallhart geblieben. Bei Becker habe ihre letzte Wortmeldung zwar „gnädiger“ gewirkt, ein Freifahrtschein sei das aber noch lange nicht, so Promianwalt Vogel. „Der Jury gegenüber hat die Richterin betont, man müsse die Berühmtheit des Angeklagten ignorieren und ihn wie jemanden behandeln, von dem man noch nie gehört habe.“
Ob die Aussage ernst zu nehmen sei oder nur eine Äußerung, mit der sie ihre Unvoreingenommenheit unterstreichen wollte, um dann doch anders zu urteilen, ist für Vogel unklar. Er betont jedoch, es gebe auch Stimmen, „die der Meinung sind, dass es Prominente bei ihr schwer haben, und die befürchten, dass man hier ein Exempel statuieren könne“.
Boris Becker vor Urteilsverkündung: Gefängnis oder Bewährung?
Am Freitag fällt am Southwark Crown Court in London das Urteil im Prozess gegen Boris Becker. Ein Promianwalt gibt eine Einschätzung zur möglichen Strafe ab.
© Quelle: RND
Promianwalt: Bewährung wäre „Einschränkung für alle Lebensbereiche“
Im Falle einer Freiheitsstrafe würde Becker laut dem Rechtsexperten wohl in London bleiben. Vieles spreche für eine „vorläufige“ Unterbringung im Gefängnis Wandsworth in Südlondon, sagt Vogel. Theoretisch bestehe aber auch die Möglichkeit einer Auslieferung nach Deutschland, vor allem bei einer langen Haftstrafe. „Zwar hat Deutschland angekündigt, dass es nach dem Brexit keine Staatsbürger mehr an das Vereinigte Königreich ausliefern wird, die hier vorliegende andere Konstellation bleibt aber unberührt.“
Und was ist, wenn der jüngste Wimbledon-Sieger aller Zeiten am Ende doch eine Bewährungsstrafe erhält? Dies würde „grundsätzlich eine Einschränkung für alle Lebensbereiche“ bedeuten, weiß der Promianwalt. Welche Auflagen dann für Becker gelten würden – etwa jeden Wohnsitzwechsel zu melden, gemeinnützige Arbeit oder eine finanzielle Zahlung im Rahmen der Möglichkeiten zu leisten –, liege aber im Ermessen des Gerichts. Bei wichtigen beruflichen Terminen im Ausland könne auch selbst bei entgegenstehenden Bewährungsauflagen eine anwaltliche Lösung für den Einzelfall ausgehandelt werden, so der Rechtsexperte.
Kurzum: „Gleichgültig, wie man das Verhalten von Boris Becker juristisch wertet, sollte er durch eine Bewährungsstrafe keine neuen familiären oder beruflichen Nachteile erhalten“, sagt Vogel. Mehr noch gebe es sogar „gute Möglichkeiten, so umzuplanen, dass sich diese Nachteile nicht auswirken“. Dennoch sollte Becker genau auf die Einhaltung etwaiger Auflagen achten, mahnt er. Dafür gibt er ihm einen einfachen Tipp mit auf den Weg: „Im Zweifel lieber zweimal nachfragen.“
Mit dpa