Queen distanziert sich, Missbrauchsprozess zugelassen: Wie geht es für Prinz Andrew weiter?
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Der britische Prinz Andrew.
© Quelle: imago images/impress picture
New York. Die Entscheidung eines US-Richters, den Zivilprozess gegen den britischen Prinzen Andrew zuzulassen, war eine schlechte Nachricht für den Sohn von Königin Elizabeth II. Sie sagt allerdings wenig über die Erfolgschancen von Klägerin Virginia Giuffre aus. Auch wenn Andrew die Vorwürfe kategorisch abstreitet, ging der Palast nun auf Distanz zu ihm. Ein Blick auf die Entscheidung und den aktuellen Stand.
Was hat der Richter entschieden?
Giuffre hat Andrew im vergangenen Jahr wegen sexuellen Missbrauchs verklagt, den der mit dem Prinzen befreundete Millionär Jeffrey Epstein und dessen Freundin Ghislaine Maxwell arrangiert hätten. Die Entscheidung von Richter Lewis Kaplan bezog sich nicht auf die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe gegen den Prinzen, sondern es ging um rechtliche Einwände von Andrews Anwälten und deren Antrag, die Klage bereits in diesem äußerst frühen Stadium zurückzuweisen.
Sie argumentierten, Giuffre habe eine ähnliche Klage gegen Epstein 2009 gegen die Zahlung von 500.000 Dollar beigelegt und dabei auf das Recht verzichtet, andere potenzielle Beklagte zu belangen. Außerdem stellten sie die Zulässigkeit eines Gesetzes des Staates New York in Frage, das die übliche Verjährungsfrist für Klagen von Opfern sexuellen Missbrauchs in der Kindheit vorübergehend aufhebt.
Was geschieht als nächstes?
Andrews Anwälte könnten Berufung gegen die Entscheidung von Richter Kaplan einlegen. Außerdem haben sie noch Möglichkeiten für Anträge, die Klage aus anderen Gründen zurückzuweisen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens müssen die beiden Seiten potenzielle Beweismittel austauschen - wie E-Mails, Textnachrichten und Telefonaufzeichnungen - und sich einer Befragung unterziehen, bei der die Anwälte potenzielle Prozesszeugen befragen können.
Giuffre hat bereits viele Vernehmungen in Prozessen gegen Maxwell und andere Personen hinter sich. Andrew ist dagegen noch nie unter Eid zu der Sache befragt worden und möglicherweise will er das unter allen Umständen vermeiden.
Sobald die Beweisaufnahme abgeschlossen ist, stellen die Verteidiger oft einen neuen Antrag, den Fall aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse zu verwerfen. Der Richter trifft dann Entscheidungen, die den Anwälten helfen können, die Risiken eines Prozesses zu verstehen.Er entscheidet auch, welche Beweise den Geschworenen vorgelegt werden können, so dass die Anwälte eine weitere Gelegenheit haben, ihre Chancen auf einen Sieg vor den Geschworenen einzuschätzen.
Wie wahrscheinlich ist ein Prozess in den USA im Moment?
„Ich halte einen Prozess für sehr wahrscheinlich, fast für sicher“, sagt Rechtsexperte und Anwalt Neama Rahmani, ein ehemaliger US-Bundesanwalt. Meistens würden zivile Klagen außergerichtlich geklärt - dieser Fall aber liegt Rahmanis Meinung nach anders. Viele Opfer wollten nicht öffentlich aussagen, Giuffre dagegen sei sehr offen mit ihren Anschuldigungen umgegangen und wolle ihre Geschichte erzählen. Zudem sei ein Prozess ihre beste Möglichkeit, eine große Summe an Schadenersatz zu bekommen.
Die profilierte Anwältin Sarah Krissoff sieht die Möglichkeit eines zivilen Verfahrens dagegen deutlich skeptischer. Sie merkt an, dass Prinz Andrew ein großes Interesse an einer außergerichtlichen Einigung haben sollte, um peinliche detaillierte Schilderungen vor Gericht zu vermeiden. Deshalb könne er Giuffre womöglich einen guten Deal vorschlagen.
Wann könnte ein mögliches Gerichtsverfahren starten?
Bei einer Anhörung im November hatte Richter Lewis Kaplan den Herbst 2022 als mögliches Datum für ein Hauptverfahren genannt.
Mit welchem Richterspruch könnte Prinz Andrew rechnen?
Da es sich um eine Zivilklage handelt, kann es für Andrew neben einem weiteren Imageschaden nur um finanzielle Konsequenzen gehen. Jegliche geldwerten Besitztümer des Royals in den USA sowie Konten könnten für diesen Zweck dann ins Visier der Justiz geraten - sofern Virginia Giuffre Recht bekommt. Haftstrafen oder Ähnliches sind aber nur in einem Strafprozess möglich.
Kann er das überhaupt bezahlen?
Die Queen wird Andrew mit keinem Penny unterstützen. Er werde sich als „privater Bürger“ verteidigen, hieß es knapp vom Palast. Frisches Geld will der Prinz der „Sun“ zufolge aus dem Verkauf seines Chalets in der Schweiz schöpfen, der ihm mindestens 15 Millionen Pfund einbringen könnte.
Ist Prinz Andrew jetzt nicht mehr Teil der Royal Family?
Andrew musste all seine militärischen Dienstgrade und royale Schirmherrschaften an die Queen zurückgeben. Auch seinen Titel „His Royal Highness“ wird er nicht mehr tragen. Sein Platz in der Thronfolge bleibt ihm noch - auf Rang Neun allerdings kaum mit realistischen Chancen. Viel weiter hätte die Queen nicht gehen können, um sich und die Krone von dem Skandal zu distanzieren.
Warum entscheidet Queen Elizabeth II. gerade jetzt so?
Seit ein Prozess gegen Andrew in greifbare Nähe gerückt ist, hat der öffentliche Druck deutlich zugenommen. Mehr als 150 Militärveteranen forderten die Queen auf, Andrew alle militärischen Rollen zu entziehen - was sie als Oberbefehlshaberin der Streitkräfte binnen Stunden tat. Die „Times“ wertet das als Signal, dass die Monarchin endgültig die Geduld verloren hat. In der Vergangenheit wurde Andrew noch oft als Lieblingskind der Queen bezeichnet.
Kommt so etwas häufiger vor?
Nein. Dass das Königshaus ein hochrangiges Mitglied der eigenen Familie so demontiert, ist außergewöhnlich. Dennoch ist es nicht allzu lange her, dass ein anderes Mitglied seine militärischen Dienstgrade zurückgeben musste: Auch Prinz Harry wurde dieses Schicksal zuteil, als er sich mit Ehefrau Herzogin Meghan von den Aufgaben als Royal zurückzog und nach Kalifornien auswanderte.
Welche Optionen hat Andrew nun?
Theoretisch könnte der 61-Jährige mit dem US-Gericht zusammenarbeiten und versuchen, seine Unschuld zu beweisen. Experte Rahmani hält das aber für sehr unwahrscheinlich: Erstens sei Andrew nicht verpflichtet, in die Vereinigten Staaten zu reisen und könnte auch zu keiner Kooperation gezwungen werden. Zweitens berge jede Zusammenarbeit das Risiko, sich angreifbar für eine Strafanklage zu machen.
Es gibt also keine Möglichkeit, dass US-Behörden eine Auslieferung des Prinzen ersuchen könnten?
Zumindest nicht in Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Zivilverfahren.
Kann Andrew zu einer Aussage unter Eid gezwungen werden?
Auch das ist Rahmani zufolge nicht möglich. Der Duke of York könne zwar vom Richter zu einer Aussage aufgefordert werden. Doch wenn dieser nicht folge, bleibe dem Gericht höchstens übrig, der Jury die Anweisung zu erteilen, davon auszugehen, dass Prinz Andrew seine Aussage geschadet hätte.
Gibt es auch noch die Möglichkeit eines Strafprozesses?
Anwältin Krissoff gibt zu bedenken, dass die rechtlichen Hürden für eine Strafanklage auf US-Bundesebene sehr hoch seien. Kollege Rahmani spricht demgegenüber davon, dass dies „sicherlich eine Möglichkeit“ sei. Ermittler hatten nach der Festnahme Jeffrey Epsteins das Gespräch zu Andrew als Zeugen gesucht, dies fand aber nie statt. Ob Staatsanwälte gezielt gegen ihn ermitteln oder ob es gar eine nicht-veröffentlichte Anklage gibt, ist unklar. „Ich gehe davon aus, dass die US-Staatsanwaltschaft, wenn es genügend glaubwürdige Beweise gibt, jeden anklagen wird, der an dem sexuellen Missbrauch mit Epstein beteiligt war - ob es nun Prinz Andrew oder jemand Anderes ist“, sagt Rahmani.
Wie wird es ausgehen?
Abgesehen von einer Abweisung enden die meisten Zivilprozesse in den USA in irgendeiner Form mit einem Vergleich. So haben zum Beispiel Dutzende Frauen Epstein oder den früheren Filmmogul Harvey Weinstein verklagt. Doch noch nicht eine dieser Klagen hat zu einem Prozess geführt.
RND/AP/dpa