Youtuber und das Gesetz: eine schwierige Beziehung
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Survival Mattin muss sein „Shelter“ abreißen.
© Quelle: youtube.com/@SurvivalMattin
Hannover. Survival Mattin ist traurig. Es sei ein „Lebenstraum“ gewesen, sagt der Youtuber, den er mit „Herzschmerz“ jetzt beenden müsse. Ein Projekt, in das er viele Jahre Arbeit gesteckt habe, sei von einem Tag auf den anderen geplatzt. Nur eines bleibe dem Influencer noch: der endgültige Abriss.
Es geht um das „Shelter“, wie Survival Mattin es nennt. Ein Ort, mitten im Wald, im absoluten Nirgendwo, bestehend aus einem selbst gebauten Bunker, einem Feuerplatz und verschiedenen kleinen Holzbauten – darunter eine Hütte, gezimmert aus Baumstämmen aus dem Wald.
Mattin hat all das gebaut, weil der Videomacher eines der Aushängeschilder der Survival-Community auf der Plattform Youtube ist. Eine inzwischen riesige Fangemeinde, die nicht zuletzt dem Format „7. vs. Wild“ zu enormem Erfolg verholfen hat. Die Protagonistinnen und Protagonisten der Szene zeigen in ihren Videos, wie sie ohne Ausrüstung im Wald überleben, mit den eigenen Händen Dinge bauen oder tagelang durch die Wildnis wandern. Survival Mattin hat mehr als eine Million Abonnentinnen und Abonnenten.
Das Problem an diesem Hobby: Es ist nicht immer ganz legal. Das Bauamt hat Wind von Mattins Unterschlupf bekommen – weil keine Baugenehmigung dafür vorliegt, müssen alle Bauten inklusive des Bunkers abgerissen werden. Das sei schmerzhaft, erklärt der Youtuber in einem Video – nicht zuletzt weil auch viel Geld in das Projekt geflossen sei und noch mal einiges für den Abriss draufgehen werde.
Die rechtliche Situation sei ihm von Anfang an klar gewesen, erklärt der Survival-Experte. Um den genauen Ort des „Shelters“ habe er deshalb stets ein großes Geheimnis gemacht, seiner Community habe er etwa erzählt, der Ort befinde sich in Polen. Die deutschen Behörden bekamen trotzdem Wind davon – und verschickten Post. Selbst wenn er versucht hätte, eine Baugenehmigung zu bekommen, wäre das aussichtslos gewesen, ist sich Survival Mattin sicher – für Bunker gebe es schlichtweg keine Genehmigung. Den Behörden mache er keine Vorwürfe.
Youtuber und das Gesetz
Der „Shelter“-Abriss von Survival Mattin ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren waren immer wieder Youtuber mit dem deutschen Gesetz aneinandergeraten – nicht selten hatte das mit den teils ungewöhnlichen Leidenschaften zu tun, die sie auf ihren Kanälen präsentieren. Was Spaß macht, muss nicht immer auch erlaubt sein.
In manchen Fällen übertrieben es die Influencer aber auch völlig – nicht zuletzt, weil gezielte Grenzüberschreitungen jede Menge Klicks bringen. Nicht wenige machten ihren Ärger mit dem Gesetz später auf ihrem Youtube-Kanal öffentlich – und fachten den Zoff mit den Behörden dadurch erst recht an.
Eine Zusammenstellung der prominentesten – und ungewöhnlichsten – Fälle.
Youtuber fälscht Doktortitel
Sogenannte Selbstexperimente sind ein ganz eigenes Genre auf Youtube. Inspiriert von der US-Youtube-Ikone MrBest begeben sich insbesondere junge Männer auf möglichst originelle Selbstversuchserfahrungen – mal sind sie lustig und kreativ, manchmal unvernünftig und waghalsig.
Der Youtuber Marvin Wildhage wollte 2020 ausprobieren, wie es eigentlich wäre, sich selbst einen Doktortitel zu erschleichen. Das Problem: Es hat geklappt. Das Experiment endete schließlich mit einem Eintrag des Titels im Ausweis des Youtubers.
Die Urkunde dafür war gefälscht, die Uni auf dem Dokument hatte es nie gegeben. Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Videomacher wegen Urkundenfälschung und mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Geldstrafe von 3200 Euro.
Wildhage berief sich seinerzeit auf seine angeblich journalistische Tätigkeit – das Video habe schließlich nur der Aufklärung gedient. Gar von einem „Präzedenzfall für angehende Journalisten“, sprach der Youtuber, „was man im journalistischen Rahmen alles machen darf und was nicht.“
Das allerdings ist längst geklärt – und auch Wildhage hätte das wissen können. Das Fälschen eines Doktortitels bis hin zur Eintragung in den eigenen Personalausweis gehört sicher nicht zu den journalistischen Freiheiten.
JP Performance: mit 140 durch die Ortschaft
Der bekannte Youtuber Jean-Pierre Kraemer ist einer der Hauptvertreter der Auto-Community auf Youtube. Auf seinem Kanal zeigt der 42-Jährige schnelle Karren und ihre Umbauten – 2,3 Millionen Menschen folgen ihm. Fans des Youtubers lieben quietschende Reifen und ordentlich PS unter der Haube.
Im Sommer 2020 wollte Kraemer genau diese PS unter Beweis stellen – mit einem Porsche Taycan. Am helllichten Tag bretterte der Youtuber mit satten 142 km/h durch eine geschlossene Ortschaft im beschaulichen Sauerland.
Zu sehen war all das natürlich auf einem Video – die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin die Ermittlungen auf. Kraemer wurde verurteilt, legte Einspruch ein und erhielt schließlich ein dreimonatiges Fahrverbot und 1200 Euro Strafe. Zum Fall äußerte sich der Youtuber nicht öffentlich.
Fritz Meinecke: Polizisten gefilmt und veröffentlicht
Ganz anders Fritz Meinecke, der neben Survival Mattin der wohl bekannteste Survival-Youtuber und Initiator der Show „7 vs. Wild“ ist. Auch er hatte wegen eines Verkehrsdelikts Probleme, das allerdings inhaltlich nichts mit dem Youtube-Kanal des 33-Jährigen zu tun hatte. Zum handfesten Problem wurde der Fall erst, als Meinecke ihn auf seiner Plattform thematisierte.
Meinecke hatte, so sehen es Polizei und Staatsanwaltschaft, in Köln ein illegales Autorennen veranstaltet. Nach der Kontrolle durch die Polizei verlor der Youtuber seinen Führerschein – und sein Auto. Meinecke bestritt die Tat bis zuletzt. Er habe lediglich versucht, ein neben ihm fahrendes Auto nach einer Ampel zu überholen, weil er sich falsch eingeordnet habe.
Auf seinem Youtube-Kanal ließ Meinecke daraufhin seinem Ärger freien Lauf. Er echauffierte sich über das Verhalten der Polizei – und zeigte sogar Ausschnitte aus der Kontrolle.
Den Behörden gefiel das gar nicht. Das Kölner Amtsgericht verurteilte den Youtuber schließlich zu einer Geldstrafe von 60.000 Euro. Zusätzlich zum Autorennen habe er sich strafbar gemacht, weil er das Video mit den Polizisten auf seinem Kanal öffentlich gemacht hatte. Der Clip ist heute nicht mehr auf Youtube verfügbar.
Julien und die Volksverhetzung
Keinen guten Ruf hat auf Youtube die Szene der sogenannten „Meinungsblogger“. Auch hier sind es oftmals junge Männer, die vor bunten Neonlampen ihre Meinungen zu Youtube-Beefs und Weltgeschehen zum Besten geben. Nicht selten sind diese Einlassungen betont politisch unkorrekt, reaktionär, sexistisch oder gleich handfestes Mobbing. Seit Jahren arbeiten sich einige dieser Blogger an ihrer Reizfigur, dem Youtuber Drachenlord, ab.
Ein fast schon historischer Fall ist der des Youtubers Juliensblog, der heute kaum noch auf der Plattform aktiv ist. Dieser war im Jahre 2016 wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung und 15.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Auf seinem Kanal mit damals fast 1,3 Millionen Followern hatte er angesichts von Bahnstreiks die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer aufs Übelste beleidigt.
Die Hasstirade endete in der Forderung: „Vergasen sollte man die Mistviecher“ und dem Statement: „Wisst ihr noch, wie die Juden mit Zügen nach Auschwitz transportiert wurden? Man sollte die Zugführer da hinbringen. Ich fahr’ den Zug und zwar umsonst. Und ohne zu streiken.“ Die letzten Sätze unterlegte er mit Bildern von Menschen, Zügen und Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz. Der Youtuber argumentierte vor Gericht, der Satz sei „witzig gemeint“ gewesen. Eine Begründung, die das Gericht nicht gelten ließ.
Ein Bomben-Prank und seine Folgen
Ein Genre, das inzwischen fast gänzlich von Youtube verschwunden oder zumindest nicht mehr sonderlich erfolgreich ist: Die sogenannten Pranks. Über Jahre hinweg überboten sich Youtuberinnen und Youtuber mit vermeintlich lustigen Scherzen an ihrer Familie oder ihren Partnern und Partnerinnen. Zu nennen wäre da etwa der sogenannte „Gay-Prank“ des Youtubers Mert Matan, der seinem Vater vorspielte, homosexuell zu sein – und daraufhin fast verprügelt wurde. Das Video löste seinerzeit eine große Debatte über LGBTQ-Feindlichkeit innerhalb der Community aus.
Drastischere Folgen hatte aber der „Prank“ des Youtubers Apo Red. Der heute 28-Jährige stand 2018 vor Gericht, weil er Menschen für eines dieser Scherzvideos mit einer angeblichen Bombe vor einer Hamburger Sparkasse verschreckt hatte. Dafür hatte er eine schwarze Tasche neben einen Geldautomaten gelegt und gerufen: „30 Sekunden habt ihr alle Zeit, lauft lieber, wenn euch euer Leben etwas wert ist!“
All das geschah nur einige Monate nach den islamistischen Attentaten in Paris und Brüssel. Die Opfer des Scherzes litten nach Angaben der Staatsanwaltschaft unter länger andauernden Schlafstörungen und Ängsten. Apo Red wurde zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten sowie 200 Stunden Sozialarbeit verurteilt.