Ansturm von Ausflüglern mit 9-Euro-Tickets erwartet – wo es voll werden könnte
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Reisende gehen auf der Nordseeinsel im Bahnhof Westerland an einem Zug der Deutschen Bahn entlang. Das geplante 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr wird im Norden nicht nur positiv gesehen. Etwa auf der Insel Sylt machen sich die Verantwortlichen Sorgen, weil unter anderem die Strecke zwischen dem Festland und der Insel mit dem Nadelöhr Hindenburgdamm voraussichtlich noch stärker frequentiert sein wird, als üblich.
© Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa
München. In Zügen und Bussen zu Ausflugszielen in Bayern sowie an der Nordsee und Ostsee dürfte es in den kommenden Monaten mitunter sehr voll werden. Der Bundesrat stimmte der Finanzierung des 9-Euro-Tickets am Freitag zu, auch mit der Stimme Bayerns, und machte damit den Weg für Start am 1. Juni frei. Die Deutsche Bahn beginnt am Montag mit dem Vorverkauf, mancherorts läuft er schon. Eigentlich will die Bundesregierung mit dem günstigen Monatsfahrschein die Pendlerinnen und Pendler von den hohen Spritkosten entlasten. Aber die Bahnen erwarten einen Ansturm von Ausflüglern.
9-Euro-Ticket: Wo es überall voll werden kann
Da das Ticket in die Ferienzeit fällt, könnten viele Menschen es für Ausflüge nutzen. Die tatsächliche Nachfrage könne man wie alle anderen aber nicht abschätzen, heißt es beim Verkehrsverbund NVV. Es sei davon auszugehen, dass besonders touristische Ziele ausgewählt würden. An den Wochenenden würden voraussichtlich größere Züge angeboten. „Aber das ist nicht überall möglich, weil Personal und zusätzliche Fahrzeuge immer Mangelware sind“, teilte der NVV auf Anfrage mit.
Die Bundesregierung sieht die Verkehrsträger in der Pflicht, dass es keine Überlastung gibt: „Der Bund geht davon aus, dass die Verkehre entsprechend organisiert werden“, heißt es auf der Website des Verkehrsministeriums.
Die Bayerische Oberlandbahn hat derweilen schon Anfragen aus Norddeutschland, ob man mit dem 9-Euro-Ticket auch über die Grenze nach Österreich fahren kann. „Ja, man kann bis Kufstein und Salzburg fahren“, sagte Sprecherin Annette Luckner. „Aber nur bis zum Bahnhof, nicht weiter im Verbundgebiet.“ Auch bei der Zugspitzbahn haben Schnäppchenjäger schon angerufen in der Hoffnung, sich den Fahrpreis von 63 Euro sparen zu können. „Sie träumen wohl“, sagte eine Mitarbeiterin und lachte. Immerhin - auf den ersten sechs Kilometern der Zahnradbahn, von Garmisch-Partenkichen bis Grainau, gilt das 9-Euro-Ticket: Diese Strecke gehört noch zum öffentlichen Nahverkehr.
Nordsee und Ostsee: Vor allem Sylt bereitet das 9-Euro-Ticket sorgen
Die Westfalenbahn stellt sich auf mehr Urlaubs- und Ausflugsverkehr „in Richtung Ostfriesland und Nordsee ein, auch weil der RE 15 in Emden Anschluss an die Fähren nach Borkum bietet“. Und schon lange vor bevor der Bundesrat der Finanzierung zustimmte, sorgte sich Sylt über einen Ansturm auf die Nordseeinsel: „Wir rechnen während des Aktionszeitraums mit erhöhtem Fahrgastaufkommen – sowohl in den Zügen der Marschbahnstrecke von Hamburg nach Sylt als auch in den Bussen auf der Insel“, sagte der Geschäftsführer der Sylt Marketing, Moritz Luft, der Deutschen Presse-Agentur.
Da diese in den Sommermonaten zeitweise ohnehin schon an der Kapazitätsgrenze seien, „sehen wir die Insel nicht optimal (aus-)gerüstet für das 9-Euro-Ticket und den damit verbundenen zu erwartenden Ansturm“, sagte Luft. Er appellierte an Reisende, bei ihrer An- und Abreise möglichst auf Randzeiten ausweichen und dabei auf die Reisezeitempfehlungen des Nahverkehrsverbundes Nah.SH achten.
Hier könnte es in Bayern besonders voll werden
Der Münchner Verkehrsverbund MVV geht nicht davon aus, „dass es generell zu einer Überlastung kommt. Es lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass punktuell Engpässe auftreten, zum Beispiel in Fahrzeugen zu touristischen Zielen.“
Die Bayerische Oberlandbahn und die Bayerische Regiobahn warnen bereits davor, morgens und vormittags könnten die Züge von München und Augsburg Richtung Chiemsee, Alpen, Ammersee und Altmühltal recht voll werden. Und nachmittags die Züge zurück. In der großen Herde könnte „der Zug zur Sardinenbüchse“ werden. Ausflügler könnten sich nicht darauf verlassen, im letzten Zug zurück noch einen Platz zu bekommen. „Statt nach Tegernsee lieber mal nach Gaißach. Statt nach Füssen auf Schloss Neuschwanstein lieber mal ins Spargelmuseum nach Schrobenhausen“, raten die Bahnen jetzt per Faltblatt.
Mit dem Bayern-Ticket kann man jederzeit für 26 Euro plus 8 Euro je Mitfahrer einen Tag im ganzen Freistaat unterwegs sein - 78 Millionen Stück wurden vergangenes Jahr verkauft. Auf beliebten Ausflugstrecken wie zum Tegernsee sind die Züge auch unter der Woche jetzt schon gut besetzt - und das 9-Euro-Ticket und die Sommerferien kommen erst noch.
Richtung Berge befürchtet der Fahrgastverband Pro Bahn sogar Chaos. Oberlandbahn-Sprecherin Luckner sagt: „Auf das Pfingstwochenende sind wir schon sehr gespannt. Wir schauen ein bissl mit Sorge drauf, was da passieren wird“.
Hund oder Fahrrad dabei? Das gilt bei Reisen mit dem 9-Euro-Ticket
Züge einfach zu verlängern, sei schon wegen der Bahnsteige oft nicht möglich: Die Fahrgäste in den hinteren Wagen könnten ja nicht im Gleisbett aus- und zusteigen. Auf eingleisigen Strecken gäbe es Probleme im Begegnungsverkehr. Und ohnehin stünden nicht viele Züge ungenutzt im Depot.
Die Deutsche Bahn leistet fast drei Viertel des Nah- und Regionalzugverkehrs in Bayern, dazu kommen noch rund 2900 Regio-Busse. „Von Juni bis August werden die Züge sehr voll werden“, teilte die die DB Regio mit. Die Mitnahme eines Fahrrades könne nicht garantiert werden, „Reisen mit Fahrrad an Feiertagen sollten sie vermeiden“.
Und für die 1,5 Millionen Hundehalter im Freistaat hat die DB noch den Hinweis parat: „Für Hunde kann grundsätzlich kein 9-Euro-Ticket erworben werden.“ Das Zamperl braucht eine reguläre Kinderfahrkarte - oder ein Bayern-Tagesticket, auf dem als Name „Hund“ einzutragen ist.
RND/bv/dpa