Lofoten in Norwegen: Reisende nutzen Natur zunehmend als Toilette
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Vor allem rund um den Strand von Kvalvika werden viele Fäkalien gefunden, das Trinkwasser in den Bächen und Flüssen drum herum ist mit Bakterien verschmutzt.
© Quelle: imago images/Julien Garcia
Der Klogang – etwas völlig Normales für den Menschen. Doch wohin, wenn man sich beim Wandern oder beim Wildcampen mitten in der Natur befindet? Für immer mehr Touristinnen und Touristen in Norwegen ist die Antwort: Urinieren und abstuhlen, wo man sich gerade befindet – zumindest auf den Lofoten.
Das hat das Norwegische Institut für Naturforschung (NINA) in einer Felduntersuchung festgestellt. Das Team war jeweils im Juni 2021 und im Juni 2022 im Nationalpark Lofotodden unterwegs und hat menschliche Abfälle gesucht. Im Juni 2021 fanden sie 63 Kotrückstände, ein Jahr später waren es 84 – eine Steigerung von 33 Prozent, wie der norwegische öffentlich-rechtliche Rundfunk NRK berichtet.
Nebst Kot findet Forscherteam Klopapier, Binden und Tampons
An den Untersuchungen beteiligt war Forscherin Rose Keller, die das Projekt Spurloser Lofotentourismus (im Original: Sporløs Lofotturisme) leitet, eine Initiative des Nationalparks mit NINA und der Universität für Umwelt- und Biowissenschaften in Ås bei Oslo. Keller sagte dem NRK, dass nur dann Hinterlassenschaften als menschlicher Kot eingestuft würden, wenn nebst dem Häuflein auch Klopapier, Damenbinden oder anderer Müll gefunden wird. Das heißt: Nicht nur, dass die Fäkalien in der Natur landen, die Menschen verschmutzen den Boden zudem mit Abfall, der Monate bis Jahrhunderte braucht, um zu verrotten.
Doch auch der Kot hat unschöne Folgen für die Natur und für andere Reisende in der Region. So ist es in Norwegen üblich, die Trinkflasche mit frischem Wasser aus Flüssen und Bächen aufzufüllen. Doch in den Kotrückständen fanden sich zahlreiche Bakterien, vor allem in dem bei Touristinnen und Touristen äußerst beliebten Gebiet rund um die Bucht Kvalvika. Die Flüsse dort sind aber auch die Toilettenhotspots.
Trinkwasser auf den Lofoten mit E. coli verseucht
„Die Menschen nehmen aus diesen Flüssen auch Trinkwasser, aber der Kot an diesen Stellen besteht zu 30 bis 50 Prozent aus Bakterien. Die Wasserproben aus 2021 haben gezeigt, dass das Vorkommen von E. coli in dem Gebiet sehr hoch ist“, sagt Keller. Auch für Wildtiere wie Elche und Rentiere sind die im Kot verbreiteten Bakterien eine Gefahr, sie können erkranken und im schlimmsten Fall sterben.
Bereits im vergangenen Jahr hat der Nationalpark reagiert und in den Besucherzentren Reine und Ramberg sogenannte WAG-Bags zum Verkauf angeboten. Die Tüten können für den Toilettengang genutzt werden, sie binden Flüssigkeit und lassen sich luftdicht verschließen, um üblen Geruch zu unterbinden. Sie können dann ganz normal in Abfalleimern am Wegesrand oder bei der Rückkehr entsorgt werden. Das Problem: Bisher wurde laut NRK keine einzige der speziellen Tüten verkauft.
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Seit Jahren ärgern sich Anwohnerinnen und Anwohner auf den Lofoten über den Müll, den Touristinnen und Touristen hinterlassen.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Toilettenkarte auf Google Maps soll Wildpinkelei vorbeugen
Zudem hat eine Initiative alle verfügbaren öffentlichen Toiletten auf den Lofoten bei Google Maps hinterlegt. Wer auf Google Maps ist, kann nun mit dem Stichwort „Toilette“ nach der nächsten Möglichkeit suchen. An einigen Orten werden diesen Sommer sogar Schulen geöffnet, damit Touristinnen und Touristen dort aufs Klo gehen können. Das Problem: Nicht immer sind alle Toiletten auch tatsächlich geöffnet und verfügbar, immer wieder stehen Reparaturen an.
Die Lofoten liegen bei Reisenden seit einigen Jahren im Trend ob der spektakulären Aussichten. Die Inselgruppe verspricht Natur mit atemberaubenden Fjorden, wunderschönen Stränden und viel Einsamkeit. Doch das war einmal, denn inzwischen sind die Lofoten auch als Massentourismusort bekannt. Für Anwohnerinnen und Anwohner wird der Tourismus deshalb zunehmend zur Belastung. Die Stimmung vor Ort kippte zuletzt. Waren es zunächst vor allem Reisende, die mit Autos, Wohnwagen und Wohnmobilen einfach in der Natur parkten und sie dadurch zerstörten, regen sich viele inzwischen eher über die Müllproblematik auf.
Massentourismus auf den Lofoten: Stimmung bei Anwohnern kippt
Vor allem jene, die mit den Reisenden kein Geld verdienen, fordern vehementer ein Vorgehen gegen den Massentourismus. In sozialen Medien teilen Menschen Bilder von ihren Gärten und Vorgärten, die von Touristinnen und Touristen als Toiletten oder zur Müllentsorgung genutzt werden. In einem Beitrag mit Hunderten Reaktionen schrieb ein Anwohner bereits 2017 zu einem Bild, das Kot in seinem Garten zeigt: „Die Lofoten sind schön. Die Lofoten sind voll von Natur und Leben. Die Lofoten sind für meinen Geschmack aber auch zerstört. Ich nehme mir die Freiheit zu sagen: Ich bin die Touristen hier wirklich leid.“
Ein anderer Anwohner schilderte vor drei Wochen dem NRK, dass er immer wieder Hinterlassenschaften aus seinem Garten holt. „Ich habe nicht wirklich viel Lust, das Zeug aufzusammeln“, sagte er. Außerdem habe er aufgehört, Obst wie Erdbeeren in seinem Garten anzupflanzen: „Ich verliere den Appetit, wenn ich nicht weiß, was die Leute hier in meinem Garten machen, während ich auf der Arbeit bin.“
RND/msk
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