Verheerende Zahlen: Tourismus auf dem Niveau von 1987
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Eine Frau geht durch einen leeren Flughafen (Archivbild). Wegen der Pandemie ging der internationale Tourismus 2021 gegenüber 2019 um 70 Prozent zurück.
© Quelle: Arne Dedert/dpa/dpa-tmn
Flugverbindungen sind reduziert, Hotelbetten stehen leer – und immer wieder gibt es neue Hürden für die Einreise in einzelne Staaten: Die Pandemie hat die Reisebranche weiterhin fest im Griff, wie die an diesem Freitag vorgestellte Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) zeigt. Demnach ist der internationale Tourismus im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2019 um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. „Er ist damit auf dem Niveau von 1987″, heißt es in der Analyse, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Weltweit lag die Zahl der Ankünfte von ausländischen Gästen 2021 bei rund 351 Millionen, hat die Forschungsgemeinschaft um den Tourismusexperten Prof. Martin Lohmann errechnet. Im Vorjahr waren es noch 381 Millionen Besucher. Zum Vergleich: Im letzten pandemiefreien Jahr 2019 lag diese Zahl bei 1,46 Milliarden.
Rückgang in der ganzen Reisebranche
Der Rückgang zur Vor-Corona-Zeit zeigt sich erwartungsgemäß auf breiter Front: Gegenüber 2019 verzeichneten die deutschen Reiseveranstalter ein Umsatzminus von 69 Prozent, die deutschen Flughäfen einen Passagierrückgang von 70 Prozent, Kreuzfahrtreedereien ein Buchungsminus von 75 Prozent. Und die Reisebüros hatten laut den vorliegenden Zahlen der ersten elf Monate einen Umsatzrückgang von 73 Prozent zum selben Zeitraum 2019 zu verzeichnen.
Weniger Übernachtungen
In Deutschland sank die Zahl der Übernachtungen von Januar bis Oktober 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um weitere 6 Prozent, nach einem Minus von 36 Prozent im Vorjahr. Demnach rechnen die Forscher für das gesamte Jahr 2021 mit 284 Millionen Übernachtungen (2020: 302). 2019 waren es noch 496 Millionen.
Bei den Urlaubsreisen sah die Entwicklung kaum anders aus: In den vergangenen beiden Jahren sind die Deutschen weniger verreist als zuvor – rund 50 Millionen Mal (minus 29 Prozent gegenüber 2019). Bei der Zahl der Kurzurlaubsreisen zwischen zwei und vier Tagen gab es 2021 mit 48 Millionen zwar ein Plus von 27 Prozent gegenüber 2020 – verglichen mit dem letzten coronafreien Jahr 2019 jedoch bedeutet dies ein Minus von 50 Prozent. Ein Rückgang sei in allen Bevölkerungsgruppen zu verzeichnen gewesen, heißt es in der Reiseanalyse 2022. „Besonders sank die Teilnahme an Urlaubsreisen bei Älteren über 60 Jahre und Personen aus Haushalten mit geringem Einkommen.“
Die Campingbranche hingegen profitiert von den Auswirkungen der Pandemie. Noch nie waren so viele Deutsche an Ferien mit einem Wohnmobil (15 Prozent) oder im Caravan (12 Prozent) interessiert.
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Camping statt Pauschalurlaub: Immer mehr Menschen mieten sich ein Wohnmobil.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Mehr jüngere Urlauber, weniger ältere
Geändert hat sich auch die Gästestruktur in den Zielgebieten, wie es Tourismusforscher Lohmann beschreibt: Unter den Urlaubsgästen in Baden-Württemberg etwa waren jüngere Urlauberinnen und Urlauber häufiger als vor der Pandemie. Und in Österreich gab es Zuwächse besonders in den mittleren Altersgruppen (30 bis 69 Jahre), während Seniorinnen und Senioren (70 und älter) seltener kamen.
Der Trend 2022: Große Lust auf Urlaub
Die Aussichten für dieses Jahr scheinen hingegen optimistisch: Mehr als vier von fünf Deutschen (82 Prozent) haben sich gedanklich bereits mit ihren Urlaubsreisen für 2022 befasst. „Die Urlaubslust ist mit 61 Prozent auf einem Höchststand“, heißt es in der Analyse. Im Vorjahr habe diese noch bei 51 Prozent gelegen. Auch die Faktoren Zeit (72 Prozent) und Geld (70 Prozent) zum Reisen werden so positiv wie nie zuvor eingeschätzt. „Insgesamt drücken diese Ergebnisse eine sehr positive Urlaubsstimmung aus“, resümiert die Forschungsgruppe um Tourismusforscher Lohmann. Deutlich werde ein großer Nachholbedarf. „Urlaubsreisen waren und bleiben für die meisten Deutschen ein unverzichtbarer Bestandteil der Lebensqualität.“
Ein erster Schritt zur Normalisierung
Ob all die geplanten Reisen auch wirklich stattfinden können, ist im dritten Pandemiejahr nach wie vor alles andere als sicher. Regeln in den einzelnen Ländern begrenzen auch die Zahl touristischer Angebote – Länder wie Australien und Japan versperren sich wegen Corona bis heute dem internationalen Tourismus. Trotz großer Urlaubslaune befürchtet die Forschungsgruppe insofern auch für 2022 eine geringere Nachfrage als 2019. Die Unwägbarkeit der wechselnden Vorschriften führe bei vielen Reisewilligen zum Abwarten bei der konkreten Reiseplanung und Buchung.
Die Tourismusnachfrage wird nach Corona nicht völlig anders als vor Corona.
FUR-Reiseanalyse
Dennoch sehen die Tourismusforscher im Gegensatz zu den vergangenen beiden Jahren einen Schritt hin zur Normalisierung der Reisebranche. Sie rechnen hierzulande mit 60 Millionen Urlaubsreisen, einem weiter hohen Anteil der Inlandsziele sowie jenen in Nachbarländern. Der Anteil der Flugreisen bleibe im Vergleich zu 2019 weiterhin gering.
Auf mittlere Sicht zeigt sich die Forschungsgemeinschaft optimistisch: „Die Tourismusnachfrage wird nach Corona nicht völlig anders als vor Corona.“ Die Pandemie habe nur zeitlich befristet Auswirkungen auf die Nachfrage in der Reisebranche.
Sollte sich das gesellschaftliche Leben wieder normalisieren, werde das Urlaubsreiseverhalten im nächsten Jahr wieder die Entwicklung aus der Zeit vor Corona einschlagen. „Der Wandel kommt vor allem durch Entwicklungen in den Rahmenbedingungen und im touristischen Angebot, etwa bei den Themen Nachhaltigkeit, technologischer Wandel und Personal.“
Die Reiseanalyse wird einmal jährlich von der FUR erstellt und gilt als eine Art Branchenbarometer. Eigentlich sollte sie an diesem Freitag auf der Reisemesse CMT in Stuttgart vorgestellt werden – die aber wurde pandemiebedingt abgesagt.