Was ist das Geheimnis hinter Griechenlands Tourismusboom?
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Oberhalb von Mykonos-Stadt, auf einer kleinen Landzunge gelegen, stehen die Windmühlen von Mykonos.
Herr Kikilias, was bedeutet der Tourismusrekord für Griechenland?
Dieses Jahr war ein Jahr mit unglaublichen Herausforderungen: Ein Krieg im Herzen Europas nach 80 Jahren, eine zweistellige Inflationsrate und eine Energiekrise, die Corona-Pandemie, die griechisch-türkischen Beziehungen. Wir hatten im Sommer sogar Probleme mit Quallen im Meer.
Und trotzdem: Es war ein fantastisches Jahr. Im Haushalt hatte das Finanzministerium 15 Milliarden Euro an Einnahmen veranschlagt – und wir werden wohl 18 Milliarden überschreiten. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt – ein Viertel der griechischen Wirtschaft hängt vom Tourismus ab.
Eines Ihrer großen Ziele ist es, die Saison bis in den Winter zu verlängern. Wird das 2023 gelingen?
Ich glaube, ja. Bei meinen jüngsten Reisen nach Deutschland, Frankreich, Österreich und in die Schweiz habe ich über die Möglichkeit gesprochen, die Energiekrise in eine Chance umzuwandeln, eine Win-win-Situation für alle. Nordeuropäische Rentner und digitale Nomaden können nach Griechenland kommen.
Unser Winter ist im Vergleich zu Nordeuropa sehr mild – während er bei uns nur 30 bis 40 Tage dauert, sind es in Deutschland sechs Monate. So müssen Deutsche nicht so lange Zeit für Elektrizität oder Gas zahlen. Auch das Leben allgemein ist bei uns günstiger mit deutschen Löhnen: Wasser, öffentliche Verkehrsmittel, Taxis, Lebensmittel oder in unseren kleinen Tavernen und Restaurants essen zu gehen.
Das allein reicht ja nicht – wird es genügend Flüge und geöffnete Hotels geben?
Es läuft gut, wir haben mit elf Fluggesellschaften einen Vertrag über die Zusammenarbeit mit der Nationalen Tourismusorganisation abgeschlossen. Sie werden sogar im November, Dezember, Januar, Februar und März mehr und öfter Ziele anfliegen.
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Griechenlands Tourismusminister Vassilis Kikilias bei einer Veranstaltung in Athen.
© Quelle: IMAGO/ANE Edition
Der Rest ist einfach: Es ist nicht so, dass wir versuchen, die Gesellschaft an einem abgelegenen Ort, an dem wir nur ein Resort haben, am Laufen zu halten. Nein, ganz im Gegenteil. Die Urlaubszentren mit den Hotels liegen in den Städten. So wie auf Rhodos, dort leben im Winter 130.000 Menschen. Die Restaurants, Kinos, Bars, Cafés und Sportplätze sind geöffnet für die einheimische Bevölkerung. Warum also nicht auch für die Reisenden?
Welche Reiseziele in Griechenland eignen sich am besten für die kältere Jahreszeit?
Da fällt mir die Wahl als Tourismusminister natürlich sehr schwer. Aber definitiv dazu gehören Athen und Thessaloniki. Aber auch die anderen großen Ziele mit Resorts und Hotels, wie Heraklion, Chania und Rethymnon auf Kreta oder Kos und Korfu.
Müssen sich Urlauberinnen und Urlauber 2023 angesichts der Inflation auf höhere Preise in Griechenland einstellen?
Ja, wir sehen einen Anstieg der Preise aufgrund der Energiekrise und der Inflation. Aber wir haben 124 griechische Inseln und unzählige Orte auf dem Festland. Einige der bekanntesten Inseln erfordern ein gewisses Einkommen, um dorthin zu gelangen. Aber es gibt auch alternative Reiseziele, die sehr, sehr schön und sehr, sehr günstig sind. Und ich glaube, die Deutschen sind begierig darauf, mehr dieser Reiseziele zu entdecken.
Nehmen wir das Beispiel Epirus. Die Region war noch vor 15, 20 Jahren mit die ärmste Region Europas. Heute ist sie beliebt bei Touristinnen und Touristen, sie genießen in Ionnina, Metsovo, Aristi, Papigo oder Molivdoskepasto günstigen Urlaub.
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Mikro Papigko ist ein historisches Bergdorf im griechischen Pindos-Gebirge in der Region Epirus.
© Quelle: IMAGO/NurPhoto
Könnte der Reiseboom aufgrund der Krisen 2023 nachlassen?
Nicht in Griechenland. Wir sind jetzt eine der fünf größten Marken der Welt, vielleicht die Nummer eins in Europa. Es wird Druck geben, ja. Aber unser Ziel ist nicht nur der Massentourismus, sondern auch der Qualitätstourismus. Wir arbeiten hart an dieser Strategie, mit großem Aufwand, Professionalität und Respekt vor den Touristinnen und Touristen.
Ein Beispiel: Während des Sommers hatten alle Flughäfen in Europa Probleme, weil die Fachleute sich nicht sicher waren, ob sich der Sektor so schnell erholen würde. Die Folge war, es fehlte vielerorts an Arbeitskräften und an der Koordination. Aber die griechischen Flughäfen haben großartige Arbeit geleistet – und deswegen konnten wir einen Anstieg von 5 Prozent bei den ankommenden Flügen verzeichnen.
Andere Länder in Europa können also etwas von Griechenland lernen? Was ist das Geheimnis hinter dem Tourismusboom?
Nun, wir sind bescheiden und wollen nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Im Gegenteil, wir respektieren alle Kulturen sowie die Art und Weise, in der sie ihre Geschäfte betrieben haben.
Uns zeichnen zwei Dinge aus. Erstens: Es ist das tiefe innere Bedürfnis der Griechen, von der Antike bis heute, Reisende und Touristen zu beherbergen. Das ist ein Teil unserer DNA, Teil unserer Kultur. Darauf sind wir sehr stolz.
Zweitens: Griechenland hat es geschafft, dass alle großen Marken in Griechenland investieren: Six Senses, Hyatt, Mandarin Oriental, One and Only, Marriott, Brown, W Hotels, Accor. Sie haben Hotels und Resorts gebaut und sie aufgewertet, von drei auf vier Sterne, von vier auf fünf oder sechs Sterne.
Beim Investieren geht es heutzutage immer auch um Nachhaltigkeit. Was unternimmt die Regierung, damit die Reisebranche die Umwelt weniger belastet?
Wir werden in 2023 wichtige und signifikante Schritte machen, um unser Land in ein umweltfreundliches Reiseziel zu verwandeln – mit sauberen Stränden, grünen Gemeinden, dem Verbot von Plastik sowie der Umstellung auf Elektroroller und Elektroautos auf den Inseln.
Die griechische Regierung unterstützt Hoteliers, Resorts und Restaurants bei Investitionen in grüne Energie, in Müllvermeidung sowie in niedrigeren Energie- und Wasserverbrauch. Es gibt auch viele Programme für saubere Strände und Yachthäfen.
Wir verwandeln zudem kleine Inseln in Ökoinseln, wie Astypalea, Chalki und Naxos. Das Projekt heißt GR‑eco, auf diesen Inseln wird der Strombedarf künftig komplett aus erneuerbaren Energien gedeckt. Und auf Rhodos haben wir mit Tui das Cooperation-Laboratory Rhodes gestartet, um mit Pilotprojekten den ökologischen Fußabdruck des Tourismus auf der Insel zu reduzieren.
Welche neuen Attraktionen warten 2023 auf Reisende in Griechenland?
Ich freue mich, dass Tui und die anderen größeren Reedereien früher starten, vielleicht Ende Februar, Anfang März. Außerdem gibt es mehrere neue Hotels.
Außerdem eröffnen viele Hotels, zum Beispiel in Syvota, in Athen und der Region Attika. Die attische Riviera ist jetzt mit dem Stadtzentrum verbunden und bietet ein schönes Nachtleben, Einkaufsmöglichkeiten und gastronomische Angebote sowie eine Menge thematischen Tourismus.
Und über den Resilience Fund investieren wir in die Infrastruktur, also in die Modernisierung von Flughäfen, Sportanlagen und Yachthäfen. Dies wird die Qualität des Tourismus noch verbessern.