Zug statt Kurzstreckenflug: Wie soll das in Deutschland gelingen?
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Am Frankfurter Flughafen funktioniert die Anbindung des Bahnverkehrs an den Flugverkehr schon recht gut.
Auf kurzen Strecken innerhalb Deutschlands sollen Reisende die Bahn nutzen, auf längeren Strecken das Flugzeug. Und wer von deutschen Flughäfen in den Urlaub fliegt, soll von seinem Wohnort am besten mit der Bahn zum Flughafen kommen. So sieht die Idealvorstellung des Bundesverbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und der Deutschen Bahn aus.
Vor zwei Jahren hatten sie dazu eine gemeinsamen Aktionsplan unterzeichnet, der die Vernetzung beider Verkehrsmittel für Reisende attraktiver machen soll. Was ist seither passiert?
Zug und Flug besser vernetzen: Was wurde bereits erreicht?
„Zusätzliche Sprinterverbindungen schaffen geeignete Alternativen zum Flugzeug, sodass es bestimmte Inlandsflüge in Zukunft nicht mehr geben muss“, so lautet eine der Aussagen im Aktionsplan. Besonders am größten deutschen Flughafen in Frankfurt am Main funktioniert die Anbindung des Zugverkehrs an den Flugverkehr schon recht gut.
Insgesamt hat die DB das Sitzplatzangebot zum Frankfurter Flughafen in diesem Jahr um bis zu 60 Prozent gegenüber 2022 erhöht. Zudem gebe es seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2022 nun insgesamt elf ICE-Sprinterlinien, die den Knotenpunkt besonders schnell mit anderen deutschen Metropolen verbinden, so Michael Peterson, DB-Personenfernverkehr-Vorstand. Angefahren werden beispielsweise Berlin, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart. Die ICE-Schnellstrecken kommen gut an bei den Reisenden: Im Jahr 2022 verzeichneten sie ein Nachfrageplus von 45 Prozent gegenüber 2019, teilt die Deutsche Bahn mit.
Die Lufthansa ist beim Thema Intermodalität, also der Verbindung von Zug- und Flugverkehr, zu einem der wichtigsten Partner der Deutschen Bahn geworden. Bei dem Angebot „Lufthansa Express Rail“ benötigen Reisende nur noch ein Ticket für beide Verkehrsmittel, außerdem bekommen sie eine Garantie, dass Anschlüsse erreicht werden beziehungsweise passende Alternativen geboten werden. Die Nachfrage nach diesem Angebot sei von 2019 bis 2021 um 25 Prozent gestiegen, so Peterson.
Mit anderen Fluggesellschaften biete man das sogenannte Rail-and-Fly-Ticket an. Insgesamt kooperiere man hier mit 50 Airlines, sodass Reisende mit der Deutschen Bahn zum Flughafen und nach der Reise wieder nach Hause kommen können. Bei dem Angebot wolle man sich aber nicht nur auf deutsche Flughäfen beschränken, auch europäische Anbindungen wie zum Beispiel nach Paris seien mittlerweile immer besser mit der Bahn erreichbar.
Verkehrsministerium lehnt Vorstoß für Neubau zum Flughafen München ab
Der nächste Schritt müsse nun sein, die Vernetzung über Frankfurt hinaus auch an anderen Standorten deutlich zu verbessern. Besonders dringenden Handlungsbedarf gäbe es dabei am Drehkreuz München, so Jost Lammers, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Hierzu hätten der Münchener Flughafen, die Deutsche Bahn und die Lufthansa einen Vorschlag eingereicht, der den Neubau einer Fernverkehrsstrecke zwischen Ingolstadt und München mit Anbindung an den Flughafen vorsehe.
Zeitnah wird daraus aber wohl nichts, denn die Bundesregierung tritt bei einer möglichen ICE-Anbindung des Münchener Flughafens auf die Bremse. Das geht aus einem Schreiben des Bundesverkehrsministeriums an den Flughafen hervor, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Demnach sehe das Verkehrsministerium keine „nachweisbare, deutlich und dauerhaft abweichende Änderung der Verkehrsstruktur gegenüber der aktuellen Verkehrsprognose“. Deshalb gebe es für eine „kurzfristige Bewertung“ mit dem Zweck der Berücksichtigung des Projekts keine Rechtsgrundlage.
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Laut BDL und DB sei ein Ausbau der Infrastruktur zum Münchener Flughafen nötig, um Bahnverkehr und Flugverkehr besser zu vernetzen.
© Quelle: imago images/Westend61
Neben den großen Drehkreuzen Frankfurt und München soll die Vernetzung zwischen Zug und Flug aber auch an anderen Standorten verbessert werden. Der erste Schritt sei hierbei immer ein Ausbau der Infrastruktur, wie Jost Lammers erklärte.
Ein konkretes Beispiel nennt die Bahn hier mit der seit Dezember letzten Jahres eröffneten ICE-Strecke Wendlingen–Ulm. Diese binde den Flughafen Stuttgart deutlich besser in das Fernverkehrsnetz ein. Das soll in Zukunft auch mit der Verbindung von Berlin-Südkreuz nach Blankenfelde erreicht werden. Die Linie soll im Dezember 2025 fertiggestellt werden und für eine deutliche schnellere Anbindungen der Städte Berlin und Dresden an den Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) sorgen.
Auf lange Sicht soll der Zugverkehr viele Kurzstreckenflüge ersetzen
Nur, wenn die Infrastruktur stimmt, ist die Verlagerung der Kurzstreckenflüge auf die Schiene umsetzbar. Dass dieses Ziel den aktuellen Trend treffe, zeigten die Daten zum innerdeutschen Kurzstrecken-Flugverkehr, so der BDL-Präsident. Das Niveau des Flugverkehrs habe hier im Jahr 2022 nur bei 56 Prozent im Vergleich zu 2019 gelegen. Für europäische und interkontinentale Flüge erwartet der BDL für das Jahr 2023 dagegen eine Nachfrage von mindestens 88 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr.
Durch neue und schnelle Zugverbindungen sei die Zeitersparnis, die Reisende mit Kurzstreckenflügen hätten, auf vielen Verbindungen kaum noch gegeben, erklärte die DB. So erreicht man Ziele wie Stuttgart, Düsseldorf, Hannover und Nürnberg mit dem Zug in unter 2,5 Stunden.
Trotzdem müsse der Fernverkehr bei der Bahn noch deutlich stärker werden, gibt Michael Peterson zu. Eine Pünktlichkeitsrate von nur knapp über 65 Prozent aller Fernzüge, wie es im Jahr 2022 der Fall war, sei nicht akzeptabel.
mit dpa