Angler Meinsen und die Wut auf den Müll
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Matthias Meinsen ist öfter auf der Ostsee unterwegs und holt dort ziemlich stattliche Dorsche aus dem Wasser. Plastikteilchen im Magen der Fische sind leider keine Seltenheit mehr, aber als er jetzt eine ganze Flasche fand, machte ihn das „fassungslos“.
Grömitz. „Hoffentlich nützt es auch was“, hofft Angler Matthias Meinsen. Nachdem er vor Grömitz (Kreis Ostholstein) einen 50 Zentimeter langen Dorsch mit einer Flasche im Magen gefangen und Bilder davon ins Internet gestellt hatte, um auf die Verschmutzung der Ostsee aufmerksam zu machen, fegte sein Beitrag wie ein Orkan durchs Netz. „Warum muss man seinen Müll in der Umwelt entsorgen und kann ihn nicht einfach in den nächsten Eimer schmeißen?“, fragt der passionierte Angler in seinem Eintrag auf „Facebook“.
Schnapsflasche im Dorsch-Magen
Der 32-Jährige aus dem Kreis Stormarn verbrachte mit seinem Kumpel Florian Möller einen entspannten Angeltag auf der Ostsee vor Grömitz. Doch als Matthias Meinsen die gefangenen Dorsche ausnahm, bemerkte er, dass der Magen eines Tieres ungewöhnlich voll war. Zum Vorschein kam ein kleines Glasfläschchen. Das Etikett war bereits abgewaschen, der Deckel fehlte. Lediglich der kleine lilafarbene Ring am Flaschenhals ließ erkennen, dass es sich um den Schnaps "Kleiner Feigling" handelte. "Ich war fassungslos, gleichzeitig machte es mich wütend", erinnert er sich. Der Hobbyangler habe zwar schon Plastikteilchen im Magen von gefangenen Fischen gefunden, doch dies war auch für ihn eine neue Dimension.
Dorsch kämpft ums Überleben
Meeresbiologen aus Kiel können das Fressverhalten des Dorsches nur teilweise erklären. Der Dorsch, ohnehin das Sorgenkind der Ostsee, habe es aufgrund von Klimawandel und Überfischung immer schwerer zu überleben. „Fische, besonders Larven, fressen evolutionsbedingt alles, was sich im Wasser bewegt, in der Wassersäule treibt und in ihr Maul passt. Früher waren das lebende oder tote Organismen, heute ist es oft Plastikmüll“, sagt Rainer Froese, Meeresbiologe des Geomar Helmholtz-Zentrums in Kiel. Ungewöhnlich sei allerdings, dass Dorsche kleinere Glasflaschen fressen. Das kennt der Wissenschaftler nur von Haien, die wirklich alles verschlingen.
Dem Fisch droht der Tod
Das bestätigt auch der Kieler Fischereibiologe Jan Dierking: „Bei Mageninhaltsanalysen von Dorschen haben Kollegen aus Hamburg noch nie eine Flasche gefunden. Was sie manchmal beobachten, sind Steine, auch bis zu zwei Zentimeter Durchmesser.“ Ob ein Dorsch die vermeintlich gesunde Nahrung wieder auf natürlichem Wege loswird, können die Wissenschaftler nur vermuten. „Das wäre durch Hochwürgen eventuell möglich, aber sicher sind wir uns nicht. Wenn sich aber die Flasche vor den Darmausgang legt, hat der Dorsch keine Chance“, berichtet Froese.
Auch Geisternetze zerstören Leben
Seit etwa 100 Jahren findet sich zunehmend mehr Müll in der Ostsee und an den Stränden. Menschen lassen unachtsam ihren Abfall liegen oder schmeißen ihn ins Meer. Ein weiteres Problem sind verloren gegangene Fischernetze, „sogenannte Geisternetze“, erklärt Rainer Froese. Früher wurden die Netze aus Garn hergestellt, das Material zersetzte sich später von selbst. Heute werden Kunststoffnetze in der Berufsfischerei verwendet. „Wenn diese im Meer verloren gehen, zersetzen sie sich zwar auch irgendwann, werden aber als Mikroplastik in die Nahrungskette zurückgeführt.“
Angler sammeln Plastikmüll
Matthias Meinsen ist nicht der erste Angler, der auf die Verschmutzung der Ostsee aufmerksam macht. Unter dem Motto "plastic in the basket/bag" haben Fliegenfischer aus Schleswig-Holstein zuletzt zum Müllsammeln aufgerufen. Das Prinzip: Auf dem Weg zurück zum Auto sammeln die Angler Plastikmüll am Strand.