Arztpraxen in Kiel erwarten keine Entlastung
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Das Wartezimmer einer Arztpraxis: Mit der digitalen Terminvergabe soll Patienten geholfen werden. Doch es gibt Zweifel.
© Quelle: picture alliance / dpa
Kiel. So kritisiert Frauenärztin Doris Scharrel, Vorstandsmitglied des Praxisnetzes Kiel, dass eine zunehmende Digitalisierung bei der Terminvergabe erst einmal nur ein "schöner Schein" sei, zum Beispiel, wenn vor allem Arztpraxen in ländlichen Regionen nicht ausreichend an das Internet angebunden seien. Entlastet würden die Praxen durch das Online-Angebot nicht.
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Weiter berichtet Scharrel, dass die Ärzte sauer darüber seien, dass ihnen in die Sprechzeiten „hineinregiert“ werde und die Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) nicht transparent sei – die Ärzte würden nur häppchenweise Informationen bekommen.
Ärzte sehen Angriff auf Freiberuflichkeit
Schon ab dem 1. September müssen viele Fachgruppen fünf offene Sprechstunden pro Woche anbieten. Das Mindestsprechstundenangebot der Ärzte wurde durch das Gesetz auf mindestens 25 Stunden pro Woche verbindlich erweitert, wobei Hausbesuchszeiten angerechnet werden. Da Ärzte durchschnittlich bereits 52 Stunden die Woche im Einsatz seien, sei dies ein großer Angriff auf die Freiberuflichkeit der Ärzte.
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Scharrel wünscht sich vor allem eines: Dass die Patienten in der Praxis anrufen, wenn sie einen Termin nicht wahrnehmen können. Denn etwa ein Viertel aller vereinbarten Termine wird in Kiel von Patientenseite nicht wahrgenommen, wie aus einer Erhebung des Praxisnetzes hervorgeht.
Ein Gespräch hilft mehr
Eine medizinische Fachangestellte, die im Versorgungszentrum Orthopädie und Chirurgie im Ärztehaus Sophienhof arbeitet, erklärt, es sei nicht leicht zu unterscheiden, ob eine Terminvergabe telefonisch oder digital besser sei. Aber bei einem ist sie sich sicher: „Am Telefon kann ich besser auf den Menschen eingehen.“ Gerade bei Stürzen könne sie so den Ernst der Lage besser einschätzen und den jeweiligen Patienten im Terminplan vorschieben, erzählt sie aus ihrem Arbeitsalltag. Eine Entlastung der Arztpraxen würde eine Online-Plattform aus ihrer Sicht eher nicht darstellen.
Service ist nur bedingt bekannt
„Die Patienten wollen einen Ansprechpartner haben, dem sie in eigenen Worten ihre Beschwerden erklären können.“ Auch eine andere Fachangestellte aus der HNO-Praxis am Sophienhof, die namentlich nicht genannt werden will, ist dieser Überzeugung. In der Praxis gebe es zwar auch die Möglichkeit, Termine über die Website zu buchen – aber die allermeisten Patienten würden immer noch zum Telefonhörer greifen. „Viele unserer Patienten wissen zum Beispiel gar nicht, dass es Angebote wie die Terminservicestelle gibt“, sagt die 29-Jährige. Wegen der vielen älteren Patienten, die die Praxis betreut, glaubt sie eher nicht, dass das zusätzliche Online-Angebot von vielen genutzt werden wird.
Zweifel am Online-System
Sibel Yedikardas kümmert sich in der Citti-Park-Praxis in Kiel um die Terminvereinbarung und ist der Meinung, dass die Patienten bei Weitem nicht nur wegen Terminen anriefen – ein Online-System würde auch sie nicht entlasten. Regina Klement vom Hausärztlichen Zentrum am Alten Markt berichtet, dass sie bei Terminvereinbarungen per Telefon besser steuern kann, wann welcher Patient in die Praxis kommt. Oft würden die Patienten auch persönlich vorbeischauen, um einen Termin zu vereinbaren. Yedikardas: „Ich liebe den persönlichen Kontakt.“
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