Plus 12 Prozentpunkte Mehrwertsteuer: Was eine Erhöhung für Gastronomen bedeuten würde
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Konstantin Koch vom Nil in der Holtenauer Straße in Kiel demonstriert, was die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz bedeuten würde: Statt 21,50 Euro müsste diese Pasta mit Rind und Garnelen dann 23,91 Euro kosten.
© Quelle: Ulf Dahl
Kiel. Wer auf der Speisekarte des Kieler Restaurants Nil nach dem teuersten Gericht sucht, stößt auf Pasta mit Rindfleisch und Garnelen. Aktueller Kurs: 21,50 Euro – angesichts der Zutaten ein guter Preis. Doch schon bald könnte hier eine andere Zahl stehen. „Wenn die Regierung Anfang 2024 wirklich zum alten Mehrwertsteuersatz zurückkehrt, müsste der Teller dann 23,91 Euro kosten“, sagt Konstantin Koch, der das Nil zusammen mit seiner Tante Andrea Soll betreibt. Ein Plus von 2,41 Euro.
Das Beispiel ist ein Gedankenexperiment und wird es auch bleiben. Sollte der Mehrwertsteuersatz auf Speisen tatsächlich wieder von sieben auf 19 Prozent steigen, könne er die Differenz von zwölf Prozentpunkten auf keinen Fall direkt an die Gäste weitergeben, sagt Koch. Viel zu preissensibel seien diese. Preiserhöhungen von über zehn Prozent seien nicht vermittelbar. „Dann bliebe das Restaurant leer.“
Was würde er stattdessen tun, wenn die Regierung die ab Juli 2020 geltende Regelung, mit der die Folgen der Corona-Pandemie, die hohen Energiekosten und die allgemeinen Preissteigerungen für die Branche abgefedert werden sollen, auslaufen lassen würde? „Genau das bereitet mir Kopfzerbrechen“, sagt Koch, der sich nicht vorstellen kann, an der Qualität der Produkte zu sparen oder den Service einzuschränken. Er wisse natürlich, dass die Mehrwertsteuersenkung als Hilfsmaßnahme gedacht war. „Und sie hat uns auch geholfen. Aber wir haben dadurch nicht mehr verdient.“
Dehoga-Experte: „Die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz würden viele nicht überleben“
Auf bundespolitischer Ebene, auf der über die Zukunft der Senkung entschieden werden wird, herrscht beim Thema derzeit relative Funkstille. Zwar hat sich beispielsweise die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken jüngst für die Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ausgesprochen. Finanzminister Lindner (FDP) aber will die nächste Steuerschätzung abwarten.
Nach aktuellen Schätzungen entgehen dem Fiskus durch die Steuerermäßigung jährlich rund 3,4 Milliarden Euro. Das sei aber nicht die ganze Wahrheit, sagt Lutz Frank, Vorsitzender der Fachgruppe Gastronomie im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Schleswig-Holstein (Dehoga). Würde der alte Mehrwertsteuersatz wieder eingeführt, wäre das ein wirtschaftlicher Tiefschlag für die Branche.
Damit verbunden wäre aus Franks Sicht eine erhebliche Einbuße bei der Einkommens- und Gewerbesteuer – und ein Restaurant-Sterben: „Viele Betriebe haben in der Corona-Zeit Sonderkredite aufgenommen, die sie jetzt zurückzahlen müssen. Die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz würden sie nicht überleben.“
Feinheimisch-Vorsitzender würde Erhöhung an Gäste weitergeben
Oliver Firla pflichtet seinem Kollegen bei. Der Inhaber des Restaurants Odins Haddeby in Busdorf und Vorsitzende des Vereins Feinheimisch erlebe, dass im ländlichen Raum derzeit viele Gastronomen zu kämpfen hätten. „Wir müssen unserem Personal hier bis zu 50 Prozent mehr Lohn zahlen, um überhaupt Mitarbeiter zu bekommen“, sagt Firla. Hinzu kämen die hohen Kosten für Energie und Lebensmittel. Die Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer könne auch er nicht kompensieren.
Was das bedeutet? „Ich würde sie tatsächlich direkt an meine Gäste weitergeben“, sagt Firla. Das teuerste Gericht im Odins ist der Schaufelbraten, der mit 29,50 Euro derzeit noch unter der magischen Grenze von 30 Euro liegt. Würden die zwölf Prozentpunkte, die zwischen sieben und 19 Prozent liegen, weitergegeben, läge er deutlich darüber.
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Und wie würde das Publikum reagieren? „Das merkt man immer erst später“, sagt Firla, hofft aber auf Verständnis. Doch auf dem flachen Land, da ist er sich sicher, wäre das für viele Betriebe der Todesstoß: „Und wenn hier ein Restaurant weg ist, kommt es auch nicht wieder.“
KN