Medikament gegen weißen Hautkrebs entwickelt
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Leitet die europäische Studie: Der Kieler Dermatologe Axel Hauschild.
© Quelle: Thomas Eisenkrätzer
Kiel. Das kutane Plattenepithelkarzinom – eine der Formen von weißem Hautkrebs – ist der zweithäufigste Tumor an der Haut, nach dem Basalzellkarzinom. In Europa tritt er doppelt so häufig wie das Melanom (schwarzer Hautkrebs) auf. Bei neun von zehn Patienten ist der Kopf-Nacken-Gesichtsbereich betroffen.
Wird der Tumor rechtzeitig entdeckt, können Behandlung und Heilung durch eine Operation oder durch Strahlentherapie erfolgen. Doch für Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom (cSCC) im fortgeschrittenen Stadium war die Prognose bisher schlecht. Hatten sie Metastasen, lag die mittlere Überlebenszeit bei etwa zwei Jahren.
Etwa zehn Prozent aller cSCC-Patienten mussten sich deshalb einer Chemotherapie unterziehen. Deren Nachteile: diverse unerwünschte Nebenwirkungen und nach zwei bis drei Monaten erneutes Wachstum des Tumors.
„Deshalb gab es einen hohen Bedarf, ein Medikament zu entwickeln“, erklärt der Kieler Professor und Hautarzt Dr. Axel Hauschild. Er war und ist europäischer Studienleiter für ein neues Mittel mit dem Wirkstoff Cemiplimab, das die EMA (European Medicines Agency) vor wenigen Tagen für Europa zur Behandlung erwachsener Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenenem cSCC zugelassen hat. Diese systemische, auf dem Blutweg verabreichte Therapie ist damit die erste zur Behandlung von Plattenepithelkarzinomen zugelassene.
Verabreicht wird das Medikament per Infusion
Ist das Medikament auch für Kassenpatienten erschwinglich? „Es kommt allen zugute, es ist kein Antrag erforderlich“, antwortet Hauschild. Verabreicht wird Cemiplimab (Hersteller: Sanofi Genzyme) alle drei Wochen per Infusion. Es gehört zur Arznei-Klasse der Immun-Checkpoint-Inhibitoren (siehe Kasten links), die bereits mit durchschlagenden Erfolgen gegen schwarzen Hautkrebs, Lungen-, Nieren- und Blasenkrebs eingesetzt werden. Der Mechanismus bestehe darin, so Hauschild, „die T-Zellen der körpereigenen Immunabwehr scharf zu machen, die dann die Tumorzellen attackieren“.
Ziemlich genau 50 Prozent der Betroffenen in der von ihm geleiteten Studie half diese Immuntherapie. Ein spezifischer Rezeptor am Tumor zeigte sich zwar bei den meisten der in die Studie eingeschlossenen Patienten, aber nicht bei allen. „Das Medikament funktioniert auch – warum, wissen wir nicht – bei Patienten, an deren Tumoren wir diesen Rezeptor nicht finden.“ Für Therapeuten, Patienten und auch den Hersteller bedeutet das: Der Nachweis des Rezeptors ist keine Vorbedingung für die Gabe der Infusion und kann deshalb entfallen. Die Anwendung ist nicht beschränkt auf eine Patientengruppe mit spezifischen Tumor-Merkmalen.
Langzeitwirkung gilt als gut
Zur Wirksamkeit liegen nach Hauschilds Angaben inzwischen Nachbeobachtungen von anderthalb Jahren vor. „Das Update wurde gerade auf dem US-Krebskongress präsentiert. Bei 85 Prozent der mit dem Mittel behandelten Patienten hielten die Remissionen – so nennen wir Rückbildungen des Tumors oder der Metastase um mindestens 50 Prozent – bereits 18 Monate an. Verglichen mit der bisher eingesetzten Chemotherapie, nennt man das einen Quantensprung.“ Zumal einige Tumore und Metastasen, bezogen auf diesen Zeitraum, zu 100 Prozent verschwunden seien.
Wie steht es um die Verträglichkeit? Diese ist im jüngeren Lebensalter häufig besser. An weißem Hautkrebs Neuerkrankte in Mitteleuropa sind im Durchschnitt 70 Jahre alt. „Die Ergebnisse dazu wurden mit Spannung erwartet. Bei den Studien mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren zur Therapie des Melanoms betrug das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer 56 Jahre. Bei den Studien mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren zur Therapie von Plattenepithelkarzinomen betrug das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer allerdings 72 Jahre. Und es zeigte sich, dass die Verträglichkeit gut war. Für die Therapieentscheidung heißt das, aufs Lebensalter der Patienten bezogen: Es gibt keine Obergrenze.“
KN