Mehrheit gegen Schleierverbot
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Bei der Anhörung des Landtags sprachen sich rund 20 Experten gegen ein Schleierverbot aus. Etwa ein Dutzend ist dafür.
© Quelle: dpa
Kiel. An der schriftlichen Anhörung beteiligten sich bisher ein gutes Drittel der 110 angeschriebenen Einrichtungen, Vereine und Einzelpersonen. Rund 20 sind gegen ein Schleierverbot, etwa ein Dutzend dafür.
"Das Ergebnis ist ein guter Rückenwind für unsere Position", sagte der Grünen-Abgeordnete Lasse Petersdotter mit Blick auf den Konflikt in der Regierungskoalition. Hintergrund: Die Grünen sind anders als CDU und FDP gegen ein Schleierverbot. "Wir brauchen eine souveräne und wirkungsvolle Strategie gegen Salafismus statt Zugangsverbote in Hochschulen", betonte Petersdotter. Er räumte zugleich ein, dass die Stellungnahmen der Experten "zu dem polarisierenden Thema sehr unterschiedlich" ausfallen.
Burka und Niqab: Verbot nicht verhältnismäßig
Die Gegner eines Schleierverbots weisen fast durchgängig darauf hin, dass ein Tragen von Niqab und Burka durch das Grundgesetz (Religionsfreiheit) geschützt ist und ein Anti-Schleier-Gesetz aufgrund des Einzelfalls an der Uni in Kiel überzogen wäre. Der Flüchtlingsbeauftragte des Landtags, Stefan Schmidt, hält ein Verbot schon deshalb für nicht verhältnismäßig, weil es ein Frauen betreffendes, also geschlechtsspezifisches, Verbot wäre. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass das angestrebte Verhüllungsverbot sich auch auf vollbärtige Studierende mit Brille und Cap erstrecken würde."
Schleierverbot als Beispiel für Mehrfachdiskriminierung
Auch die Neue Richtervereinigung argumentiert nicht nur juristisch gegen ein Verbot, sondern wirbt für ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten. „Es gibt deshalb gute Gründe, die zunehmende religiöse Vielfalt in die Hochschule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten“, meint NRV-Mitglied Christine Nordmann.
Kritik kommt auch aus der Uni selbst, so etwa von der Diversitätsstelle, die Eddi Steinfeldt-Mehrtens leitet. Demnach würde ein Verbot Muslima daran hindern, sich selbstbestimmt zu kleiden. „Das Verbot zum Tragen eines Gesichtsschleiers ist ein Musterbeispiel von Mehrfachdiskriminierung.“
Symbol für die Unterdrückung der Frau
Die Befürworter eines Schleierverbots sind teils der Meinung, dass es sich bei Niqab und Burka nicht um religiöse Kleidungsstücke handelt, sondern um ein politisches Bekenntnis zur Salafisten-Szene. Mehrfach wird der Schleier als ein Symbol für die Unterdrückung der Frau gegeißelt, so etwa von der Frauenrechtsorganisation Terre de femmes. "Alle Formen des Körperschleiers und des Gesichtsschleiers sind Ausdruck eines extrem religiösen Fundamentalismus, der Missachtung und Erniedrigung der Frau und ihrer Degradierung zu einem Objekt", heißt es in der Stellungnahme. Und: "Eine Duldung der Vollverschleierung stärkt insofern nicht die Religionsfreiheit, sondern den Einfluss von fundamentalistischen Auslegungen des Islams."
Katharina K. hat sich noch nicht geäußert
Die Alevitische Gemeinde Kiel geht noch einen Schritt weiter. Sie lehnt frauenfeindliche Gesichtsschleier nicht nur in Lehrveranstaltungen, sondern auch „im öffentlichen Raum“ ab.
In den nächsten Tagen dürften einige weitere Stellungnahmen eingehen. Sie werden berücksichtigt, obwohl die Antwortfrist bereits in der vergangenen Woche ablief. Der Bildungsausschuss des Landtags könnte am Mittwoch klären, ob nach der Sommerpause eine mündliche Anhörung folgt, in der Gegner und Befürworter eines Verbots Rede und Antwort stehen. Die SPD kritisierte den großen Aufwand wegen "einer" verschleierten Studentin, der Niqab-Trägerin Katharina K. Sie war ebenfalls um Stellungnahme gebeten worden, hat sich bisher aber noch nicht geäußert.
KN