Messerangriff Brokstedt

Von mehr Sicherheit im Zug bis Abschiebung: Das Zehn-Punkte-Papier von CDU und Grünen

 Bei einer Messerattacke in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg waren am 25. Januar 2023 in Brokstedt zwei junge Menschen getötet und fünf verletzt worden.

Bei einer Messerattacke in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg waren am 25. Januar 2023 in Brokstedt zwei junge Menschen getötet und fünf verletzt worden.

Kiel. Vor allem mit mehr Personal in verschiedenen Bereichen wollen die Landtagsfraktionen von CDU und Grünen auf den tödlichen Messerangriff in einem Zug von Kiel nach Hamburg reagieren. Einen gemeinsamen Zehn-Punkte-Plan stellten Birte Glißmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion, und Lasse Petersdotter, Vorsitzender der Grünen-Landtagsfraktion, am Freitag im Kieler Landeshaus vor.

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Petersdotter schränkte aber auch sogleich ein: „Mehr Personal kostet Geld. Da muss genau abgewogen werden.“ Die aktuelle Aufarbeitung der Messerattacke zeige zudem, dass es um Herausforderungen gehe, die nicht von einem Bundesland allein bewältigt werden könnten. Als relativ kurzfristig umsetzbare Maßnahmen nannte Glißmann die Stärkung des Sicherheitsgefühls im ÖPNV sowie eine Prüfung von Waffenverbotszonen im Umfeld von Bahnhöfen.

Insgesamt habe die Tat von Brokstedt gezeigt, dass es verschiedene politische Handlungsfelder gebe, in denen man tätig werden müsse. „Insbesondere, um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken“, so Glißmann. Bei der Attacke waren am 25. Januar eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger getötet worden. Beide waren ein Paar. Fünf weitere Menschen wurden teils schwer verletzt.

Zehn-Punkte-Papier von Grünen und CDU

Diese zehn Punkte beinhaltet das Papier von Grünen und CDU:

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1. Sicherheit im ÖPNV: Im Regionalzug von Kiel nach Hamburg gab es keine Videoüberwachung – diese sei aber wichtig, um Straftaten aufklären zu können. Zudem hätten Kameras eine präventive Wirkung. CDU und Grüne fordern zudem, dass neben uniformierten Polizeikräften auch Polizisten in Zivil mit Dienstwaffe kostenfrei mit der Bahn fahren dürfen, „sofern sie sich vor Fahrtantritt beim Zugpersonal anmelden und als Polizei erkennbar sind“. Zudem sprechen sich beide Parteien für Waffenverbotszonen im Bahnhofsumfeld aus, um das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken.

2. Gewaltprävention: „Wir brauchen gute Angebote für eine bessere Gewaltprävention“, hieß es am Donnerstag. Diese sollen niedrigschwellig zugänglich gemacht werden. Ziel sei die Einrichtung von Gewaltambulanzen nach Bayrischem Vorbild. Dazu zählen Angebote im Bereich der Jugendarbeit und der Gewaltprävention für junge Männer wie Antigewalt-Trainings.

3. Informationszugriff zwischen den Behörden gewährleistet Sicherheit: CDU und Grüne wollen prüfen, wie „Speicherfristen, Definitionen und Differenzierung von Mehrfach- und Intensivtäter und -täterinnen sowie Erhebungs- und Übermittlungsvorschriften bundesweit vereinheitlicht werden können“. Damit soll der Zugriff auf Daten länderübergreifend zwischen allen relevanten Behörden wie Justizvollzug, Justiz, Polizei und Kommunen und deren Gesundheits-, Sozial- oder Ausländerbehörden gewährleistet sein. Im Fall Ibrahim A. schoben sich die Behörden in Kiel und Hamburg gegenseitig die Verantwortung zu.

4. Beschleunigungsmöglichkeiten in Strafverfahren nutzen:  Staatsanwaltschaften und Gerichte sollen mehr Personal bekommen, um Strafverfahren, insbesondere Haftsachen, zu beschleunigen.

5. Überprüfung der Straftaten, die mithilfe von Messern begangen wurden: CDU und Grüne fordern eine „Überprüfung der Strafvorschriften, bei denen die Taten mithilfe von Messern begangen wurden“

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6. Umgang mit Straftäterinnen und Straftätern ohne festen Wohnsitz: Nach der Entlassung aus der U-Haft war Ibrahim A. ohne festen Wohnsitz – das sei „ein großes Problem für die Betroffenen und die Gesellschaft gleichermaßen.“ Die staatliche Verantwortung können nicht mit Haftende aufgegeben werden. Laut Petersdotter sei ein „besseres Übergangsmanagement“ politische Aufgabe. Die Tatsache, dass jemand ohne festen Wohnsitz ist, dürfe den Vollzug geltenden Rechts nicht verzögern oder behindern.

7. Übergangsmanagement bei (U-) Haft-Entlassungen und psychiatrische Versorgung verbessern: Das in der letzten Legislaturperiode beschlossene Resozialisierungsgesetz soll die Resozialisierung verbessern und gilt auch für Entlassungen aus der Untersuchungshaft. Vor dem Hintergrund der Tat von Brokstedt müsse man das neue Gesetz auch nochmal überprüfen, sagte Petersdotter. Zudem müsse weiter in Personal und Ressourcen investiert werden, denn immer mehr Inhaftierte zeigten psychische Auffälligkeiten.

8. Opferschutzangebote weiter ausbauen: Die Anlaufstellen für Opfer und andere Hilfsangebote hätten im Fall Brokstedt unmittelbar und vorbildlich gehandelt. Nun gehe es darum, die Erfahrungen auszuwerten und den Opferschutz personell und finanziell zu stärken, damit Opfer und andere Betroffene in jeder Hinsicht bestmöglich unterstützt würden, so CDU und Grüne.

9. Behördliche Prozesse beschleunigen: Der Fall des Beschuldigten von Brokstedt zeige, dass die Prozesse im Austausch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu lange dauern. „Es braucht schneller mehr Klarheit“, sagte Petersdotter. Behörden müssten einander schneller informieren. „Das Land will hier seinen Teil beitragen.“ Und: Strafrechtliche Verurteilungen müssten umgehend gemeldet werden, um Widerrufsverfahren einleiten zu können. Dafür brauche es eine bundesweit einheitliche Definition des bisher unbestimmten Rechtsbegriffs der schwerwiegenden Straftat als Entscheidungsgrundlage.

10. Abschiebungen von Straftäterinnen und Straftätern: CDU und Grüne wollen sich auf Bundesebene sich für eine schnelle Rückführung von Täterinnen und Tätern schwerwiegender Straftaten einsetzen. Dabei dürfe auch die Staatenlosigkeit kein Hindernis sein.

Kiel und Hamburg: Behörden schieben sich gegenseitig Verantwortung zu

Eine Woche nach der Messerattacke in einem Regionalzug sind noch einige Fragen ungeklärt: Wie konnte es passieren und hätte es verhindert werden können? Und wer wusste wann was über den mutmaßlichen Täter? Die Behörden in Kiel und Hamburg schieben sich im Fall Ibrahim A. gegenseitig die Verantwortung zu.

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Man habe die Kieler Ausländerbehörde bereits früh über eine Inhaftierung des 33 Jahre alten Palästinensers Ibrahim A. in der Hansestadt informiert, sagten Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) und eine Vertreterin der Innenbehörde am Donnerstag im Justizausschuss der Bürgerschaft. Zudem habe es mehrere vergebliche Versuche gegeben, Kontakt zu der Kieler Behörde aufzunehmen.

Am Vortag hatte die schleswig-holsteinische Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) bemängelt, dass Informationen aus Hamburg zum mutmaßlichen Täter nicht in Schleswig-Holstein angekommen seien.

Mutmaßlicher Täter Ibrahim A. reiste 2014 nach Deutschland ein

Der in Gaza geborene mutmaßliche Täter Ibrahim A. reiste am 24. Dezember 2014 nach einer biografischen Übersicht der Stadt Kiel nach Deutschland ein. Ihm wurde sogenannter subsidiärer Schutzstatus zuerkannt. Das heißt, der Mann konnte Gründe vorbringen, warum man ihn nicht abschieben sollte. 2021 wurde gegen ihn ein Verfahren auf Rücknahme des subsidiären Schutzes eingeleitet.

Ibrahim A. hat am Mittwoch vergangener Woche in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg mit einem Messer auf andere Fahrgäste eingestochen. Zwei junge Menschen starben, fünf weitere wurden teils schwer verletzt. Der Verdächtige, der mehrfach einschlägig vorbestraft ist, war knapp eine Woche zuvor aus der U-Haft in Hamburg entlassen worden.

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