Flucht, Flügel und die alte neue Leichtigkeit
Liebe Leserinnen und Leser,
fast wäre das „THW Update“ mit Verspätung in Ihr digitales Postfach geflattert. Die Rückreise aus Bukarest war etwas holprig: Zuerst stand der Flughafen-Shuttle im Stau, dann ... Ich will Sie nicht langweilen. Reden wir also lieber über die neue Leichtigkeit des THW Kiel. Das 41:28 beim rumänischen Meister Dinamo Bukarest hat mir wirklich Spaß gemacht. Ihnen auch? An diesem Abend hat wirklich jedes Rädchen ins andere gegriffen. Und – so ehrlich muss man sein – außerdem hat der Gastgeber im Prinzip ohne eine nennenswerte Torwartleistung gespielt.
Nichtsdestotrotz hat mir imponiert, wie die Spieler von THW-Cheftrainer Filip Jicha die wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebende Abschlussschwäche endgültig abgeschüttelt zu haben scheinen. Ich mochte den Variantenreichtum. Das „Abräumen“ über die Außen – Rune Dahmke und Yannick Fraatz wurden zum Teil spektakulär in Szene gesetzt. Das schnelle Umschalten, das Tempo, das unerbittliche Nicht-Nachlassen. Aber auch den Mut, mit denen Spieler wie Miha Zarabec ins Eins-gegen-Eins gegangen sind. Jedes der 41 Tore hat für ein kleines bisschen mehr Selbstvertrauen gesorgt und kam genau zum rechten Zeitpunkt. Schließlich gibt sich am Sonntag (14 Uhr, Liveticker auf KN-online) Tabellenführer Füchse Berlin in Kiel zum Spitzenspiel der Handball-Bundesliga die Ehre.
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag sind die Zebras schon wieder in Kiel-Holtenau gelandet. Das war es also schon wieder mit dem Kapitel Rumänien. Sportlich lege ich mich fest: Da wird im Rückspiel am kommenden Mittwoch nichts, aber gar nichts, aber auch überhaupt gar nichts mehr anbrennen. Der THW Kiel steht mit mehr als einem Bein im Viertelfinale, wird dort mit Paris Saint-Germain um den Einzug ins Final Four der Königsklasse kämpfen. Ich habe Bukarest mit einem guten Gefühl verlassen, auch wenn diese Zwei-Millionen-Metropole ihre Schönheit nicht unbedingt auf den ersten Blick entfaltet. Hier der an Paris angelehnte Klassizismus, Triumphbogen und irrsinnige Kreisverkehre inklusive. Da die Spuren der Tyrannei der Ceausescu-Diktatur mit seinen wahnwitzigen Protzbauten, dem allgegenwärtigen brutalistischen Beton. In der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ära und dem Terror der Securitate sind die Rumänen vielleicht noch nicht ganz so weit wie Deutschland in Sachen Stasi und DDR-Aufarbeitung.
Womit ich auch schon bei einer Geschichte wäre, die mir besonders am Herzen liegt und die ich Ihnen darum ans Herz legen möchte. Sie ist nicht nur eine dieser spannenden Geschichten aus der Kategorie „Was macht eigentlich ...?“, sondern eine besondere. Ich habe mich nämlich in Mielkendorf bei Kiel mit Josef Willisch getroffen, der sich zwischen 1978 und 1981 beim THW Kiel und später auch als Spielertrainer des TSV Altenholz als Sepp Willisch einen Namen gemacht hat. Der in der Minderheit der „Banat-Schwaben“ in Rumänien aufgewachsene linke Rückraumspieler, der 1974 bei Dinamo Bukarest unter Vertrag stand und 16 Länderspiele für Rumänien absolviert hat, hat mir von seiner Flucht aus dem Kommunismus erzählt und davon, wie er sich in der Bundesrepublik über die Stationen Günzburg und Nettelstedt schließlich bei uns im Norden ein neues Leben aufgebaut hat. Mich hat die Geschichte sehr bewegt. Und ganz nebenbei war es auch spannend, mal wieder in den Geschichtsbüchern über die Namen Horst Wiemann, Uwe Schwenker oder Predrag Timko zu stolpern.
Vor dem Rückspiel gegen Bukarest, wo sich die Trauer über die Niederlage in Grenzen hielt und Trainer-Legende Xavi Pascual seine Spieler an solchen Matches gegen Topteams wie den THW Kiel „wachsen sehen“ will, steht nun also noch eine ganz besondere Begegnung auf dem Programm. Der THW Kiel hat es in eigenen Händen, gegen den derzeit vielleicht besten Spieler der Welt, Mathias Gidsel, gegen Paul Drux, Fabian Wiede und all die anderen Berliner Spitzenleute die Tabellenführung der Handball-Bundesliga zurückzuerobern. Das wäre sozusagen die Kirsche auf der Torte, die sich neue Leichtigkeit nennt. Und wenn das biologisch nicht so absurd klänge, würde man sich nach dem Auftritt in Bukarest fast zu der Aufforderung hinreißen lassen: Fliegt, Zebras, fliegt!
Ich wünsche Ihnen ein ganz formidables Spitzenspielwochenende - mit besonders viel Leichtigkeit!
Ihr Tamo Schwarz, THW-Reporter
Zitat der Woche
Ich fühle mich dem THW Kiel noch immer sehr verbunden, empfinde ein starkes Zugehörigkeitsgefühl.
Sepp Willisch (72)
Ex-Zebra, das nach seiner Flucht 1974 aus Rumänien von 1978 bis 1981 beim THW Kiel spielte
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