Fast täglich musste Handball-Bundestrainer Alfred Gislason bei der EM Rückschläge verkraften. Der 62-jährige Isländer blieb gelassen und bewies eindrucksvoll, dass er den Umbruch ernst meint. Dabei zeigte er sanfte, ungeahnte Seiten.
Bratislava. Die Handball-Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei ist eine Grenzerfahrung. Besonders für Bundestrainer Alfred Gislason. 15 Corona-Fälle machten sein drittes großes Turnier mit der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) erneut zu einem vermeintlichen Muster ohne Wert. Doch der 62-jährige, oft zum Geysir aus Akureyri stilisierte Isländer bewahrte Ruhe. Gislason erfand sich neu. Im Kern.
Wer den anderen, aus elf Kieler Jahren (2008-2019) beim THW womöglich unbekannten Alfred Gislason studieren wollte, musste nach einer Viertelstunde in der Partie gegen Schweden am Sonntag nur genau hinsehen. Abwehrkoloss Patrick Wiencek kam nach einer gelungenen Aktion – sagen wir gegen Albin Lagergren oder Jim Gottfridsson – vom Feld gelaufen und setzte sich nach dem Wechsel mit Spielmacher Philipp Weber auf die Bank. Was jetzt passierte, war nicht der zuweilen obligatorische Klaps mit der isländischen Pranke auf die Schulter, nach dem so mancher Ottonormalsportler zehn Physiotherapie-Einheiten bräuchte. Es war ein sanftes, fast zärtliches Streicheln, zufrieden warmes Zureden. Ein Schauspiel, in dem die vergangenen Wochen subsumiert sind wie in keinem anderen Moment in Bratislava.