Susann Beucke ist Kiels Sportlerin des Jahres 2021
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Kiels Sportlerin des Jahres 2021: Seglerin Susann Beucke.
© Quelle: Ulf Dahl
Kiel/Lorient. Anfang 2001 sitzt ein Mädchen in Strande am Frühstückstisch und blättert in den Kieler Nachrichten. Und sieht sie: Amelie Lux. Die Windsurferin ist zu Kiels Sportlerin des Jahres gekürt worden, hat bei den Spielen in Sydney die Silbermedaille gewonnen. Beeindruckend findet das die kleine KN-Leserin. 21 Jahre später ist das Mädchen von damals in Lux’ Fußstapfen getreten: Erst Olympia-Silber, dann Sportlerin des Jahres. „Irre, dass ich das jetzt bin. Was für eine Ehre“, sagt Susann Beucke.
Viel ist passiert in zwei Jahrzehnten. Mit zwölf Jahren liest Beucke ein Buch der Weltumseglerin Ellen MacArthur und ist vom Segeln als Leistungssport so fasziniert, dass sie beschließt, diesen Weg zu gehen. Im Juni 2006 lernt sie bei einer Kieler-Woche-Pressekonferenz Tina Lutz kennen. Im März 2007 beginnt die nun 15 Jahre haltende norddeutsch-bayerische Segel-Ehe, die in Tokio vorzeitig Silberhochzeit feiert.
Aller guten Dinge sind drei – gegen alle Widrigkeiten
Gemeinsam steigen Lutz und Beucke in Deutschlands Segel-Elite auf, greifen 2012 im 470er erstmals nach dem Olympiaticket, verlieren die nationale Ausscheidung, die bis in den Gerichtssaal führt, dramatisch. Vier Jahre später das Scheitern im 49erFX. Anlauf Nummer drei, wieder kommt es hart auf hart. Beucke bricht sich im Februar 2020, mitten in der Olympia-Quali, beim Training in Argentinien das Wadenbein, wenig später geht die Welt in den Corona-Lockdown.
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Und das, während „durch die verpassten Anläufe noch mehr Druck auf einem lastet“, wie Beucke sagt. Doch all die gemeinsamen Jahre schweißen zusammen. „Dass wir seit Ewigkeiten ein Team sind, hat uns sehr geholfen“, sagt die 30-Jährige. „Auch in der Pandemie. Wir konnten in dieser Ausnahmesituation auf ganz anderer Basis miteinander reden als wohl viele andere.“ Sie schaffen es zu den Spielen, mit einer Triumphfahrt bei der Kieler Woche. Ein Traum wird wahr.
Erste Olympiamedaille für deutsche Seglerinnen seit Amelie Lux
Aber Tokio, diese Isolationsblase, „hatte mit Olympia gar nicht viel zu tun. Mit dem Kern der Spiele, der Völkerverständigung“, sagt Beucke, die „schon etwas enttäuscht“ war. „Aber so haben wir uns voll auf den Wettkampf fokussiert.“ Die Crew „boxt sich durch Schlüsselstellen durch“, sagt Beucke. „Nicht zur Eröffnungsfeier gehen zu können, war eine.“ Den Seglerinnen droht nach Rückkehr ins Revier von Enoshima, 60 Kilometer südlich vom Zentrum Tokios gelegen, Quarantäne.
„Wir haben das als Chance genutzt, keine Ablenkung zu haben, und daraus Energie gezogen“, sagt Beucke. Energie, die sie zur ersten Olympiamedaille für deutsche Seglerinnen seit 21 Jahren führte, seit – genau – Amelie Lux in Sydney. „Niemand hat uns vor drei oder vier Jahren eine Olympiamedaille zugetraut – wir schon“, so Beucke. „Das macht uns sehr stolz.“
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Strahlende Silberseglerin und Kiels Sportlerin des Jahres 2021: Susann Beucke mit ihrer Olympiamedaille.
© Quelle: imago/Matthias Wehnert
Dem Leistungssegeln wird sie auch nach dem großen Wurf treu bleiben: „Die Medaille beflügelt und motiviert mich sehr, weiterzumachen.“ Im Sommer wird die Silber-Crew Highlights wie Kieler Woche und WM segeln. „Wir werden die Chancen ausloten und sehen, wo wir stehen. Das nacholympische Jahr ist immer eine Findungsphase.“
Parallel läuft Beuckes Einstieg ins Offshoresegeln. Und dafür drückt sie aktuell sogar wieder die Schulbank: im französischen Lorient, dem Mekka des Hochseesegelns. „Das ist wie Hogwarts für Segeln“, sagt Beucke über den Lehrgang in Anlehnung an die Schule für Hexerei und Zauberei aus der „Harry Potter“-Reihe. Denn gepaukt wird in Spezialfächern von Speed über Navigation und Sicherheit bis Meteorologie, gesegelt auf foilenden Einrümpfern der Figaro-Klasse. „Die Bretagne ist rau im Februar“, sagt Beucke lachend. „Aber auch das liebe ich. Ich liebe es auf dem Wasser. Im Hochseesegeln ist man unglaublich stark mit dem Wasser verbunden.“
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Aus Kiel hinaus aufs Meer, zu Olympiasilber und weiter, verbunden mit den Elementen – und der Heimat. „Als Seglerin in Kiel Sailing City zur Sportlerin des Jahres gewählt zu werden, ist fantastisch“, sagt Beucke. „Als Kielerin ist das eine sehr emotionale Auszeichnung.“ Und irgendwie schließt sich so ein Kreis. Von dem ein Mädchen in Strande Anfang 2001 noch nichts ahnte.