Allianz: Milliardendebakel in den USA überschattet Erfolgsbilanz
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Bayern, Unterföhring: Das Logo der Allianz steht auf einem Gebäude auf dem Gelände des Versicherungskonzerns in Unterföhring bei München (Archivfoto).
© Quelle: Andreas Gebert/dpa
München. Oliver Bäte meint weder die Pandemie noch Naturkatastrophen oder Niedrigzinsen. „Auch wenn Unangenehmes passiert, können wir es ausbalancieren“, sagt der Chef des Versicherungsriesen Allianz an diesem Freitag bei der Vorlage der Bilanz für 2021. Das Unangenehme, auf das er da Bezug nimmt, sind mehrere Milliarden Euro, die ein Skandal in den USA seinen Konzern kostet.
Es geht um einen Allianz-Fonds, in den US-Lehrerinnen und -Lehrer oder U-Bahn-Fahrerinnen und -Fahrer im Vertrauen auf eine sichere Anlage für ihre Pensionen investiert haben und dabei Anfang 2020 mit Verlusten von insgesamt 5,3 Milliarden Euro konfrontiert wurden. Insgesamt 25 US-Pensionsfonds und andere Großanleger gingen vor Gericht. In einem ersten Vergleich zahlt die Allianz nun 3,7 Milliarden Euro.
„Das ist die Mehrheit der Investoren“, erklärte Bäte zur Bedeutung einer wenige Stunden vor Bilanzvorlage unterzeichneten Einigung mit Betroffenen. Finanziell bewältigt ist das Debakel damit aber noch nicht. Denn zum einen gibt es Anleger, mit denen sich die Allianz noch nicht verglichen hat. Vor allem aber ermitteln in der Sache seit acht Monaten mit dem US-Justizministerium und der US-Börsenaufsicht SEC zwei mächtige US-Behörden. Die können hohe Strafen verhängen, was sie in der Vergangenheit auch schon öfter getan haben, wenn Verbraucherrechte verletzt wurden. VW kann mit Blick auf den Dieselskandal ein Lied davon singen.
Die jetzt in der Bilanz 2021 zurückgestellten 3,7 Milliarden Euro betreffen nicht nur die Anlegergruppe, mit denen sich die Allianz geeinigt hat, sondern auch noch andere Beteiligte, erklärten Bäte und Allianz-Finanzchef Giulio Terzariol. Genauer wollten sie nicht werden. Gemeint sein dürften SEC und US-Justizministerium.
„Aus Sicht der Allianz ist mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen, bevor diese Verfahren endgültig abgeschlossen werden können“, heißt es in einer Allianz-Mitteilung, die ebenfalls nicht weiter kommentiert wurde. Es könnte noch teurer werden, als die jetzt zurückgestellten 3,7 Milliarden Euro suggerieren. Analysten rechnen mit Belastungen von bis zu 6 Milliarden Euro.
Bäte: Gesamtverantwortung im Konzernvorstand
Auch auf Spekulationen, wann eine Einigung mit SEC und dem US-Justizministerium vorliegen könnte, wollte sich Bäte nicht einlassen. „Wir werden verhindern, dass so etwas noch einmal passiert“, versicherte er und schickte ein „hoffentlich“ hinterher. Für das Debakel um den US Structured Alpha Fonds gebe es eine Gesamtverantwortung im Konzernvorstand.
Deshalb würden dessen und damit auch seine eigenen Boni für das abgelaufene Geschäftsjahr gekürzt, betonte der Manager. Wie viel Geld das Debakel ihn und seine Vorstandskollegen genau kostet, wollte er aber vorerst nicht sagen. Das werde Anfang März enthüllt. Bereits voriges Jahr hatte sich die für Vermögensverwaltung zuständige Managerin Jacqueline Hunt aus dem Vorstand des Versicherungskonzerns zurückgezogen.
„Wir bedauern die Verluste“, erklärte Bäte und meinte damit neben den Anlegern auch seine Aktionäre. Denn den Gewinn nach Steuern hat das Debakel 2021 um 2,8 Milliarden Euro geschmälert. Um 3 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro ist er deswegen geschrumpft. 9,4 Milliarden Euro hätten es sein können.
Um die Auswirkungen auf die Aktie in Grenzen zu halten, kündigte der Konzern ein Aktienrückkaufprogramm im Umfang von bis zu einer Milliarde Euro und kontinuierliche Dividendensteigerungen in den nächsten Jahren an. Trotz des Flops in den USA wurde die Ausschüttung für voriges Jahr von 9,60 auf 10,80 Euro je Aktie erhöht. Auf 12,50 Euro soll sie bis 2024 steigen.
Sollte das operative Geschäft weiter wie im Vorjahr laufen, dürfte das vorbehaltlich neuer Hiobsbotschaften kein Problem sein. Denn 2021 sind die operativen Gewinne über alle Sparten um ein Viertel auf 13,4 Milliarden Euro gewachsen, was die Allianz auch für das laufende Jahr im Mittel ihrer Prognose anpeilt. Die Umsätze sind dabei um fast 6 Prozent auf knapp 149 Milliarden Euro gesteigert. Es hätte ein glänzendes Jahr sein können, wäre da nicht der Structured Alpha Fonds in den USA.
Der war von der zuständigen Konzerneinheit Allianz Global Investors (AGI) einmal als besonders sicher verkauft worden, weshalb er intensiv zur Altersvorsorge genutzt wurde. Mit Ausbruch der Pandemie und dem Verfall der Finanzmärkte Anfang 2020 kollabierte aber auch der Fonds. Verletzung eigener Anlagerichtlinien und bewusste Falschinformation werfen US-Kläger AGI vor. Für einen der weltgrößten Kapitalanleger, der seine Expertise sonst bei jeder Gelegenheit betont, fördert das nicht gerade das Image, auch wenn es finanziell zu verkraften ist.