Die roten Zahlen der Bahn: Bevor es besser wird, wird es erst einmal schlechter
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Das Logo der Deutschen Bahn AG (DB) am Berliner Hauptbahnhof spiegelt sich am Morgen in einer Gebäudefassade.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Frankfurt am Main. Die Probleme der Deutschen Bahn lassen sich an wenigen Zahlen illustrieren. Der Staatskonzern fuhr 2022 einen Rekordumsatz von 56,3 Milliarden Euro ein. Die Zahl der Reisenden kletterte um 40 Prozent zum Vorjahr auf rund zwei Milliarden. In die Züge des Fernverkehrs stiegen sogar 61 Prozent mehr Fahrgäste ein. Trotzdem hat der Konzern unterm Strich einen Verlust von 227 Millionen verbucht.
„Hinter den roten Zahlen verbirgt sich ein strukturelles Problem, weil die Infrastruktur nicht auf dem Stand ist, auf dem sie sein müsste“, sagte Klaus-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dies sei primär durch die Politik bestimmt. „Es macht sich jetzt bemerkbar, dass das System Schiene 30 bis 40 Jahre vernachlässigt wurde.“
Schenker soll verkauft werden, um Schulden abzubauen
Das führt zu Verspätungen, die nach Naumanns Worten einen Teufelskreis auslösen: „Wenn es Verspätungen gibt, dann steigen die Personalkosten. Zudem müssen Entschädigungen gezahlt werden – ab einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises.“ Naumann geht davon aus, dass allein dafür 2022 ein dreistelliger Millionenbetrag zusammengekommen ist. Ein weiterer Faktor: Verspätungen bedeuteten auch weniger Chancen, die Züge zu warten. Dann komme irgendwann die viel größere Reparatur, die sehr teuer werde.
Der Bahnvorstand beruft sich indes auf die Folgen eines „stark gestiegenen Steueraufwands“. Will sagen: Weil man im operativen Geschäft so erfolgreich war, fielen hohe Gewinnsteuern an, die einen Nettoprofit zunichtegemacht haben. Und in der Tat hat die Bahn vor Steuern und Zinsen einen Überschuss von knapp 1,3 Milliarden Euro erzielt. Noch im Vorjahr war es ein Fehlbetrag von 300 Millionen gewesen, seinerzeit litten die Beförderung von Personen und der Transport von Gütern noch unter den Folgen von Covid.
Das hat die Bahn jetzt hinter sich gelassen, bei vielen Kennziffern wurden sogar die Werte aus der Zeit vor der Pandemie übertroffen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Tochter DB Schenker operativ rund 1,8 Milliarden Euro erwirtschaftete und damit die Verluste anderer Bereiche ausglich. Doch ausgerechnet Schenker soll verkauft werden, um mit den Erlösen die enorme Schulden zu verringern, diese lagen Ende 2022 bei knapp 29 Milliarden Euro, dieses Jahr sollen noch einmal mehr als 4 Milliarden hinzukommen.
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„Nur 65,2 Prozent der Fernverkehrszüge kamen pünktlich ins Ziel“
Das ist aber nicht das größte Problem des Staatskonzerns. Dieses wird in der DB-Mitteilung zur am Donnerstag vorgelegten Jahresbilanz erst im sechsten Absatz erwähnt: „Nur 65,2 Prozent der Fernverkehrszüge kamen pünktlich ins Ziel.“ So schlecht war dieser Wert noch nie. 2021 waren es noch 75,2 Prozent gewesen. Mit den aktuellen Zahlen liegt die DB im internationalen Vergleich weit hinten.
Die Erläuterung des Managements: Die Betriebsleistung, also die gefahrenen Kilometer, wurde noch einmal um 2,2 Prozent auf 1,13 Milliarden Trassenkilometer gesteigert. Das Netz sei stärker belastet als vor der Pandemie. Es sei zu alt, zu störanfällig und habe zu wenig Kapazität. Und dann werde deutschlandweit auch noch auf Rekordniveau modernisiert und gebaut. Bahnchef Richard Lutz betont: „Das vergangene Jahr markiert einen Wendepunkt. Allen Beteiligten ist klar geworden: Wir müssen umsteuern und die Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur gänzlich anders angehen.“
Dafür hat der Ampelkoalitionsausschuss gerade 45 Milliarden Euro bis 2027 bereitgestellt. Die Investitionen sollen dazu dienen, im Jahr 2030 den Deutschlandtakt einzuführen, also eine Synchronisierung der Verkehre: Züge fahren kurz vor der halben und der vollen Stunde in die großen Bahnhöfe an Knotenpunkten ein und kurz nach der halben und der vollen Stunde wieder heraus. Das würde das Bahnfahren erheblich attraktiver machen.
Keine grundlegenden Verbesserungen durch schlechten Zustand des Netzes
Dafür brauche es, so Naumann, nun die richtigen Entscheidungen der Politik. Er mahnt an, das Tempo bei der Sanierung der Infrastruktur massiv zu beschleunigen: „Wenn drei Jahre darüber diskutiert wird, wie der Bogen für eine neue Bogenbrücke gemacht werden soll, dann kommen wir nicht weiter.“
Und erst einmal wird es sowieso nicht besser: „Ich erwarte, dass das Niveau der Verspätungen in der jetzigen Größenordnung bestehen bleibt“, so der Pro-Bahn-Experte. Dadurch, dass immer mehr neue ICE4-Züge kämen, nehme dieses Problem zwar langsam ab. Aber: Der schlechte Zustand des Netzes lasse keine grundlegende Verbesserung erwarten. Einzelne Strecken seien inzwischen modernisiert, die ganz großen Sanierungen kämen aber erst noch, da gehe es dann um die Magistralen und die Knotenpunkte im Netz. „Da stellt sich dann die Frage, wie gut das organisiert wird. Wenn der Kunde weiß, dass zum Beispiel die Fahrt von Frankfurt nach Mannheim eine halbe Stunde länger dauert und wenn es dann auch verlässlich dabei bleibt, dann akzeptieren die Kunden dies“, erläutert Naumann.
Bei der Geschäftszahlen wird es auch nicht gerade rosig werden. Zwar kalkuliert der Vorstand mit einem Umsatz von abermals mehr als 56 Milliarden Euro. Aber er rechnet mit einem operativen Verlust von einer Milliarde Euro: wegen „der hohen Inflation und milliardenschweren Vorleistungen für zusätzliche Verbesserungen der Infrastruktur“.