Batterie oder Brennstoffzelle? Lkw-Bauer MAN hat sich entschieden
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Die Lastwagenbauer von MAN setzen künftig auf Elektroantrieb.
© Quelle: dpa
München. Das Rennen hin zu einem Fertigungsstart von Elektro-Lkw nimmt Fahrt auf. „Wir beginnen jetzt Anfang 2024 und damit ein Jahr früher als bisher geplant mit der Produktion der schweren Elektro-Lkw“, kündigte der neue MAN-Chef Alexander Vlaskamp im Beisein von Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder im Nürnberger MAN-Werk an. Dort hat der Lkw-Bauer jetzt erstmals einen seriennahen Elektroprototypen präsentiert.
„Wir müssen die Elektrifizierung unserer Flotte noch schneller vorantreiben“, erklärt der Manager. Denn ebenfalls ab 2024 will auch Lkw-Weltmarktführer Daimler Elektrolaster in Serie bauen. Das gilt ebenso für den MAN-Schwesterkonzern Scania aus Schweden, der wie die Münchner unter dem Dach der VW-Nutzfahrzeugtochter Traton arbeitet.
Zu Beginn nur 200 bis 400 E-Lkw
MAN beginnt 2024 mit einer Miniserie von 200 bis 400 Elektro-Lkw, verrät Vlaskamp. Bei rund 90.000 pro Normaljahr gebauten Lastern ist das eher eine homöopathische Dosis. 2025 werde man durchstarten und 2500 bis 3000 batterieelektrische Lkw im Münchner MAN-Werk bauen, sagt der seit vorigen November am MAN-Lenkrad sitzende Niederländer. Bis 2030 wollen die Traton-Marken jeden zweiten Brummi in einer elektrischen Version verkaufen.
Spätestens bis dahin sollen voll fernverkehrstaugliche Elektro-Lkw heutige Dieselantriebe und andere Antriebstechniken in den Schatten stellen. „Schon in Richtung der 2030er-Jahre werden wir bei schweren Lkw batterieelektrische Reichweiten von über 1000 Kilometern haben“, schätzt Vlaskamp die Entwicklung ein.
Eine technologische Hintertür wollen sich die Bayern dennoch eröffnen. Dazu entwickeln sie jetzt mit 8,5 Millionen Euro Fördergeld aus Bayern und den Industriepartnern Bosch, ZF und Faurencia einen Brennstoffzellen-Lkw.
Bislang hat MAN diese Technologie konträr zum Konkurrenten Daimler links liegen lassen. In Serie plane man weiterhin keinen Brennstoffzellen-Lkw, betont Vlaskamp. Aber 2024 sollen erste Fahrzeuge an fünf Testkunden ausgeliefert und ein Jahr lang erprobt werden. „Wir wollen uns die Technologie für bestimmte Anwendungsfelder offenhalten“, sagt Vlaskamp und hat Zeiten nach 2030 im Auge.
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Daimler Truck setzt bei seinen schweren Lastwagen neben der Batterie auch auf Wasserstoff und Brennstoffzelle.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Daimler tickt anders, hat für 2027 den Serienstart für Brennstoffzelle-Lkw im Blick und baut mit Konkurrent Volvo auch eine gemeinsame Brennstoffzellenfabrik. MAN will Brennstoffzellen nur zukaufen.
Vlaskamp setzt auf Innovationen bei Batteriereichweiten
Im Verhältnis zu batterieelektrischen Antrieben werde sich diese Technologie bis etwa 2035 nur einen Marktanteil von 5 bis 15 Prozent erobern können, glaubt Vlaskamp. Nur bei extrem schweren Lasten oder Dauereinsatz rund um die Uhr könne die Brennstoffzelle punkten. Mit rasant steigenden Batteriereichweiten verschwinde gerade ein zentrales Argument für sie.
Zudem komme der Aufbau einer elektrischen Lkw-Ladeinfrastruktur im Vergleich zu Tankstellen für Wasserstoff als Betriebsmittel der Brennstoffzelle weit günstiger. Zum Preis einer Wasserstofftankstelle können rund 15.000 Elektroladepunkte errichtet werden, rechnet MAN vor.
Experte sieht vorerst keine Chance für Brennstoffzellen in Lkw
Elektro-Lkw klar im Vorteil gegenüber der Brennstoffzelle sieht auch Forscher Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Entwicklung und Verbreitung der Batterietechnik laufe der von Brennstoffzellen davon, argumentiert er. Weltweit und vor allem in China seien schon rund 30.000 Elektro-Lkw unterwegs und über 150 Elektromodelle angekündigt, während Brennstoffzellen-Lkw über Testeinsätze noch nicht hinausgekommen sind.
Wenn die ab 2027 auf den Markt kommen, gebe es bereits die zweite Batteriegeneration für Elektro-Lkw mit großen Reichweiten, sagt auch der Forscher. Neue Schnellladesysteme würden zudem die Ladezeiten bald erheblich verkürzen. Grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien werde es zudem noch jahrelang nicht in genügender Menge geben, um den auch im Fernlastverkehr einzusetzen.
Ökonomisch und ökologisch besser sei es, Stahlwerken oder der Luftfahrt den Vorrang bei grünem Wasserstoff zu gewähren. Für Brennstoffzellen-Lkw bleibe nur eine Nische.
Knackpunkt Ladeinfrastruktur
MAN sieht sich mit dem klaren Fokus auf Elektro-Lkw dadurch bestätigt – auch wegen Vorteilen bei den Energiekosten. „Im Lkw-Verkehr, gerade auf der Langstrecke, werden reine Elektro-Lkw in den meisten Fällen die günstigere und umweltfreundlichere Lösung sein“, betont Traton-Technologiechefin Catharina Modahl-Nilsson.
Beim Lastern mit Brennstoffzellen gingen drei Viertel der Ausgangsenergie per Umwandlungsverlust verloren. Bei den Gesamtkosten aus Betrieb und Kaufpreis würden schwere Elektro-Lkw zudem schon 2025 vor Diesel-Lkw liegen.
Voraussetzung für einen Vormarsch von Elektro-Lkw ist aber, dass es dafür bald eine flächendeckende Ladeinfrastruktur gibt. Dazu wollen Traton, Daimler und Volvo entlang Autobahnen bis 2027 rund 1700 Hochleistungsladepunkte installieren. Für weitere Anschubhilfe appelliert die Industrie an die Politik und fordert auch Anreize wie Ausnahmen vom Sonntagsverbot für Elektro-Lkw oder eine Erlaubnis für Nachtlogistik.