Bürofreundschaft trotz Homeoffice: „Das Soziale kommt oft zu kurz“
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Der von der Corona-Krise ausgelöste Trend zum Homeoffice wird die Wirtschaft in Deutschland langfristig verändern.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
Kollegen können Freunde, Teil von Netzwerken oder auch Rivalen sein. Aber seit einigen Monaten sind sie oft vor allem eines: Gesichter auf den Bildschirmen der Millionen Beschäftigten, die wegen der Corona-Pandemie im Homeoffice sind. Doch die fehlenden Sozialkontakte können zum Problem für Psyche, Produktivität und vielleicht auch die Karriere werden – wenn man nicht gegensteuert.
Die Homeoffice-Basics sollten mittlerweile bei den meisten Beschäftigten sitzen: Es braucht einen ordentlichen Arbeitsplatz, einen gescheiten Laptop, eine gute Internetverbindung und Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber, welche Regeln gelten. Schwieriger wird es, wenn es um die Sozialkontakte bei der Arbeit geht: Die Zusammenarbeit leide unter fehlenden Gesprächen in Kaffeeküchen, Kantinen und Fluren, warnt Wolfgang Prinz, Homeoffice-Experte beim Fraunhofer-Institut für Informationstechnik.
„Es kommen weniger neue Kontakte, neuer Input und spontane Ideen zustande. Dabei ist das eigentlich entscheidend bei Teamarbeit“, sagt der Wissenschaftler, der seit Monaten Beschäftigte befragt, wie sie mit den neuen Bedingungen zurecht kommen. Er macht dafür vor allem die Technik verantwortlich: Viele Tools wie Zoom, Slack oder Microsoft Teams seien mit Blick auf die Arbeitsabläufe in Organisationen entwickelt worden. „Das Soziale kommt hingegen oft zu kurz“, so Prinz.
Ersatz fürs Kaffeeküchengespräch
Geht es nach ihm, braucht es nun neue Möglichkeiten, diese Ebene zu ersetzen. Prinz rät zum Beispiel zu digitalen Meetings ohne Agenda, auf denen einfach mal geplauscht werden kann – durchaus mit dem Ziel, Themen zu identifizieren, die sonst auf keiner Tagesordnung standen. „Schlau ist es, in irgendeiner Weise zu zeigen, womit sich gerade wer beschäftigt“, sagt Prinz außerdem. Das kann in Konferenzen geschehen, aber auch mit Hilfe der Statusanzeige, die viele Messenger bieten. Das Ziel: Anknüpfungspunkte für Kollegen zu bieten – was gerne mal in einem kurzen telefonischen Austausch mündet.
Darüber hinaus rät der Wissenschaftler auch zur Experimentierfreude: „Eine Option ist es, Tools aus dem Gamerbereich zu nutzen“, meint Prinz. Software wie Discord erlaubt etwa eine permanente Audioverbindung mit mehreren Beteiligten, wie im Büro kann also jederzeit geredet werden. Zugleich können sich alle Beteiligten gegenseitig stumm schalten. „Natürlich ist dabei ein Mittelweg zwischen zusätzlichem Input und möglichen Störungen entscheidend“, betont der Wissenschaftler.
Austausch jenseits des Fachlichen
Oft genug sind Kollegen auch enge Freunde oder Bekannte. Ratsam ist es deshalb, ruhig ab und zu zum Telefon zu greifen, und ein kurzes Gespräch über private Themen zu führen. Doch auch Unternehmen sind dabei gefragt: „Es ist wichtig, Austausch jenseits des Fachlichen zu schaffen“, ist Laura Dornheim überzeugt. „Wir haben vor kurzen einfach mal eine Runde gemacht, wie wir uns Weihnachten in diesem Jahr vorstellen“, erzählt die Teamleiterin von der Berliner Softwareschmiede EYEO. Ein Kniff könne es außerdem sein, wenn Vorgesetzte Ihren Beschäftigten etwas Handfestes mit Bezug zum Unternehmen zukommen lassen, etwa Carepakete. „Das Physische ist Gold wert!“, meint Dornheim.
Genauso wichtig ist es ihr zufolge, dass Kollegen und Vorgesetzte in diesen Zeiten sensibel dafür sind, dass Arbeitnehmer eben auch Menschen sind. „Die Pandemie ist wahnsinnig belastend, dass schlägt sich natürlich bei Beschäftigten durch“, sagt Dornheim. Eyeo biete deshalb eine Corona-Familienzeit an, falls parallel zum Homeoffice auch Kinder betreut werden müssen. „Damit können sich Beschäftigte auch kurzfristig ausklinken, wenn es Not tut – ohne Gehaltsabzüge,“ erklärt Dornheim. Sie plädiert außerdem dafür, möglichst wenige für alle Mitarbeiter verpflichtende Videokonferenzen einzurichten – und bei Meetings zu erlauben, dass Beschäftigte mit Smartphone und Headset einen Spaziergang unternehmen.
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Handstand in der Videokonferenz: Einen vertraulichen Umgang im Team vorausgesetzt, können auch kleine Gags gut für die Zusammenarbeit sein.
© Quelle: imago images/Westend61
Soziale Netzwerke schaffen Sichtbarkeit
Zumindest um die Aufstiegschancen müssen sich Beschäftigte im Homeoffice derzeit wohl weniger Sorgen machen: Zwar ist Präsenz aus Sicht von Fachleuten in vielen Unternehmen immer noch karrierefördernd. „Wenn die ganze Firma im Homeoffice sitzt, gibt es keine Nachteile“, sagte aber jüngst die Personalberaterin Katharina Wolff, Inhaberin der Agentur D-Level gegenüber dem „Businessinsider“.
Wer sich trotzdem um seine Sichtbarkeit im Betrieb sorgt, kann zumindest auf soziale Medien ausweichen – und dort gezielt Netzwerke rund um die eigene Karriere aufbauen, wie Tijen Onaran, Autorin der „Netzwerkbibel“, empfiehlt. Dann spielt die Wahl der richtigen Plattform eine zentrale Rolle: Jüngere Kollegen tummeln sich eher auf Instagram, Professionals auf Xing und LinkedIn – und Twitter biete die Möglichkeit, meinungsstark in Erscheinung zu treten, erklärte Onaran im Gespräch mit der Wirtschaftswoche.