Übergewinnsteuer von 33 Prozent

Nur minimaler Satz: Lindner will Solidarbeitrag für Erdölunternehmen „möglichst schonend“ gestalten

Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, schlägt vor, eine Übergewinnsteuer für Öl- und Gasunternehmen in Höhe von 33 Prozent einzuführen.

Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, schlägt vor, eine Übergewinnsteuer für Öl- und Gasunternehmen in Höhe von 33 Prozent einzuführen.

Frankfurt am Main. Auch in Deutschland sollen Erdöl- und Erdgasunternehmen ihren „Solidaritätsbeitrag“ in der Energiekrise beisteuern. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat dafür einen Gesetzesentwurf erarbeiten lassen. Kommt der Vorschlag durch, werden die Einnahmen bescheiden ausfallen. Der Steuersatz soll am unteren Ende des Zulässigen liegen.

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Dass Lindner von einer Übergewinnsteuer nichts hält, hat er schon mehrfach deutlich gemacht. Er hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Extra-Profite „amtlicherseits“ gar nicht festgestellt werden könnten. Doch jetzt müssen die Finanzbehörden genau dies tun. Die EU fordert es. Die Staats- und Regierungschefs hatten Anfang Oktober beschlossen, dass Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffinerieunternehmen einen Beitrag zur Entspannung der Energiekrise leisten sollen.

Die Konzerne werden wegen der exorbitanten Steigerung der Preise für fossile Energien in diesem Jahr ebenso exorbitante Gewinne erzielen. „Im Sinne der Solidarität und Fairness müssen alle Energiequellen dazu beitragen, die Auswirkungen der hohen Preise auf die Rechnungen der Verbraucher abzumildern“, heißt es auf der Website der EU-Kommission, die „einen befristeten Solidaritätsbeitrag auf der Grundlage der Gewinnüberschüsse“ vorgeschlagen hat. Inzwischen gibt es eine entsprechende Verordnung, die in den Mitgliedsländern bis Ende des Jahres umgesetzt werden muss.

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Um Übergewinnsteuern wird seit Monaten gestritten. In einer im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellten Studie heißt es: Allein sechs große Öl- und Gaskonzerne – BP (Aral), Shell, Total, Exxon-Mobil, Saudi Aramco und die deutsche Wintershall Dea (eine BASF-Tochter) – hätten im ersten Halbjahr ihre Gewinne um 60 Milliarden Dollar erhöht. Für das gesamte globale Mineralölgeschäft werde ein zusätzlicher Gewinn in der schwer vorstellbaren Höhe von mehr als 1100 Milliarden Dollar erwartet. Für den deutschen Markt hält die Studie Übergewinne von 38 Milliarden Euro beim Öl und 25 Milliarden beim Erdgas in diesem Jahr für möglich.

Allerdings wird es sehr schwer bis unmöglich, an all das Geld heranzukommen. Denn die Konzerne haben mittels ausgeklügelter Konstruktionen mit Tochterfirmen erreicht, dass große Teile ihrer Profite in Steueroasen wie Singapur oder der Schweiz landen.

Die Autoren der Studie betonen derweil: „Je nach Ausgestaltung und Steuersatz könnte eine Übergewinnsteuer trotzdem Einnahmen von rund 30 bis 100 Milliarden Euro generieren. Dabei werden allerdings auch die zusätzlichen Profite aus dem Geschäft mit elektrischer Energie berücksichtigt.

Hohe Spritpreise: Das Rekordjahr steht schon fest

Jetzt steht es auch rein rechnerisch fest: 2022 ist das teuerste Tankjahr aller Zeiten.

Einnahmen von einer Milliarde Euro erwartet

In Kreisen des Finanzministeriums heißt es: Die Spielräume der EU-Verordnung sollten ausgeschöpft werden, „um den Energiekrisenbeitrag möglichst schonend auszugestalten“. Nur eine niedrige zweistellige Zahl von Unternehmen werde betroffen sein. Deutschland werde „den europarechtlichen Mindestabgabesatz von 33 Prozent“ erheben. Und: „Das Aufkommen des EU-Energiekrisenbeitrags wird bei etwa rund einer Milliarde Euro liegen.“ Diese zusätzlichen Einnahmen des Staats sollen zur Finanzierung der Strompreisbremse verwendet werden. Ebenso wie die sogenannten Zufallsgewinne von Stromerzeugern – dazu zählen auch erneuerbare Energien.

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Bei der Bemessung geht es um den Gewinn, den ein Unternehmen 2022 und 2023 zusätzlich im Vergleich zum durchschnittlichen Profit der Jahre 2018 bis 2021 macht. So soll sichergestellt werden, dass „wirklich nur besonders profitable Betriebe die Abgabe zahlen müssen“, heißt es in den Ministeriumskreisen.

Die Grünen halten das für zu wenig, wie die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour dem Fernsehsender Welt sagten. „Wenn man sich anschaut, wie hoch die Gewinne sind, die gemacht wurden, die Übergewinne, die ja nicht auf kluge Investitionsentscheidungen zurückgehen, sondern tatsächlich auf diesen Krieg, dann muss am Ende auch die Höhe bei der Steuer dem gerecht werden“, betonte Lang.

Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie, äußert hingegen Bedenken: „In einer Hinsicht geht der Vorschlag der Bundesregierung um 100 Prozent über das von der EU vorgegebene Mindestmaß hinaus: Die EU-Verordnung sieht die Einführung einer Solidaritätsabgabe für den Raffineriesektor für mindestens ein Jahr vor. Die Bundesregierung möchte die Sondersteuer nun für zwei Jahre einführen“, so Küchen gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Zur Höhe von 33 Prozent sei anzumerken, dass diese zusätzlich zu den Steuern auf die Unternehmensgewinne anfielen, die durchschnittlich in Deutschland bei rund 31 Prozent und damit im EU-Vergleich schon mit an der Spitze lägen. In Summe erfolge also schon bei diesem Vorschlag eine Abschöpfung von fast zwei Dritteln der Gewinne der Jahre 2022 und 2023. „Bei einigen Unternehmen dürfte diese Steuerbelastung möglicherweise schon ab dem ersten Euro greifen, da im Referenzzeitraum bei einigen Unternehmen coronabedingt erhebliche Verluste aufgelaufen sind“, so Küchen, der hinzufügt: „Von einigen Grünen ins Gespräch gebrachte Steuersätze von 60 bis 80 Prozent würden dagegen sogar zu einer Steuerbelastung von mehr als 100 Prozent führen können.“

Wenn geschätzt wird, dass fossile Konzerne in Deutschland Übergewinne in Höhe von 15 Milliarden Euro gemacht haben, warum sollten wir als Gesellschaft diese nicht ganz abschöpfen?

Kerstin Meyer,

Finanzexpertin bei der Umweltorganisation BUND

Für solch höhere Sätze setzt sich derweil auch die Umweltorganisation BUND ein. „Die Öl- und Gas-Unternehmen nutzen die Krisen, um über hohe Preise exorbitante Gewinne zu erzielen. Millionen Haushalte sind dadurch existenziell bedroht“, sagte die BUND-Finanzexpertin Kerstin Meyer dem RND. Sie betont: „Wenn geschätzt wird, dass fossile Konzerne in Deutschland Übergewinne in Höhe von 15 Milliarden Euro gemacht haben, warum sollten wir als Gesellschaft diese nicht ganz abschöpfen? Wir wissen doch, die Energiewende kann nur gelingen wenn sie sozial gerecht ist.“

Auch Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sagte dem RND: „Aus unserer Sicht sollte Deutschland bei fossilen Energieunternehmen deutlich über die vorgeschlagenen 33 Prozent hinaus gehen. Erneuerbare Energieträger dürften durch keine deutlich höhere Abschöpfungsquote benachteiligt werden, da sie ansonsten nicht mehr ausreichend investieren könnten.“

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