Deutsche Bahn und Lufthansa machen gemeinsame Sache bei Express-Rail-Angeboten
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Angesichts wachsender Kritik an umweltschädlichen Inlandsflügen wollen die Deutsche Bahn und Lufthansa ihre Zusammenarbeit verbessern.
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
„Nahtlos“, „vernetzt“ und „integriert“. Mit diesen Vokabeln werben die Lufthansa und die Deutsche Bahn für ihre neuen Express-Rail-Angebote. Bahnfahren und Fliegerei sollen enger verknüpft, inländische Zubringerflüge zu den großen Airports reduziert werden. Umweltschützer begrüßen die Initiative. Sie fordern aber zusätzliche Schritte.
Die Neuerungen im Einzelnen: Von Juli an fahren erstmals „extraschnelle Sprinterzüge“, so die Bahn, von München und von Hamburg (über Hannover) zu Deutschlands größten Airport in Frankfurt. Ab Dezember kommen Verbindungen von Berlin, Bremen und Münster hinzu. Derzeit halten am Fernbahnhof-Flughafen bereits täglich 134 Züge aus 17 deutschen Städten.
Zügige ICE-Verbindungen zwischen München und Köln werden ab Dezember das Angebot erweitern. Die Fahrzeit soll sich dabei auf weniger als vier Stunden verkürzen. Von und nach München und Nürnberg geht es dann zweimal am Tag in drei beziehungsweise zwei Stunden ohne weitere Zwischenstopps zum Airport der Mainmetropole und wieder zurück. Das ist jeweils eine halbe Stunde schneller als heute. Und dies soll „passgenau“ zu den Abflug- und Ankunftszeiten der Lufthansa geschehen, die am Standort Frankfurt ihr wichtigstes Drehkreuz für internationale Flüge betreibt.
Angebot für reisende Manager
Lufthansa-Kunden mit Business- und First-Class-Tickets fahren auch in der Bahn auf Erste-Klasse-Niveau und sie bekommen Zugang zu den DB-Lounges in den Bahnhöfen. Unterwegs gibt es ein „kostenfreies gastronomisches Angebot“ am Platz, und über freies WLAN können Reisende während der Fahrt E-Mails abarbeiten oder schon auf „LH-Informationsinhalte“ zugreifen. Die Express-Rail-Züge sollen mit einem speziellen DB-LH-Branding gestaltet werden, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Das alles zeigt: Das Angebot ist auf reisende Manager ausgerichtet, die die wichtigste Kundengruppe der Lufthansa waren – bis die Pandemie kam. Die teuren Business-Class-Tickets ermöglichten Deutschlands größter Airline hohe Gewinnspannen.
Einmalige Kooperation zwischen DB und Lufthansa
Derzeit werden die Geschäftsreisen vielfach durch Videokonferenzen ersetzt. Die Lufthansa hofft aber, dass die dienstlich Fliegenden mit der Eindämmung der Pandemie wieder zurückkehren. Deren Wegbleiben macht Inlandsflüge, die ohnehin kaum lukrativ sind, derzeit vielfach zu einem Verlustgeschäft. Lufthansa-Chef Carsten Spohr machte vorige Woche bei der Bilanzpressekonferenz für 2020 deutlich, dass er einige der Kurzstreckenverbindungen „lieber heute als morgen einstellen“ würde.
„Aus einer guten Kooperation wird jetzt eine umfassende Partnerschaft, wie es sie zwischen Lufthansa und Deutscher Bahn noch nicht gegeben hat“, betonte DB-Vorstand Berthold Huber. Reisen mit der Bahn werde nun schneller und komfortabler. Harry Hohmeister, Mitglied im Lufthansa-Vorstand, lobte die vernetzte und integrierte Mobilität, die Verbrauchern und der Umwelt nutze. Das Mobilitätsangebot in Deutschland und damit der Wirtschaftsstandort würden gestärkt.
An Verknüpfungen wird seit Jahrzehnten gearbeitet
An Verknüpfungen von Schienen- und Luftverkehr wird seit den frühen 1980er-Jahren gebastelt – seinerzeit gehörte die Lufthansa noch vollständig dem Staat. Inzwischen ist der Bund wieder der größte Anteilseigner. Die Verlagerung der Zubringerfahrten auf die Gleise krankte immer wieder daran, dass die Reisezeiten am Boden teilweise erheblich länger waren als Kurzstreckenflüge. Hinzu kam die Unpünktlichkeit der Bahn, die bei Lufthansa-Managern für viel Verdruss sorgte. Ein weiterer wichtiger Faktor waren enorme Probleme beim Gepäcktransport. Das Aufgeben der Koffer am Bahnhof blieb immer ein Problem.
Die systematische Vernetzung der beiden Verkehrssysteme blieb rudimentär – gleichwohl fahren in normalen Zeiten täglich Tausende Fluggäste mit der Bahn zum Frankfurter Flughafen. Dort wurde 1999 ein eigener Fernbahnhof fertiggestellt. Doch Frankfurt macht eine Ausnahme. Am zweiten großen LH-Drehkreuz in München müssen die Passagiere erst zum Hauptbahnhof fahren und dort mit Sack und Pack in die S-Bahn umsteigen.
Einige Änderungen müssten noch vorgenommen werden
Ganz so nahtlos läuft es also noch nicht. Bahn und Lufthansa machen indes darauf aufmerksam, dass für die Zubringerdienste künftig bevorzugt Züge der jüngsten Generation „mit großen Gepäckfächern“ eingesetzt werden. Express-Rail-Kunden sollen zudem die Fast Lane bei den Sicherheitskontrollen am Flughafen nutzen dürfen. Und am FRA-Airport sollen die Koffer dieser Fahrgäste „priorisiert behandelt“ werden.
„Das Heben von bestehenden Potenzialen zur Vermeidung von Kurzstreckenflügen ist überfällig“, sagte Jens Hilgenberg dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Der Mobilitätsexperte der Umweltorganisation Bund fordert nun „gezielte Investitionen zur Beseitigung von Engstellen, für den Ausbau von Bahnknotenpunkten und den Bau von Überholgleisen“. Zudem müsse der Flughafen München ans Fernbahnnetz angeschlossen werden. All das soll helfen, noch erheblich mehr Inlandsflüge in Bahnfahrten umzuwandeln. Auch Spohr hatte kürzlich beklagt, dass die Zahl der LH-Kunden, die mit der Bahn zum Flieger gebracht werden können, „leider begrenzt“ sei.
Umweltschützer wollen Kurzstreckenflüge komplett auf Schiene verlagern
Die Umweltorganisation Bund verlangt indes zur Finanzierung des Ausbaus der Bahninfrastruktur unter anderem eine deutliche Erhöhung der Luftverkehrsteuer für innerdeutsche Verbindungen auf 24 Euro pro Flugticket und Passagier. „Das Ziel einer neuen Bundesregierung muss es sein, dass 2030 Kurzstreckenflüge inklusive Zubringerflügen komplett auf die Schiene verlagert sind“, so Hilgenberg. Dafür müssten Bahn- und Flugnetz in Deutschland als Gesamtsystem gezielt weiterentwickelt werden, inklusive der Schließung von Regionalflughäfen.